Aktiencheck: Microsoft:Konkurrenzlose Gewinne

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Verluste in drei der fünf Geschäftsfelder, Kritik am neuen Betriebssystem und Millionenstrafen der EU - Trotzdem bewerten die meisten Analysten die Aktie positiv.

Thorsten Riedl

Für Steve Ballmer geht ein bewegtes Jahr zu Ende. Der Chef von Microsoft musste 2006 Ärger mit der europäischen Wettbewerbsbehörde ebenso verdauen wie die Ankündigung von Unternehmensgründer Bill Gates, sich im übernächsten Sommer aus dem Tagesgeschäft zurückzuziehen.

Der Grund, warum viele Analysten auch 2007 Microsoft positiv bewerten: Die Dominanz des Betriebssystems Windows. (Foto: Foto: ddp)

Ballmer erntete Kritik, weil der weltweit größte Softwarekonzern die jüngsten Trends des Internet verpasst hat und das wichtigste Produkt des Unternehmens - das Betriebssystem Windows Vista - erst im November mit großer Verspätung auf den Markt gekommen ist.

Schließlich setzte Microsoft das freie Betriebssystem Linux so sehr zu, dass Ballmer nun mit dem Erzfeind zusammenarbeitet: Eine Kooperation mit Novell soll das Abwandern von Kunden zu Linux stoppen.

Das Quasi-Monopol funktioniert noch immer

Doch trotz der gesammelten Hiobsbotschaften bleiben Analysten dem Unternehmen bislang treu - weil das Quasi-Monopol von Microsoft nach wie vor funktioniert und hohe Gewinne abwirft.

Nach Angaben des Marktforschungsinstituts Gartner laufen auf mehr als 95 Prozent aller Rechner weltweit das Betriebssystem Windows. Die speziellen Versionen des Programms für Netzrechner, im Fachjargon als Server bekannt, setzen mehr als ein Drittel aller Firmenkunden ein.

Bei der zweiten wichtigen Produktgruppe von Microsoft, dem Softwarepaket Office, besitzt der Konzern eine vergleichbar dominante Position. Dokumente im Format der Textverarbeitung Word oder der Tabellenkalkulation Excel aus dem Office-Paket gelten als Quasi-Standard in der Bürowelt und auch zuhause.

Drei von fünf Geschäftsfeldern negativ

Den exakten Gewinn und die Umsätze mit den Produkten der Windows- und Office-Reihe weist Microsoft nicht mehr aus. Drei von fünf Geschäftsbereichen des Unternehmens leben jedoch zum Großteil von diesen Kernprodukten.

Im vergangenen Quartal erwirtschaftete Microsoft in diesen drei Bereichen 85 Prozent des Umsatzes in Höhe von insgesamt 10,8 Milliarden Dollar - und den gesamten Gewinn von 4,8 Milliarden Dollar, denn die beiden übrigen Sparten arbeiteten mit Verlust.

"Die weltweit starke Marktstellung ermöglicht eine für das Unternehmen attraktive Preisgestaltung", sagt Karina Gundermann, Finanzanalystin bei der SEB Bank. Sie empfiehlt einen Kauf der Microsoft-Aktie- ebenso wie 23 andere der 34 von der Agentur erfassten Branchenanalysten.

Plus von 14 Prozent erwartet

Nur zwei Beobachter haben die Papiere auf Verkauf gestellt, acht raten zum Halten. Im Mittel rechnen die Analysten damit, dass Microsoft im laufenden Geschäftsjahr, das am 30. Juni endet, rund 51 Milliarden Dollar umsetzen wird. Dies würde einem Plus von beinahe 14 Prozent entsprechen.

Im Vergleich zu den Wettbewerbern hat sich die Aktie von Microsoft in den vergangenen Monaten hervorragend geschlagen. Seit Jahresanfang legte das Papier um 15 Prozent zu - und damit etwas mehr als die Internet-Suchmaschine Google, die oft als Branchenschreck in den Schlagzeilen steht.

Die beiden Rivalen Novell und Red Hat, auf Linux spezialisierte Softwarehändler, haben in dem Zeitraum jeweils ein Drittel ihrer Marktkapitalisierung abgegeben.

Mitverantwortlich am guten Abschneiden des Microsoft-Papiers sind jedoch nicht nur die Fundamentaldaten. Der Softwarekonzern betreibt seit geraumer Zeit ein milliardenschweres Aktienrückkaufprogramm. Im Sommer hatte Konzernchef Ballmer angekündigt, in den nächsten fünf Jahren eigene Papiere im Wert von 20 Milliarden Dollar zurückzukaufen. Davor hatte sich Microsoft bereits Aktien für 30 Milliarden Dollar einverleibt.

Zweifel am neuen Betriebssystem

Trotz der guten Stimmung bei den Investoren sind Analysten, die das Unternehmen von der Produktseite betrachten, weniger euphorisch. Ihnen bietet das kommende Betriebssystem Windows Vista zu wenig Neues. Die Gartner-Marktforscher rechnen daher damit, dass Vista bei den Kunden viel schlechter ankommt als von Microsoft erhofft.

Im Internet-Geschäft des Konzerns liegt noch immer einiges im Argen. Mit der Online-Sparte erwirtschaftet Microsoft nach wie vor keinen Gewinn, während der Rivale Google 2006 voraussichtlich einen Gewinn von 2,3 Milliarden Dollar nur mit Online-Werbung einfahren wird.

Dazu kommt der Ärger mit den Europäischen Wettbewerbsbehörden. Wegen des angeblichen Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung kassierte der Konzern bereits eine Strafe von mehr als einer dreiviertel Milliarde Euro. Ein Ende des seit acht Jahren dauernden Verfahrens ist nicht abzusehen. Unternehmenschef Ballmer wird möglicherweise auch im neuen Jahr die eine oder andere Hiobsbotschaft verkraften müssen.

(SZ vom 22.12.2006)

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