Urheberrecht:Wer darf was kopieren oder herunterladen?

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Eine gegen alle: Justizministerin Brigitte Zypries will es mit der zweiten Stufe der Urheberrechts-Reform jedem recht machen und eckt überall an.

Von Stefan Krempl

Erst die Pflicht, dann die Kür: 2003 hatte der Bundestag nach heftigen Auseinandersetzungen mit der Medienindustrie, Wissenschaftlern und Verbraucherschützern die erste Stufe der Urheberrechtsnovelle verabschiedet.

Was dürfendie Nutzer in der digitalen Welt privat kopieren und brennen? (Foto: Foto: dpa)

Sie soll das Gesetz an die Bedingungen der Informationsgesellschaft und des digitalen Zeitalters anpassen. Zunächst mussten die zwingenden Vorgaben der entsprechenden EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden.

Kernpunkt ist das Verbot, technische Kopierschutzmaßnahmen zu umgehen, wie sie sich etwa auf vielen Musik-CDs oder DVDs finden.

Die Feineinstellung des Urheberrechts soll nun im so genannten zweiten Korb der Reform erfolgen. Dieser Prozess geht gerade in die heiße Phase: Das Bundeskabinett soll am heutigen Mittwoch eine Vorlage von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries absegnen. Dann sind Bundesrat und Parlament an der Reihe.

Doch Zypries sitzt zwischen allen Stühlen: Verbraucher wollen "möglichst kostenlos an Inhalte rankommen", Firmen "mit ihren Produkten etwas verdienen" und auch die Urheber "dürfen nicht leer ausgehen" - so fasst die SPD-Politikerin die vertrackte Lage zusammen.

Beim Urheberrecht geht es also auch ums Geld, weiß sie. Dass sie als Echo auf den ersten Entwurf für den zweiten Korb allerdings gleich drei Ordner mit Stellungnahmen auf den Schreibtisch bekam, war überraschend.

Die wichtigsten Streitpunkte sind nun benannt: Vor allem geht es um die Frage, was die Nutzer in der digitalen Welt - also etwa aus Online-Tauschbörsen - privat kopieren und brennen dürfen.

Eng damit verknüpft ist die Frage, ob der im ersten Korb sanktionierte Kopierschutz für private Zwecke legal ausgehebelt werden darf. Auch Wissenschaftler fürchten, dass ihre Informationsquellen wegen eines zu strengen Schutzes des digital gespeicherten Wissens zu versiegen drohen.

Rund um diese Streitpunkte ist eine heftige Lobbyschlacht entbrannt. Vor allem die Musik- und Filmindustrie fordern lautstark ein schärferes Vorgehen gegen "Netzpiraten".

Kampagnen wie Privatkopie.net oder Fairsharing.de indes treten ähnlich wie der Bundesverband der Verbraucherschutzzentralen gegen eine Kriminalisierung von Tauschbörsennutzern und ein Recht auf die Privatkopie ein.

Ein "Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" macht sich zudem gegen die künstliche Verknappung des Wissens stark.

Jeder soll Kopierschutz knacken dürfen

Bürgerrechtsorganisationen wie das "Netzwerk Neue Medien" oder das "Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung" verweisen darauf, dass die Privatkopie eine "wesentliche Voraussetzung für die Informiertheit der Bürger" sei.

Ihrer Ansicht nach sollte jedermann - ähnlich wie die Deutsche Bibliothek etwa oder Blinde - für nicht-kommerzielle Zwecke den Kopierschutz knacken dürfen.

Drei Jahre Haft

Ministerin Zypries hält trotz der Kritik weitgehend an ihrem ersten Entwurf fest. Weitere Kompromisse sind ihrer Ansicht nach nicht möglich.

Vorschläge wie die Einführung neuer Vergütungspauschalen auf das Internet im Gegenzug zur rechtlichen Freigabe der Nutzung von Online-Tauschbörsen, also eine Art Kultur-Flatrate, weist sie mit Hinweis auf internationale Urheberrechtsverträge ab.

Andererseits zeigt sie aber auch der Medienindustrie immer wieder die kalte Schulter. So will die Phonowirtschaft Mitschnitte aus dem Internet vor allem bei Webradios verbieten und das Anfertigen digitaler Privatkopien auf eigene Vorlagen beschränkt wissen.

Der Musikindustrie geht zudem das Anfertigen von Kopien für Dritte gegen den Strich; die vom Freund gebrannte CD soll es nicht mehr geben dürfen. Dies hält Zypries aber nicht für praktikabel.

