Zukunft der Computerspiele:Nichts Neues, nirgends

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Computerspiele werden immer realer - und immer langweiliger. Weil es kaum frische Ideen für Spielkonzepte gibt, setzen die Hersteller vor allem auf Grafikleistung und verlieren dabei den Spieler aus den Augen.

Marc Hofer

Es gibt wenige Bereiche in der Unterhaltungstechnik, die sich so schnell entwickelt haben wie das Feld der Video- und Computerspiele. Noch vor zwanzig Jahren rüttelten die Spieler verzweifelt an kleinen Joysticks oder mussten ihre Spielfigur umständlich per Tastatur-Kommandos steuern.

(Foto: N/A)

Die grafische Darstellung beschränkte sie meist auf ein paar farbige Flächen und viel Text. Computerspiele waren etwas für eine begeisterte Randgruppe. Zu kompliziert war es, auf den ersten Heimcomputersystemen ein Spiel zu starten, nur technisch versierten Menschen war es möglich, sich das Vergnügen eines Computerspiels zu gönnen.

Abhilfe sollten Spielekonsolen schaffen. Technisch weit entfernt von den heutigen Möglichkeiten mussten die Spieler allerdings eine gehörige Portion Phantasie haben, um zwischen groben Pixeln und Piepstönen so etwas wie Atmosphäre auszumachen.

Allein die Interaktivität, die Fähigkeit das Geschehen direkt zu beeinflussen, begeisterte viele Menschen.

"Beim Spielen bin ich stolz oder schäme mich, das ist bei Film und Literatur nicht der Fall" erklärt Will Wright, Designer der populären Spiele "Sim City" und "Black und White". Die Verbindung zwischen dem realen Handeln und fiktiver Situationen mache "die Magie des digitalen Spiels" aus. "Als Grenze dient immer noch der Monitor, für den Spieler bleibt es immer ein bisschen abstrakt."

Trotz der Quantensprünge auf dem Gebiet der Technik, vor allem im audio-visuellen Bereich, emanzipieren sich Computerspiele nur langsam von der traditionellen Handhabung. Der Spieler durchläuft in der Regel lineare Spielabläufe, die Bedienung ist meist umständlich und wenig intuitiv.

Beim aktuellen Xbox 360-Spiel "Ghost Recon 2" beispielsweise benötigt man nicht weniger als zwölf Knöpfe und zwei Joysticks auf dem Controller, um seine Figur durch die Level zu manövrieren. Für Spielspaß bleibt da wenig Raum.

Kein Risiko eingehen, Altbewährtes fortsetzen

Dieser Umstand hat schon Generationen von Spielentwicklern gestört. Mitte der neunziger Jahre versprach "Virtual Reality" (VR) einen Ausweg aus der Misere. Klobige VR-Helme sollten die Bedienung erleichtern.

Weil die Technik noch nicht ausgereift und zu teuer war, floppte die Entwicklung. Der Traum von einem vollständigen Eintauchen in die Spielwelt wurde vorläufig wieder begraben. Statt neuer Konzepte verlegten sich die Entwickler auf die Perfektionierung der grafischen Darstellung. Neue Konzepte und Spielideen blieben dagegen auf der Strecke.

Chris Taylor, Designer von "Total Anhiliation", "Speedball" und "Supreme Commander", erklärt die Situation: "Spiele zu produzieren kostet viel Geld. Da will niemand was riskieren. Erst wenn Firmen genug mit ihren Spielen verdient haben, könnten sie sich an innovative Titel wagen."

Diese Aussage wird durch eine Flut an Fortsetzungen und Kopien bekannter Spielprinzipien in den letzten Jahren belegt. Scheinbar sind aber auch die User nicht besonders interessiert an neuen Ideen und frischem Wind.

"Wundervolle, innovative Titel werden von den Konsumenten ignoriert, während altbekannte Titel mit nur minimalen Verbesserungen einen Verkaufserfolg liefern", sagt Ed Barton, Analyst bei Screen Digest.

Erst kürzlich hat der Hersteller 10Tacle Studios angekündigt, das Spiel "Boulder Dash" für die tragbaren Spielekonsolen Nintendo DS und Playstation Portable neu aufzulegen. Auf dem Commodore 64 war das Spiel bereits in den achtziger Jahren ein Hit.

Chris Crawford, Gründer des Entwicklerforums "Games Developer Conference", bemängelt, dass es in der Branche kein kreatives Element mehr gäbe: "Das einzige, das sich verändert, sind die Investitionen und Profite, die Zahlen." Die Branche drohe an ihrem finanziellen Gewicht zu ersticken, beschwert sich Crawford.

Die neue Generation der Videospiele?

Einen ersten Schritt hin zu einer neuen Generation von Videospielen hat möglicherweise Nintendo getan. In der Vergangenheit gegenüber den Konkurrenten Microsoft und Sony ins Hintertreffen geraten, mussten sich die Veteranen der Computerunterhaltung etwas Neues einfallen lassen.

Xbox und Playstation hatten sich mit besserem und aggressivem Marketing den traditionellen Markt gesichert, die neue Generation der Konsolen versprach noch bessere Technik, noch mehr Leistung - aber altbackene Spielkonzepte. Dann stellte Nintendo seine Wii-Konsole vor.

Anstatt den Kunden mit einem neuen Supercomputer in Miniaturformat zu überfordern, setzt Nintendo auf ein völlig neues Bedienkonzept. Jetzt heißt es nicht mehr, vor dem Fernseher still zu sitzen und nur seine Finger die Arbeit erledigen zu lassen.

Statt dessen müssen die Beteiligten die Spiele mit ganzem Körpereinsatz bedienen. Befehle werden nicht mehr nur durch Knopfdruck übermittelt, sondern auch durch Bewegungen. Videospiele zum aktiven Mitmachen.

Die Kunden scheinen diesen mutigen Versuch einer Reform zu belohnen. Nintendo gilt aktuell als Gewinner des Videospielmarktes. Ob das neue Bedienkonzept letztendlich auch die Spieleentwicklung maßgeblich beeinflussen kann, bleibt abzuwarten.

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