YouTube zeigt Serien:Die Kindheit als Live-Stream

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Das Videoportal YouTube zeigt demnächst amerikanische Fernsehserien aus den 70ern, kostenlos und in voller Länge. Sind bald auch deutsche Serienklassiker im Internet abrufbar?

Jörg Donner

Bei "Captain Future" hat er als Kind mitgefiebert. Henning Harperath, Jahrgang 1970, war fast immer dabei, wenn die Zeichentrickserie über den mutigen Weltraumpiloten und seine Crew Anfang der 80er Jahre über den Fernsehschirm flimmerte.

(Foto: Foto: iStockPhoto, AP)

"Serien haben die Kindheit ganzer Jahrgänge bestimmt und beeinflusst", sagt Harperath. Aus der persönlichen Leidenschaft für "Silas", "Catweazle"und Co. entstand die umfangreiche Internetseite Fernsehserien.de. Von der ersten Folge des "A-Team" bis zum 26. Teil von "Zwischen Sonne und Pazifik" finden sich hier Zusammenfassungen hunderter Episoden, die im deutschen Fernsehen zu sehen sind und waren.

Die Ankündigung des Videoportals YouTube, demnächst alte US-Serien wie "I Spy" (deutscher Titel: "Tennis, Schläger und Kanonen") in voller Länge kostenlos zur Verfügung zu stellen, begrüßt Harperath. "Ich fände es toll, wenn auch deutsche Serienklassiker online abrufbar wären", sagt er. "Der Bedarf ist da, viele Leute würden sich gerne im Internet ihren "nostalgischen Flashback" holen."

Keine "Biene Maja" im Netz

Allerdings werden in absehbarer Zeit weder "Biene Maja" noch "Ein Colt für alle Fälle" über die DSL-Leitung ins Haus kommen, zumindest nicht kostenlos. Beim ZDF plant man zwar den Ausbau der "Mediathek", eines kostenlosen Archivs für Dokumentationen und Nachrichtensendungen, doch ein Angebot für Serienklassiker oder Spielfilme ist nicht geplant.

"Unser Archiv ist ein sogenanntes Catch-up-Modell, das heißt, hier stehen Beiträge der vergangenen sieben Tage zum Abruf bereit", sagt Walter Kehr vom ZDF. So biete man den Zuschauern die Möglichkeit, verpasste Sendungen zu sehen. Bis Ende des Jahres soll das Abruf-Angebot von momentan sechs auf zwölf Stunden der täglichen Berichterstattung ausgeweitet werden. Bei diesen Eigenproduktionen seien die Rechte für die Verbreitung über das Internet klar geregelt.

Völlig anders sehe es dagegen bei Spielfilmen, Sportübertragungen oder Serien aus. "Im Internet reden wir von weltweiten Übertragungsrechten. Diese Rechte für Sport oder Spielfilme zu bekommen, ist praktisch unmöglich", sagt Kehr. Ein Angebot gegen Gebühr, also "Video on Demand" (VoD) wäre mit dem ordnungsrechtlichen Rahmen des öffentlich-rechtlichen Senders ohnehin nicht möglich.

Rechtefrage oft ungeklärt

Die Frage der Rechte für die Verbreitung gilt auch für Serien. "Bei Produktionen aus den 70er und 80er Jahren waren digitale Medien wie Internet und DVD noch nicht relevant", sagt Elmar Braun, Geschäftsführer von More Music and Media.

Sein Unternehmen vertreibt einige Serien auf DVD, darunter auch "Timm Thaler" oder "Ein Fall für Zwei". "Die Rechte für solche Produktionen zu bekommen, ist teilweise sehr zäh", sagt Braun. "In vielen Fällen ist noch nicht geklärt, ob ein Abruf über das Internet überhaupt möglich ist, Präzedenzfälle gibt es noch keine."

Deshalb würden viele Rechteinhaber noch abwarten und den Onlinemarkt beobachten. "Den klassischen DVD-Handel wird es sicher immer geben", sagt Braun, "aber das Internet wird ein wichtiger Vertriebsweg für Videos werden, wie das ja auch bei Musik schon der Fall ist."