Theoretisch erlaubt

Welche Linie also vertritt die Justizministerin? Bei der Privatkopie beharrt sie größtenteils auf der 2003 in Kraft getretenen Rechtslage. MP3s etwa von einer CD anzufertigen oder ein Duplikat für Auto oder Schlafzimmer zu brennen, soll so im digitalen Bereich theoretisch erlaubt bleiben.

Faktisch aber wird es weiter in vielen Fällen durch Kopierschutztechniken verhindert. Dazu kommt im aktuellen Entwurf für den zweiten Korb eine "Klarstellung", dass die Nutzung solcher Online-Angebote verboten ist, die "mit Sicherheit" als widerrechtlich zu erkennen sind.

Die Ministerin zählt dazu etwa das Herunterladen der Kopie eines Films per Filesharing vor dem Kinostart. Darauf sollen künftig bis zu drei Jahre Haft stehen.

Gleichzeitig will Zypries aber Downloads aus Tauschbörsen in geringem Umfang für private Zwecke straffrei halten und eine "Bagatellgrenze" einführen.

Diese deckt sich dem Justizministerium zufolge mit der Praxis der Strafverfolgung und verhindert eine Kriminalisierung der "Schulhöfe". Ein Auge zudrücken könnte man bei Dateizahlen "im einstelligen Bereich", erläuterte die Ministerin jüngst diese Schmerzgrenze, ohne jedoch eine zeitliche Bezugsgröße anzugeben.

Der Verband der Filmverleiher läuft aber noch gegen den "Freibrief zum Diebstahl" mit Hilfe der von ihm als "Raubkopierer-Klausel" bezeichneten Regelung Sturm und warnt vor einem massiven volkswirtschaftlichen Schaden.

"Wenn jeder User 50 Kopien von aktuellen Filmen pro Jahr herstellt, eröffnet die Bagatellklausel eine Flut von zwei Milliarden Kopien, die straffrei gegen den Willen der Rechteinhaber privat vervielfältigt werden dürfen", überspitzt der Verband die gegenwärtige Situation.

Denn 2004 meldeten sowohl die Kinos als auch die DVD-Verkäufer Rekordzahlen beim Absatz in einem 2,5 Milliarden Euro schweren Markt.

Dennoch bleiben die Tauschbörsen der Medienindustrie ein Dorn im Auge. Sie wollen daher künftig von den Providern direkt und ohne Umweg über den Staatsanwalt die persönlichen Daten auffälliger Filesharing-Nutzer serviert bekommen.

Die Einführung eines solchen "Auskunftsanspruchs" wird von der Internetwirtschaft und Datenschützern jedoch als überaus heikel betrachtet.

Starke Bedenken wegen einer zu starken Stellung der Rechteinhaber kommen auch aus der Wissenschaft. Die Debatte um das private Kopieren vernebele das wesentlich wichtigere Anliegen, den Zugang zum Wissen abzusichern, sagt Reto Hilty.

Der Direktor am Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum in München sieht die Gefahr, dass Verwerter Informationen nur zu prohibitiven Preisen verfügbar machen. Wolf-Michael Catenhusen, Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, fordert, "die Möglichkeiten einer digitalen Werknutzung und eines schnelleren und einfacheren Informationszugangs" auszuweiten.

Das Justizministerium will wissenschaftliche Bibliotheksdienste wie den staatlich geförderten Kopienversand subito dagegen einschränken. Denn bei subito kostet die digitale Kopie eines Fachartikels wegen der Subvention durch das Forschungsministerium nur ein paar Euro.

Verlage veranschlagen aber Preise bis zu 30 US-Dollar. Ihnen will Zypries das Online-Geschäftsmodell nicht kaputtmachen. Mit dem zugelassenen Versand wissenschaftlicher Artikel per Post, Fax und als Grafikdatei wird ihrer Ansicht nach den Interessen der Wissenschaft hinreichend Rechnung getragen.

Noch dürfte in der Auseinandersetzung zwischen den Ressorts aber das letzte Wort nicht gesprochen sein - genauso wie bei vielen anderen Fragen wie etwa der nach der künftigen Festlegung der Vergütungspauschalen auf Produkte und Leermedien, die für Privatkopien benutzt werden.

Zumindest diesen Streit sollen die gegnerischen Parteien künftig größtenteils selbst austragen - in einem einjährigen Schiedsverfahren.

© SZ vom 2.3.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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