Unterhaltungselektronik:Turbo für die Playstation

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Ein neuer Superchip von IBM, Sony und Toshiba soll die Unterhaltungselektronik antreiben - er könnte sogar den Markt aufmischen, der im Moment von Intel und Microsofts Windows beherrscht wird.

Von Helmut Martin-Jung

Bisher war es ein Thema vor allem für die Sorte von Computerfreaks, die den Windungen integrierter Schaltkreise nachspüren und bei Begriffen wie pipeline burst cache so richtig aufblühen.

Prototyp eines Cell-Chips (Foto: Foto: IBM)

Doch wenn der von IBM, Sony und Toshiba (IST) entwickelte neue Computerprozessor mit dem schlichten Namen "Cell" im kommenden Jahr auf den Markt kommt, wird sich das ändern.

Bis zu zehnmal so schnell wie der derzeit leistungsfähigste verfügbare Intel-Prozessor soll Cell sein - und das bei einem vergleichbaren Preis. Schon sieht mancher Insider wie der Computer-Experte und Linux-Anhänger Nicholas Blachford das Ende der Übermacht von Microsofts Windows und Intels Prozessoren auf dem PC-Markt herannahen.

Dabei ist Cell nicht in erster Linie entwickelt worden, um die Wintel-Allianz zu brechen. "Cell zielt auf den Markt für Unterhaltungselektronik", sagt IBM-Sprecher Hans-Jürgen Rehm.

Und die Welt von Playstation und anderen Spielkonsolen dürfte Cell tatsächlich gewaltig aufmischen. Der Prozessor ist quasi ein Supercomputer auf einem einzigen Chip.

Von einem Kern, der dem IBM-G5-Prozessor neuerer Apple-Rechner verwandt ist, werden im Cell-Chip acht weitere, auf Zahlenfresserei spezialisierte selbstständige Prozessoreinheiten kontrolliert.

Das Besondere an Cell ist, dass die acht separaten Prozessoren parallel arbeiten, erläutert Peter Hans Roth, Entwicklungsleiter für Mikroprozessoren bei IBM in Böblingen. "Die Arbeitsbienen müssen nur zum Arbeiten gebracht werden".

Diese Art von Aufgabenteilung spielt vor allem bei Multimedia-Anwendungen eine große Rolle. Dort, wo große Mengen an Daten, beispielsweise Bildmaterial, parallel verarbeitet werden müssen, lässt Cell die Konkurrenz weit hinter sich und hebt beispielsweise die realistische Darstellung dreidimensionaler Szenerien auf eine neue Stufe.

Der Elektronik- und Unterhaltungsriese Sony scheint damit seinem Ziel nahe zu kommen, die Leistung seiner neuen Playstation drastisch zu steigern: "Moores Gesetz ist uns zu langsam", hatte Sonys Chefentwickler für den Unterhaltungsbereich, Shin'ichi Okamoto, schon vor Monaten selbstbewusst erklärt.

Moores Gesetz sagt, dass sich die Zahl integrierter Schaltkreise auf einem Chip alle 18 Monate verdoppelt.

Noch wird es zwar mindestens ein Jahr dauern, bis erste Geräte mit dem Cell-Prozessor ausgeliefert werden, doch bereits jetzt träumen Experten von den Möglichkeiten, die ein PC mit diesem Prozessor bieten könnte: "Der erste Cell-basierte Arbeitsplatzrechner wird mit Abstand der schnellste seiner Art sein", sagt Linux-Experte Blachford.

Der Computerhersteller Apple, der schon seit einiger Zeit Power-Prozessoren von IBM einsetzt, wäre "völlig übergeschnappt, wenn diese Gelegenheit nicht genutzt würde".

Auch wenn viele Anwendungen nur in Versionen für Intel-PCs existierten - ein Cell-PC wäre so leistungsfähig, dass er der Software einfach per Emulation vorgaukeln könnte, er sei ein Intel-PC, argumentiert Blachford.

Ob es aber zu einem Cell-PC überhaupt kommen wird, hängt davon ab, ob sich ein Hersteller findet, dessen Strategen sich etwas davon versprechen, Microsoft und Intel ernsthaft Konkurrenz zu machen. Vielleicht entwickle ja Sony seine Vaio-PC-Reihe in diese Richtung weiter, sagt IBM-Sprecher Rehm, "aber erst einmal geht man in die Märkte, in denen es sich lohnt".

Und das sind die nach Rechenleistung dürstenden Fans von Spielekonsolen.

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