Alten-WG:Teil 6: Ans Ende gedacht

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Tod ein ThemaEin Windstoß zerzaust den Frauen die Haare, es sieht nach Regen aus, Kälte kriecht in die Jackenärmel. Die schmiedeeiserne Tür zum St-Petri- Friedhof knarzt leise, schweigend gehen sie den Steinweg neben den alten Grabplatten entlang. "Mich könnt ihr hier später nicht besuchen", sagt Frau Queisser-Westermann plötzlich. "Ich lass mich in Scheiben schneiden, für einen Professor."

Sie schweigen, ziehen die Mäntel enger und schauen dem Sarg nach, der langsam aus der Kirche getragen wird. Sie nehmen Abschied von Berthold Prill-Kühne, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Vereins. Er wird uns sehr fehlen, sagt Frau Lierse. Dann murmelt sie noch: "Das ist doch schöner, so eine klassische Beerdigung. Da muss man nicht in einer Kühltruhe wochenlang darauf warten, dass man seine Ruhe findet."

"Mich mit dem Tod zu beschäftigen, damit habe ich keine Probleme", sagt Frau Lierse später beim Tee. Ein Duft von Vanille und Rosenöl schwebt im Raum, die Gardinen wehen leicht und durchscheinend. "Ich habe mir auch schon mein Sterbehemd genäht", sagt sie und holt ein schlichtes weißes Kleid aus der Kommode. Es ist aus reiner Seide mit hohem Kragen, hinten mit Klettverschluss, damit die Bestattungsleute es nicht zerreißen müssen. "Wenn ich mir vorstelle, die ziehen mir sonst irgendein Plünnen an..." Socken will sie noch stricken, "denn mit so ganz nackten Beinen will ich auch nicht im Sarg liegen."

Beerdigung und Testament sind vorbereitet

Griffbereit auch das Patiententestament und der Bestattungsvorsorgevertrag, abgeschlossen im letzten April. "Hier steht drin, dass ich nicht künstlich ernährt werden will. Keine Schläuche. Sonst machen die Ärzte ja, was sie wollen."

Die Sonne hat sich am späten Nachmittag noch einmal herausgewagt, trocknet die vergessenen Gartenstühle und wärmt die Nasenspitzen. Frau Lauenroth sieht noch mal im Garten nach dem Rechten. Die Erde unter den Rosen ist frisch geharkt. Es sind drei Rosenstöcke, ein gelber und zwei weiße. Gepflanzt zur Erinnerung an zwei verstorbene Bewohnerinnen, geliebte WG-Frauen der ersten Stunde. "Einmal", erinnert sich Frau Lauenroth, "es war so ein friedlicher Nachmittag, hat irgendwer plötzlich gefragt: Wo mögen die beiden jetzt wohl sein? Und unsere Frau Sörgel, die hat gesagt: Bei uns doch immer noch, wir denken doch immer noch an sie!" Nachdenklich schaut Frau Lauenroth auf die Rosen, nickt und geht langsam zum Haus zurück.

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