Werbung in Computerspielen:Die virtuelle Litfaßsäule

Lesezeit: 3 min

In der künstlichen Welt der Videospiele wird mit neuer Technik für echte Produkte geworben - noch ist unklar, ob die Botschaften überhaupt ankommen

Andreas Grote

Wo immer Menschen intensiv hinschauen, da suchen Firmen Platz für ihre Werbung. So werden Anzeigen und Produkte nicht nur in Zeitschriften und im Fernsehen platziert, sondern auch in Videospielen.

Im Spiel "Street Racing Syndicate" werben unter anderem Bosch und Goodrich (Foto: Screenshot: Nintendo)

Deren Hersteller tauschen inzwischen die fest einprogrammierten Werbebanner früherer Jahre durch eine Art elektronische Litfaßsäulen aus, auf denen Werbeagenturen mal dieses, mal jenes Produkt anpreisen können. So fahren beispielsweise Spieler des populären Rennspiels "Need for Speed" an einem Tag an einem Werbebanner für eine Limonade vorbei, am nächsten Tag läuft dort der Spot eines Hamburger-Restaurants.

Videospiele werden zunehmend zum attraktiven Platz für Annoncen. Die Werbewirtschaft hofft auf eine bessere Wiedererkennung ihrer Marke, da Spieler oftmals über Stunden vor dem Monitor sitzen. Einen so langen Kontakt mit der Zielgruppe erreicht sonst kein anderes Medium.

Neue Wege für die Werbung

"Wir wissen, dass die Zielgruppe der 17- bis 34-Jährigen schwer mit traditionellen Medien wie Fernsehen zu erreichen ist, so müssen wir uns andere Wege überlegen", sagt Gerry Rich vom Hollywood-Studio Paramount, das jetzt kurze Filmtrailer in Spielen zeigen will.

Etwa 70 Millionen Dollar pro Jahr werden zurzeit für Werbung in Videospielen ausgegeben. "Bis 2009 dürften die Ausgaben auf mehr als 550 Millionen steigen", sagt Michael Goldman vom Marktforschungsunternehmen Yankee Group. Und das, obwohl noch gar nicht klar ist, wie gut die Werbung bei den Konsumenten überhaupt ankommt.

Technische Voraussetzung für die neuen Werbeformate sind die internetfähigen Spielekonsolen Playstation, XBox und Wii. Die Spielehersteller programmieren Platzhalter in die Spiele ein, die dann beim Spielen online mit den neuesten Werbespots gefüllt werden.

Mehreinnahmen für die Hersteller

Wegbereiter sind die großen Videospielehersteller wie Electronic Arts (EA); dieser plant, künftig in jedem zweiten neuen Titel Werbung online einzublenden. Die neuesten Anzeigen wandern, ähnlich wie Werbeeinblendungen auf Internetseiten, von den Servern der Werbeagenturen direkt in das Spiel.

Die Konsolen berechnen dann, wie sich das Motiv etwa bei der Vorbeifahrt mit dem virtuellen Rennwagen perspektivisch verändern müsste. Pro verkauftem Spiel können die Hersteller so mehrere Dollar zusätzlich einnehmen, versprechen Agenturen wie Massive, eine Tochterfirma von Microsoft.

Auch die deutschen Versionen der Spiele haben diese Möglichkeiten. Trotzdem ist Werbung in Videospielen in Europa noch ein Randthema. "Wir haben eine andere Medien-Nutzung und demographische Entwicklung als die USA", sagt Volker Nickel vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft. "Doch ich schließe nicht aus, dass sich die Werbung in Videospielen entwickeln könnte."

Virtuelle Werbung auf dem Vormarsch

Bei "Need for Speed" prangt Werbung auf den Autos (Foto: Screenshot: Electronic Arts)

Neben den dynamischen Spots bringen Hersteller und Werbeagenturen auch Produkte in den Spielen unter: Bierdosen oder Pizzaverpackungen mit dem Logo des Herstellers, ein bestimmtes Handy, das eine Spielfigur aus gefährlichen Situationen rettet, ein Energydrink, der höhere Sprünge erlaubt, oder ein erkennbarer Paketdienst, der Postsendungen zustellt.

Hinzu kommt der direkte Kontakt zwischen werbetreibender Firma und Spieler: In der Basketballsimulation "NBA Live 07" können die Nutzer zusätzliche Figuren freischalten, wenn sie Codes eingeben, die sie beim Einkauf von Basketballprodukten eines Herstellers oder beim Besuch von realen Spielen der amerikanischen Basketball-Liga NBA erhalten.

Solche Formen der Werbung gibt es schon länger in Online-Rollenspielen wie "Everquest", "World of Warcraft" oder "Second Life". Hier sind bereits viele Firmen vertreten.

Wirkung ist unklar

Die Yankee Group schätzt, dass sich die Ausgaben für Werbung in Online-Spielen von derzeit 500 Millionen Dollar pro Jahr bis 2008 auf 1,1 Milliarden Dollar mehr als verdoppeln könnte. Hier planen die Programmierer, es den Werbetreibenden sogar zu erlauben, als Sponsor für einzelne Spieler aufzutreten.

"Wenn der Spieler ein virtuelles Werkzeug haben möchte, suchen wir ihm einen Werbepartner, der es für ihn kauft", erklärt Dave Perry, Entwickler des Spiels 2Moons. Der Spieler, so die Logik, verbindet dann ein positives Erlebnis mit der werbenden Firma.

Allerdings ist unklar, wie die Spieler auf die neue Werbewelt reagieren werden. In Umfragen sagt zumindest jeder Dritte, dass die Werbung mit realen Produkten und Firmen den Spielen mehr Realität verleihe, in einer IBM-Studie fühlt sich hingegen jeder fünfte dadurch belästigt.

Analyse der Blickrichtung

"In einer Basketballhalle, im Football-Stadion oder entlang einer Rennstrecke ist Werbung nicht nur Marketing, sondern auch ein grundlegendes Element, um für den Spieler den Eindruck zu erwecken, selbst dort zu sein", sagt Chip Lange von Electronic Arts.

"Werbung erscheint nur an jenen Stellen im Spiel, wo sie auch in der realen Welt zu erwarten ist", ergänzt Dave Williams vom Onlinespiel-Unternehmen Shockwave.

Andererseits weckt jetzt die Firma Bunnyfoot Zweifel daran, ob die Spieler die Werbung überhaupt richtig wahrnehmen. Das britische Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, die Blickrichtung von Spielern und Zuschauern zu analysieren.

120 erwachsene Spieler hat sie beobachtet, die zum Beispiel in "NBA Live" oder dem Autorennen "Gran Turismo 3" Figuren durch eine virtuelle Welt steuerten. Insgesamt hätten sich die Probanden danach überraschend schlecht an die gezeigte Werbung erinnert - sie mussten ja gleichzeitig auch ihr Spiel steuern.

© Süddeutsche Zeitung vom 29.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: