ABN Amro und Barclays:Fluch oder Segen

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Aus einer Großbank wird mit einem Paukenschlag eine Welt-Bank: Barclays-Chef John Varley will das britische Kreditinstitut durch die Übernahme des niederländischen Konkurrenten ABN Amro in die Spitzenliga der internationalen Finanzindustrie katapultieren.

Andreas Oldag

Es ist die größte Bankenfusion der Geschichte, die sogar die Banker an der Wall Street, die sich gerne als die Meister des Universums sehen, vor Neid erblassen lassen. Diese Fusion erhöht auch den Druck auf deutsche Kreditinstitute wie zum Beispiel die Commerzbank, sich Partner zu suchen. Deutsche Geldhäuser könnten im Zuge der globalen Konsolidierungswelle noch unbedeutender werden.

Megafusionen sind allerdings ein riskantes Spiel. Gerade in der letzten Phase der Verhandlungen mit ABN war Varley eher Getriebener als Akteur. Nicht nur der britische Hedge-Fonds TCI, sondern auch ein Konsortium unter Führung der Royal Bank of Scotland, das eine Zerschlagung von ABN fordert, sitzen dem Barclays-Chef im Nacken.

Wenn Varley jetzt die hohen Erwartungen der Börse nicht erfüllt, wird der beeindruckende Marktwert des fusionierten Unternehmens von 130 Milliarden Euro rasch schrumpfen. Dann ist der britische Gentleman-Banker Opfer eines blinden Fusionsglaubens, der auch in anderen Industriebereichen grassiert und häufig zu zweifelhaften wirtschaftlichen Ergebnissen führt.

Citigroup als warnendes Beispiel

Allzu naiv eifern machthungrige Manager dem betriebswirtschaftlichen Lehrsatz von der "Economies of Scale" nach, sie streben also Kostenersparnisse an, die aufgrund von Größenvorteilen entstehen. Doch in einer globalen Ökonomie, die immer stärker von technologischen Innovationen bestimmt wird, garantiert Größe keineswegs den Erfolg. Banken, die Geschäfts- und Privatkunden über verschiedene Kontinente hinweg haben, geraten in Gefahr, schwerfällig zu werden und sich zu verzetteln.

Der US-Konzern Citigroup sollte für Barclays ein warnendes Beispiel sein: Rastlos baute der charismatische Chef Sanford Weill das Kreditinstitut in den 90er Jahren zu einem Supermarkt für Finanzdienstleistungen aus, um möglichst viele Bankdienstleistungen bis hin zu Versicherungen unter einem Dach anzubieten.

Das böse Erwachen kam später: Sanfords Nachfolger Charles Prince kämpft nun mit der übertriebenen Expansion. Die Großaktionäre werden angesichts des dahindümpelnden Aktienkurses unruhig. Deshalb hat der Manager drastische Einsparungen auf die Agenda gesetzt. Bei der konzernweiten Umstrukturierung streicht Prince nun Tausende von Jobs.

Citigroup ist kein Einzelfall. Auch bei der britischen Großbank HSBC ist Größe eher zur Hypothek geworden. So tendieren die einzelnen Sparten dazu, ein Eigenleben zu führen. Die Abstimmung in der Konzernzentrale ist mühsam. Erhoffte Synergieeffekte scheitern an unterschiedlichen Firmenkulturen.

Für den gewöhnlichen Kunden sind Großbanken ohnehin häufig mehr Fluch als Segen: Der Service ist erbärmlich. Immer wieder zeigt sich, dass die Geldhäuser ihre Marktmacht und den mangelnden Wettbewerb schamlos ausnutzen, um gerade im Massengeschäft am Bankschalter kräftig zu kassieren.

Man mag dem Hedge-Fonds TCI und seinem smarten Gründer Christopher Hohn pure Profitgier unterstellen. Doch der Finanzjongleur mit den Milliarden im Rücken stellt die richtige Frage: Welchen Sinn hat es, einen Koloss wie ABN zu übernehmen, der an der Börse zu den Schwerfälligen seiner Branche gezählt wird?

Es ist vielleicht kein Zufall, dass Barclays-Chef Varley auf diese Kritik bereits reagiert hat, indem er eilig ankündigte, die ABN-Tochter La Salle in den USA zu verkaufen.

Dies wird allerdings kaum ausreichen, um die Aktionäre, die über die Fusion noch abstimmen müssen, vom Mehrwert des spektakulären Zusammenschlusses zu überzeugen. Varley wird ein stimmiges Unternehmenskonzept präsentieren und detailliert nachweisen müssen, wo Kosten gespart werden können. Das ist er bislang schuldig geblieben. Diese Fusion ist in Eile organisiert - kein gutes Zeichen für eine künftige Welt-Bank.

© SZ vom 24.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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