Altersvorsorge:Geldmangel ist kein Grund für Lethargie

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Jüngere sollten beim Ansparen ihrer Rente schon früh Eigeninitiative zeigen. Schon 50 Euro im Monat bilden eine solide Basis.

Heinz-Josef Simons

Die staatlichen Fürsorgesysteme in Deutschland, die weitgehend auf dem generationenübergreifenden Umlageverfahren beruhen, gelten weltweit als vorbildlich.

Bei näherem Hinsehen jedoch trügt der Schein. Denn Deutschland büßt zunehmend seinen Ruf als sozialer Musterknabe ein. Zumindest was die Altersversorgung von Staats wegen angeht. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Weltwirtschaftsorganisation OECD unter dem Titel "Renten auf einen Blick", bei der die staatlichen Altersversorgungssysteme in den Industrieländern unter die Lupe genommen wurden.

Die heutigen Rentner und Beinahe-Rentner werden auf lange Zeit wohl die letzten sein, denen es finanziell vergleichsweise gut geht.

Auf riesige Versorgungslücken vorbereiten

Die folgenden Generationen aber, die sich erst in zehn, 20 oder gar 30 Jahren aus dem Erwerbsleben verabschieden werden, müssen sich auf riesige Versorgungslücken vorbereiten.

Nach Erkenntnissen der OECD wird ein heute 20-jähriger Normalverdiener im späteren Ruhestand aus der gesetzlichen Rentenkasse noch nicht einmal 40 Prozent des letzten Bruttogehalts bekommen.

OECD-weit beträgt die Quote 58,7 Prozent. In Frankreich liegt sie bei gut 51, in den USA, der Hochburg des als sozial kalt empfundenen Wirtschaftsliberalismus, immerhin bei 41,2 Prozent. Spitzenreiter weltweit ist Griechenland mit 95,7 Prozent.

Verantwortlich für die hausgemachte Malaise in Deutschland sind die demographische Entwicklung, wonach der Anteil älterer und alter Menschen an der Gesamtbevölkerung auch weiter stark steigt, sowie die zwangsläufigen Reformen, damit die gesetzliche Rente nicht doch noch kollabiert.

Diverse Umbauten des Rentensystems

So lag das Rentenniveau 1990, kurz nach dem Mauerfall, beim Normalverdiener noch bei 48,7 Prozent. Diverse Umbauten des Rentensystems drückten die Quote auf die 39,9 Prozent von heute.

Den Menschen in anderen europäischen Ländern ging es ähnlich. Dank diverser Reformen sank das Rentenniveau in Italien von 90 Prozent vor 17 Jahren auf heute 67,9 Prozent. In Frankreich von 64,7 auf 51,2 Prozent.

Allein in Großbritannien, wo die Altersversorgung schon früh auf den drei Säulen Staat, Firma und private Geldanlage umgestellt wurde, verharrt das gesetzliche Rentenniveau seit Beginn der neunziger Jahre konstant niedrig bei 30,8 Prozent.

Noch nie war die Geldanlage reiner Selbstzweck. Und eben dieser Zweck hat sich in den vergangenen zehn, 15 Jahren erkennbar verändert. Früher sparten die einen hauptsächlich für Kinder und Enkel, andere für ein neues Auto, schicke Möbel oder den jährlichen Karibik-Urlaub.

Geld auf die hohe Kante fürs Alter

Heute bestätigen Umfragen, die fast im Wochenrhythmus veröffentlicht werden, dass die Menschen vor allem fürs Alter Geld auf die hohe Kante legen. Das legendäre Zitat des ehemaligen Bundesarbeitsministers Norbert Blüm, wonach die Rente sicher sei, gilt heute definitiv als widerlegt.

Spätestens auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden die Jungen und Jüngeren von heute, sobald sie ihre jährlichen Renteninformationen erhalten. Da steht dann schwarz auf weiß, dass es nach etlichen Erwerbs-Jahrzehnten voraussichtlich gerade einmal 1000 Euro aus der staatlichen Rentenkasse geben wird. "Bei dieser Nachricht kann man ein Fass aufmachen, um danach die eigene Wohnung zu kündigen und in eben dieses Fass einzuziehen", sagt dazu der Düsseldorfer Kabarettist Volker Piespers.

Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet "allein die private Altersvorsorge", sagt Günther Soboll, Deutschlandchef des britischen Versicherers Canada Life, stellvertretend für mittlerweile alle Politiker, Wissenschaftler und Vertreter der Finanzbranche.

