Urteil des Bundesgerichtshofs:Heimliche Online-Durchsuchungen sind unzulässig

Lesezeit: 1 min

Die Durchsuchung der im Computer eines Beschuldigten gespeicherten Daten ist nach Ansicht der Karlsruher Richter nicht durch die Strafprozessordnung gedeckt. Jetzt muss der Gesetzgeber eine neue Rechtsgrundlage schaffen - oder die Ermittler können dieses Mittel nicht mehr einsetzen.

Die Durchsuchung der im Computer eines Beschuldigten gespeicherten Daten mit Hilfe eines Programms, das ohne Wissen des Betroffenen aufgespielt wird, sei nicht durch die Strafprozessordnung gedeckt. Diese erlaube nur eine offene Durchsuchung. Für die heimliche Online-Durchsuchung fehle die "erforderliche Ermächtigungsgrundlage", entschied der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH). ( Aktenzeichen StB 18/06).

Mit dem "Bundestrojaner" sollen heimische PCs ausgespäht werden (Foto: Foto: dpa)

Hintergrund ist, dass der Staat durch so genannte trojanische Pferde die gesamte Festplatte eines Computers heimlich durchsuchen kann. Das Mittel wurde in der Vergangenheit bereits gegen Beschuldigte eingesetzt, etwa um die Mails mutmaßlicher Mitglieder einer kriminellen Bande zu lesen. Die Durchforstung konnte nur stattfinden, solange der Computer des Beschuldigten eingeschaltet war. Die Maßnahme musste durch einen Richter angeordnet werden.

In dem für die Praxis der Ermittler wichtigen Beschluss hatte der BGH zu klären, ob die bisherigen gesetzlichen Grundlagen für das heimliche Ausforschen von PCs ausreichen. Ein BGH-Ermittlungsrichter hatte dies im Februar vergangenen Jahres bejaht, ein anderer im November verneint. Die Bundesanwaltschaft hat Beschwerde eingelegt, so dass nun abschließend entschieden werden muss.

Vergleichbar mit großem Lauschangriff?

BGH-Ermittlungsrichter Ulrich Hebenstreit hatte im November 2006 eine solche Anordnung mit der Begründung abgelehnt, dass es für die heimliche Computerüberwachung keine gesetzliche Grundlage gebe. Eine Online-Razzia sei keine übliche Maßnahme wie etwa die Durchsuchung einer Wohnung - in diesem Fall muss der Beschuldigte oder mindestens ein Zeuge anwesend sein. Die Maßnahme erfolgt also nicht heimlich.

Nach der Hebenstreits Entscheidung kann die Online-Durchsuchung auch nicht mit einer Telefonüberwachung verglichen werden, da laut Bundesverfassungsgericht bereits abgespeicherte Daten nicht mehr Teil der Telekommunikation sind. Dabei seien die gespeicherten Daten oft ähnlich vertraulich wie eine Unterhaltung in der eigenen Wohnung.

Da es folglich kein Gesetz für heimliche Online-Durchsuchungen gebe, diese aber einen tiefen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht darstellten, könnten sie gegenwärtig nicht genehmigt werden.

Beobachter waren vor dem Urteil davon ausgegangen, dass der BGH in seiner Urteilsbegründung dieser Argumentation folgen würde. Nun muss eine neue Regelung geschaffen werden.

Der Chaos Computer Club (CCC) lehnt die Online-Durchsuchungen entschieden ab, wie vorab in einer Pressemeldung erklärt wurde. Nach Ansicht des CCC wäre dies ein weiterer Schritt zur Abschaffung wichtiger Grundrechte, insbesondere des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung.

Derartige Maßnahmen seien selbst bei schwersten Straftaten unverhältnismäßig. Die heimliche, auch automatisiert mögliche Online-Schnüffelei als normale Ermittlungsmethode einzuführen, widerspricht nach Meinung des CCC dem Grundgesetz.

© AP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: