Was bringt 2007?:Langzeitprojekt Windows Vista

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Am neuen Betriebssystem Vista von Microsoft will die Branche mitverdienen - doch Analysten dämpfen die Zuversicht. Ab 30. Januar ist das Programm für Privatanwender erhältlich.

Thorsten Riedl

Die Computer auf dem Schreibtisch werden im neuen Jahr noch mehr Rechenleistung bekommen, mehr Informationen als je zuvor auf breiteren Bildschirmen darstellen und Unmengen an Daten speichern.

Das müssen sie auch können, wenn auf ihnen das neue Windows Vista von Microsoft laufen soll. Das jüngste Betriebssystem des weltweit größten Herstellers von Software für Computer schluckt deutlich mehr Ressourcen als der Vorgänger Windows XP.

Ohne neuen Rechner wird bei vielen Konsumenten Vista nicht laufen. Auf diese Weise soll das Programm 2007 zum Sonderkonjunkturprogramm für die leidgeprüfte PC-Industrie werden. Analysten allerdings zweifeln am schnellen Erfolg. Schuld daran haben auch die Geschäftskunden: Die brauchen lange, bis sie ein Programm auf Herz und Nieren getestet haben.

Windows ist der Verkaufsschlager

Am 30. November war es so weit. Microsoft stellte das Betriebssystem Vista offiziell der Öffentlichkeit vor. An diesem Tag ging auch das Bürosoftwarepaket Office in der neuen Version 2007 an den Start.

Beide Programme gehören zu den wichtigsten Produkten des Softwarehauses aus dem nordamerikanischen Redmond. Mit Windows und Office erzielt Microsoft noch immer mehr als die Hälfte seines Umsatzes und des Gewinns.

Im laufenden Geschäftsjahr, das zum 30. Juni 2007 endet, erwarten Finanzanalysten insgesamt einem Konzernerlös von mehr als 50 Milliarden Dollar.

Vista und Office werden zunächst allerdings nur für die Firmenklientel zu haben sein. Konsumenten können die beiden Programme erst am 30. Januar kaufen. Dieser Entscheidung von Microsoft sind eine Reihe von Verzögerungen beim Verkaufsstart vorausgegangen: Eigentlich sollte das neue Windows bereits vor zwei Jahren erhältlich sein.

Windows XP gibt es seit 2001. Damit war der Abstand zwischen zwei Windows-Versionen nie zuvor größer. Microsoft-Chef Steve Ballmer hat versprochen, dass das nicht noch einmal vorkommt.

Die Branche will mitverdienen

Mit Windows hat Microsoft eine Monopolstellung. Mehr als 95 Prozent aller Computernutzer haben auf ihren Arbeitsplatzrechnern und tragbaren Notebooks das Betriebssystem installiert. Von den Firmenkunden nutzen auf Netzcomputern - im Branchenjargon als Server bekannt - mehr als ein Drittel das Programm.

Wenn das Softwareunternehmen daher eine neue Version seines Kassenschlagers in die Läden bringt, will die gesamte Branche mitverdienen. An erster Stelle hoffen PC-Hersteller und Produzenten von Computerkomponenten auf Neugeschäft durch das kommende Betriebssystem.

Im dritten Quartal stieg der Absatz von Computern in Deutschland nur leicht um 3,4 Prozent. Das liegt weit unter den Wachstumsraten der Vorjahre, ist aber immer noch besser als in den ersten sechs Monaten 2006. Wegen der Fußball-Weltmeisterschaft kauften sich die Konsumenten lieber einen neuen Flachbildfernseher als einen Computer. "Der Gesamtmarkt zeigt endlich wieder Wachstum", erklärt Meike Escherich, Analystin für den Bereich beim Marktforschungsinstitut Gartner.

Vista als Absatztreiber

Die Industrie hätte es dennoch begrüßt, wenn Vista schon früher in den Handel gekommen wäre - und so die Verkäufe noch zusätzlich angekurbelt hätte. Von den 900 Millionen Computern, die es im Moment nach Angaben von Microsoft weltweit gibt, eignet sich nur ein Fünftel für Windows Vista.

Ein neuer Computer ist also oftmals unumgänglich. Neben einem schnelleren Prozessor braucht das Betriebssystem mehr Speicher. Auch ein Breitbildschirm erleichtert die Arbeit mit Vista, denn auf einer Informationsleiste zeigt das Programm stets aktuelle Informationen aus dem Internet, etwa das Wetter oder Mitteilungen von Kollegen. Neuen Rechnern liegt in der Regel schon beim Kauf das Vista-System bei.

Neben den Produzenten von Computerhardware rechnen auch die IT-Dienstleister mit einem besseren Geschäft durch Vista und Office. Firmenkunden brauchen Unterstützung, wenn sie Tausende Rechner zugleich auf ein neues System umstellen. Außerdem wird der Schulungsbedarf steigen.

Umsteigen will überlegt sein

Bei Vista sind es vor allem kleine Verbesserungen, mit denen Microsoft punkten will. Bei dem Office-Paket jedoch, zu dem unter anderem die Textverarbeitung Word und die Tabellenkalkulation Excel gehören, stand die Benutzerfreundlichkeit der Programme im Vordergrund.

Die Bedienoberflächen haben sich daher grundlegend geändert. Viele Programmbefehle sind jetzt an ungewohnter Stelle zu finden - oft erst nach einigem Suchen. Nach Erfahrungen mit Testern der Vorabversion beziffert Microsoft die Zeit für die Umstellung auf die neuen Office-Produkte zwischen mehreren Stunden und bis zu zwei Wochen.

Branchenbeobachter dämpfen die Hoffnungen auf eine schnelle Annahme des jüngsten Betriebssystems von Microsoft - und damit auch die Aussichten auf eine Sonderkonjunktur der Industrie. Laut Gartner wird Ende 2007 Vista auf jedem zehnten PC laufen.

Bis die Hälfte aller Konsumenten und Firmenkunden das Programm im Einsatz haben, vergehen demnach noch drei Jahre. Besonders die Geschäftsklientel überlegt sich zweimal, ob sich eine solche Investition auszahlt. Viele Unternehmen haben noch Vorläuferversionen von Windows Vista im Einsatz, die ohne Ausfälle funktionieren. Peter O'Neill, IT-Experte beim Marktforschungshaus Forrester, sagt: "Viele werden erst einmal in wichtigere Dinge investieren."

© Süddeutsche Zeitung vom 28.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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