Vor 20 Jahren noch dienten die eigenen Investments lediglich dazu, die staatliche Rente aufzubessern. So wurden im Alter die Extras finanziert, die das Leben versüßen. Heute hat die private Geldanlage das Ziel, den gewohnten Lebensstandard auch im Alter noch zu halten. Mögliche Extras werden hintenangestellt, bis die Grundsicherung schlussendlich stimmt.

Gar nicht so schwierig

Wer sich also nicht auf die Unkalkulierbarkeit des staatlichen Rentensystems verlassen möchte, der betreibt am besten die Strategie der kleinen Schritte. Denn private Altersvorsorge und das Schließen von Versorgungslücken sind gar nicht so schwierig. Falls man denn einige grundlegende Regeln beachtet:

Einfach anfangen. So früh wie möglich ist der beste Startzeitpunkt. Denn je länger die Geldanlage dauert, desto intensiver wirkt der Zinseszinseffekt, wonach die regelmäßigen Erträge des Investments nicht verfrühstückt, sondern ihrerseits angelegt werden.

Wer im Alter von angenommen 20 Jahren beginnt und sich für den Vermögensaufbau bis zum Rentenbeginn 47 Jahre Zeit lassen kann, der muss gerade einmal 50 Euro im Monat investieren, um am Ende einen sechsstelligen Eurobetrag auf der hohen Kante zu haben.

Disziplin gefragt

Hin und wieder einmal hundert Euro aufs Sparkonto zu legen, ist zwar löblich, bringt aber auf Dauer nichts. Geldanlage zum Zweck der privaten Altersvorsorge erfordert nämlich auch Disziplin.

Wer sich einmal für eine bestimmte monatliche Sparrate, zum Beispiel 50 oder 100 Euro entschieden hat, der sollte das Geld auf immer und ewig - zumindest bis zum Rentenbeginn - einfach abhaken. Es ist nicht da, und es steht nicht für den täglichen Konsum oder die Pizza beim Italiener an der Ecke zur Verfügung.

Fünf oder gar zehn Jahre Pause beim Sparprozess können am Ende 20.000 oder gar 30.000 Euro weniger Vermögen bedeuten. Um das wieder aufzuholen, muss ein Vielfaches von den frühen und anfänglichen Sparraten investiert werden.

Schwankungsanfällige Anlageformen

Je mehr Zeit man sich mit dem Vermögensaufbau lassen kann, desto eher lohnen kurzfristig riskante, weil schwankungsanfällige Anlageformen wie Aktien und Aktienfonds.

Doch bei einem Horizont von 30 oder 40 Jahren fallen auch Desaster wie die historische Börsenbaisse kurz nach der Jahrtausendwende nicht weiter ins Gewicht. Dies wird in den Jahren danach aller Erfahrung nach wieder aufgeholt und oft auch mehr als wettgemacht. Geduld zahlt sich also aus.

Das ideale Instrument, um von Börsenschwankungen zu profitieren, ist der Aktienfonds-Sparplan. Wer nämlich jeden Monat einen bestimmten Betrag investiert, der nutzt das sogenannte Cost-Averaging. Er kauft bei niedrigen Kursen mehr Fondsanteile und bei höheren Kursen weniger.

Auf Dauer erreicht man so einen sehr günstigen Kaufpreis je einzelnem Fondsanteil. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen sind Anleger spätestens nach zehn Jahren bei solchen Aktienfonds-Sparplänen im Plus. Auch wenn es in einem solchen Zeitraum dramatische Einbrüche an den Börsen gegeben hat.

Nicht jeder hat 50 oder mehr Euro

Nicht jeder hat 50, 100 oder gar noch mehr Euro im Monat für die eigene Altersvorsorge übrig. Dies zu erkennen und zu akzeptieren bedeutet aber nicht, in Lethargie zu verfallen.

Denn dank direkter Zuschüsse wie bei der Riester-Rente oder Steuerersparnissen wie bei der Rürup-Rente und der betrieblichen Altersversorgung lässt sich mit vergleichbar geringem eigenem Aufwand dank staatlicher Hilfe eine attraktive Zusatzrente erreichen.

Deshalb sind die drei genannten Vorsorgeformen erste Wahl, sobald Eigeninitiative gezeigt werden soll. Andere Anlageformen können dann immer noch hinzukommen, falls Geld übrig ist.

© SZ vom 28.06.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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