Alternativer Konjunkturindikator:Die Rückkehr des R-Wortes

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Ein alternativer Konjunkturindikator wertet Presseberichte aus und zeigt für Deutschland und die USA deutlich nach unten.

Jan Grossarth

Rrrrezession! Das Wort mit dem Charme einer Kettensäge kommt derzeit zunehmend in Medienberichten vor. Das kann ein Signal dafür sein, dass es bald tatsächlich abwärts geht mit der Wirtschaft.

Einem alternativen Konjunkturindikator zufolge, der aus einer Zählung von Zeitungsartikeln mit dem schaurigen Wort berechnet wird, stehen die USA derzeit kurz vor einem Wirtschaftsabschwung.

Wie die britische Zeitschrift Economist berichtet, schießt deren so genannter "R-word indicator" seit dem zweiten Halbjahr 2007 in die Höhe und hat nun ein Niveau wie im Vorfeld der letzten Rezession 2001 erreicht.

Kräftig angestiegen

Einen vergleichbaren Konjunkturindikator hat jetzt auch das Münchner Ifo-Institut für Deutschland berechnet - und herausgefunden, dass der deutsche R-Wort-Index im Januar vergleichbar kräftig angestiegen ist (Grafik).

Was die USA angeht, ist dieses Signal wenig überraschend, nachdem für das vierte Quartal 2007 das geringe Wachstum von 0,6 Prozent bekannt geworden war und zudem die Investmentbanken Morgan Stanley, Goldman Sachs und Merrill Lynch eine Rezession für das erste Quartal 2008 ausgerufen oder zumindest für wahrscheinlich erklärt haben.

Nach Angaben des Economist hat der aus Artikeln der New York Times und Washington Post generierte Indikator für die Vereinigten Staaten in der Vergangenheit die Rezessionen der Jahre 1981, 1990 und 2001 korrekt angezeigt. Jetzt liegt er nicht mehr weit unter Rezessionsniveau.

R-Wort-Indikator berechnet

Das Ifo-Institut berechnet in einer neuen Studie von 1986 bis Januar 2008 einen R-Wort-Indikator aus Artikeln der Süddeutschen Zeitung, des Handelsblatts und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Das Ergebnis: Die letzten beiden Rezessionen der Jahre 1991 und 2001 zeigte der Indikator in statistischen Prognosemodellen gut an.

Auch derzeit ist wieder ein massiver Anstieg erkennbar, allein das Handelsblatt publizierte im Januar über 130 Artikel, während vor Beginn der US-Finanzkrise Werte um zehn Rezessions-Artikel pro Monat normal waren. So hoch wie jetzt lag der R-Wort-Indikator seit Ende 2001 nicht mehr, als sich Deutschland tatsächlich in einem Wirtschaftsabschwung befand. Einen ähnlichen Zeitungsindex erhebt intern seitdem auch die Hypo-Vereinsbank.

Trotz des Warnsignals messen die Autoren der Studie dem Anstieg noch keine hohe Bedeutung bei. Schließlich zeigte der Indikator in den vergangenen 20 Jahren auch immer wieder kurze Ausschläge, die nicht mit einer echten Rezession zusammenfielen.

"Wert verzerrt"

"Der hohe Wert am aktuellen Rand ist sicher durch Berichte über Rezessionsgefahren in den USA verzerrt", sagt der Ifo-Konjunkturforscher Johannes Mayr.

Ob der Anstieg also als Zeichen einer viel deutlicheren Wachstumsdelle, als die derzeitigen Prognosen vermuten lassen, oder gar als Vorbote einer drohenden Rezession im Inland zu werten sei, hänge entscheidend davon ab, ob der Index in den kommenden zwei, drei Monaten sein hohes Niveau halten werde.

Dagegen spricht etwa, dass der Ifo-Geschäftsklimaindex erst im Januar überraschend gestiegen war.

Die Idee hinter dem Zeitungsindikator ist, dass Wirtschaftsjournalisten in ihren Konjunkturberichten nicht nur auf die Veröffentlichung offizieller statistischer Daten reagieren (wie etwa der Zahlen zum Wirtschaftswachstum), sondern eine Vielzahl von Informationen berücksichtigen (etwa Frühindikatoren, Unternehmensmeldungen, Auslandskonjunktur).

Zudem wird Journalisten nachgesagt, besonders gern über negative und relativ überraschende Ereignisse zu berichten. Für den Fall der ersten Stagnationsanzeichen nach einer längeren Wachstumsphase heißt das, die Medien greifen diese bald als Thema auf und benutzen das R-Wort dann relativ schnell - eine willkommene Eigenschaft für einen Konjunkturindikator.

Sonderbare Ideen

Konjunkturforscher kommen auf so sonderbare Ideen wie den R-Wort-Index, da in der Vergangenheit klassische Prognose-Instrumente immer wieder Abschwünge viel zu spät angezeigt haben.

So gelang es kaum einem Prognostiker, die Rezession von 2001 frühzeitig vorherzusagen. An konjunkturellen Wendepunkten schnitten alternative Indikatoren wie der R-Wort-Index in der Vergangenheit dagegen besser ab.

So vergleicht die neue Ifo-Studie die Prognosequalität des R-Wort-Indikators mit der eines Zinsspread, einem in der Forschung wohl etablierten Indikator für Rezessionswahrscheinlichkeiten. Das überraschende Ergebnis: Der Medienindikator war der überraschende Sieger.

Jan Grossarth ist Mitautor der Studie.

© SZ vom 11.02.2008/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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