Allerdings glaubt Braun nicht an ein kostenloses Konzept wie YouTube. Statt dessen will man bei More Music noch in diesem Jahr Inhalte kostenpflichtig verfügbar machen. Welche Kanäle man dazu nutzen will, lässt Braun offen.

Video on Demand als interessanter Markt

Bei EM TV, einem der größten Anbieter von Kinder- und Jugend-Serien in Deutschland, beobachtet man die Entwicklungen aufmerksam. "Video on Demand ist ein interessanter Markt", sagt Konzernsprecherin Sabine Lais.

Deshalb habe man sich kürzlich auch am amerikanischen VoD-Anbieter Kabillion beteiligt. Das kostenlose Angebot richtet sich an Kinder und Jugendliche von fünf bis zwölf Jahren, ist aber nur in den USA zu empfangen. Ein Angebot von Serien in Deutschland sei "auf der langfristigen Agenda", so Lais. Man könne sich gut vorstellen, Teile des Portfolios auf Videoplattformen zur Verfügung zu stellen.

"Die Inhalte sind reif für andere Plattformen, aber letztendlich stellt sich auch immer die Frage nach der Refinanzierung", sagt Lais. Außerdem unterscheide sich die Frage der Rechte territorial und medial. So liegen beispielsweise die Free-TV-Rechte für die "Biene Maja" in Deutschland beim ZDF, für andere Medien und im Ausland im Wesentlichen beim EM TV-Konzern.

Unterschiedliche Ansätze bei den Sendern

Auch bei RTL wird die Frage der Refinanzierung derzeit intensiv diskutiert. "Einerseits bieten wir bei RTL.de komplette Serien gegen Bezahlung an, andererseits testen wir, ob die Werbewirtschaft auf das Thema anspringt und wir Video-on-Demand-Angebote somit für den Nutzer kostenfrei zur Verfügung stellen können", erklärt Sushel Bijganath von RTL interactive.

Momentan stehen bei RTL.de Serien wie "CSI Miami", "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" und "Deutschland sucht den Superstar" als kostenpflichtige Angebote im Netz. Die tägliche Serie "Alles was zählt" ist kostenlos abrufbar. "Grundsätzlich ist Video on Demand für private TV-Sender ein Geschäftsmodell zur Refinanzierung - unabhängig davon, ob der Werbekunde oder der User zahlt", so Bijganath. Ob künftig neben aktuellen Produktionen auch ältere Serien bei RTL.de zu sehen sein werden, sei noch nicht entschieden.

Das eigene Video-Portal Clipfish.de ist vorläufig nicht als Plattform für komplette TV-Inhalte vorgesehen. "Dort zeigen wir zwar kurze Ausschnitte von TV-Shows, in erster Linie besteht die Seite aber aus selbstproduzierten Videos der User", sagt Bijganath.

Keine gemeinsame Plattform in Sicht

Bei der Mediengruppe ProSiebenSat1 schließt man kostenlose Inhalte nicht kategorisch aus. "Aktuelle Serien sind zum Teil schon über unser VoD-Portal 'Maxdome' abrufbar", sagt Konzernsprecherin Katja Pichler. In den Bereich kostenlose Videos sei man erst kürzlich über die Plattform MyVideo.de eingestiegen. "Wir fangen gerade erst an, dieses Feld zu erschließen", so Pichler. "Es kann durchaus sein, dass es Inhalte geben wird, die kostenlos auf dieser Plattform zur Verfügung stehen werden."

In den USA soll es laut dem Wallstreet Journal Bestrebungen von verschiedenen Fernsehsendern geben, ein gemeinsames Videoportal als Konkurrenz zu YouTube aufzubauen. In Deutschland ist so ein Projekt nicht in Sicht. Weil viele Serienklassiker auch nicht auf DVD erschienen sind, bleibt für Serienjunkies und Nostalgiker daher nur das eigene Videoarchiv oder die Hoffnung auf Wiederholungen im Fernsehen.

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