Amerikaner drängen nach Europa:Nasdaq wirbt um die Londoner Börse

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Die Technologiebörse Nasdaq hat am Montag einen neuen Versuch gestartet, die Londoner Börse LSE zu übernehmen. Und plötzlich könnte sich die ungeliebte Deutsche Börse als Weißer Ritter erweisen.

Gerd Zitzelsberger

In der Übernahmeschlacht der großen Börsenbetreiber gerät die Deutsche Börse immer stärker ins Abseits. Sie war sowohl an der Euronext als auch an der London Stock Exchange (LSE) interessiert gewesen.

"Nicht nach importierten Regeln spielen." (Foto: Foto: AFP)

Ihre Übernahmeversuche für die LSE in den Jahren 2000 und 2005 blieben erfolglos. Beim zweiten Anlauf hatten die eigenen Großaktionäre, insbesondere sogenannte Hedge-Fonds, dem Management ihre Unterstützung versagt, weil sie den Preis für zu hoch hielten. Die Deutsche Börse wollte damals knapp zwei Milliarden Euro bezahlen.

Name soll erhalten bleiben

Das Angebot der Nasdaq liegt deutlich höher. Vorstandschef Robert Greifeld bietet 12,43 Pfund je Aktie und bewertet die LSE mit insgesamt 2,7 Milliarden Pfund, umgerechnet rund vier Milliarden Euro. Der LSE ist auch das zu wenig.

Die Nasdaq selbst hat einen Börsenwert von 3,2 Milliarden Euro. Bereits vor zwei Monaten hatte sie in einem überraschenden Manöver zwei LSE-Großaktionären ihre Pakete abgekauft und ihre Beteiligung inzwischen auf 28,75 Prozent erhöht. Sie bezahlte dabei bis zu 12,43 Pfund je Aktie, ein Preis, der damals vielen Marktbeobachtern astronomisch hoch erschien.

Nach den Londoner Börsenregeln ist sie bei ihrem jetzigen Übernahmeangebot an diesen Preis gebunden. Spekulanten wetten schon auf einen noch höheren Preis.

Der Aktienkurs der LSE schnellte nach Bekanntgabe des Angebots auf 12,90 Pfund hoch. Ein Händler sagte, die LSE suche jetzt nach einem weißen Ritter; dies könnte etwa die Deutsche Börse sein.

Durch den Zusammenschluss mit der Nasdaq würde ein transatlantischer Konzern entstehen, dessen Umsatz mit 1,1 Milliarden Euro allerdings unter dem der geplanten Verbindung der New York Stock Exchange (Nyse) und Euronext mit 1,8 Milliarden Euro liegen würde. Die Deutsche Börse hatte wegen anhaltender Widerstände aus Paris ihr Fusionsangebot an Euronext zurückgezogen.

Nicht ausreichend

Nasdaq-Chef Greifeld sicherte zu, dass auch nach einem Kauf der Londoner Börse deren Name und Geschäftsmodell erhalten bliebe; sie würde auch ihr eigenes Führungsgremium behalten. Dennoch findet die Offerte in London keinen Gefallen.

In ihrer Antwort betont die LSE, dass das Angebot nur einen Aufschlag von zwei Prozent zum Aktienkurs am vergangenen Freitag darstelle. LSE-Chefin Clara Furse sagte, das Angebot spiegele nicht das Rekordwachstum und die Aussichten für die Börse wider.

Der britische Finanz-Staatssekretär Ed Balls, der voraussichtlich im Frühjahr Finanzminister werden will, sagte, die Regierung habe nichts gegen ausländische Eigner.

Nur die Offenheit für internationale Eigentümer habe dem Finanzplatz London zu seiner heute führenden Rolle verholfen, sagte er vor Auslandskorrespondenten in London. Die Regierung sorge aber dafür, dass an den Londoner Börsen nach britischen Regeln gespielt werde ,,und nicht nach importierten''.

Die strengen und für die Wirtschaft sehr teueren Regeln, die mittlerweile in den USA gelten, haben dazu geführt, dass große Konzerne ihre Zweitnotierung häufig nicht mehr in den USA beantragen, sondern in London. Der russische Ölkonzern Rosneft oder die chinesische Bank ICBC, die vor wenigen Wochen den größten Börsengang der Wirtschaftsgeschichte gemacht hat, sind Beispiele dafür.

Die LSE verbucht im bisherigen Jahresverlauf mehr Börsenneulinge als Nasdaq und Nyse, die größte amerikanische Aktienbörse, zusammen. Daneben sorgen vor allem automatische Handelssysteme, die auf kleinste Preisänderungen reagieren, dafür, dass das Geschäft an der LSE auf hohen Touren läuft.

Erst im Oktober hatte es einen Schub bei der Börsenkonzentration gegeben, als die Chicagoer Terminbörse CME ihren Lokalrivalen CBOT übernahm. Damit entthronte die CME die Deutsche Börse als den weltweiten Branchenführer gemessen am Marktwert der Börsengesellschaften. Die Nasdaq würde zwar auch bei einer Übernahme der LSE noch einen deutlich niedrigeren Börsenwert haben als die Deutsche Börse.

Denn das Frankfurter Geschäft kommt zu einem großen Teil aus dem Terminhandel, Abrechnung von Börsengeschäften und ähnlichen Aktivitäten. Aber Nasdaq und LSE würden zum größten Marktplatz für Aktien in der Welt: An beiden Börsen zusammen sind 6400 Unternehmen, von BP und Shell bis zu Microsoft und vielen anderen High-Tech-Titeln gelistet.

Die Marktkapitalisierung dieser Firmen beläuft sich insgesamt auf 11,8 Billionen Dollar. Und im Tagesdurchschnitt gehen an beiden Börsen zusammen 7,4 Milliarden Aktien um.

© SZ vom 21.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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