Toll Collect präsentiert Software-Lösung:Stolpe holt Microsoft ins Führerhaus

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Der Bundesverkehrsminister hat das Redmonder Softwarehaus von Bill Gates mit der Programmierung des Systems zur Erfassung der Fernstraßen-Nutzungsgebühren beauftragt. Die Opposition nennt die Lösung einen typischen "Stolpe-Stein" für die Bundesregierung und spricht von einem "weiteren Mautpfeiler, gegen den der Verkehrsminister ungebremst gerast" sei. Ein Krach mit der EU-Kommission scheint ebenfalls programmiert.

Bernd Graff

Manfred Stolpe (SPD) hat vor dem Hintergrund des größten Finanzdebakels in der Geschichte der Bundesrepublik eine weit reichende Entscheidung getroffen.

Die bunten Butzen nun auch auf Deutschlands Fernstraßen: Eine abgespeckte Windows-Variante soll nun für die Erfassung der gefahrenen LKW-Kilometer Sorge tragen (Foto: Collage: Vera Thiessat)

Das Toll Collect Konsortium aus Telekom, DaimlerChrysler Services und der französischen Cofiroute wird um den US-amerikanischen Microsoft-Konzern erweitert.

Die Software-Schmiede, vor allem bekannt durch die Windows-Betriebssysteme auf Personal Computern, wurde nach Worten des Sprechers des Verkehrsministeriums, Felix Stenschke, damit beauftragt, eine "genaue, zuverlässige und stets funktionstüchtige" Lösung für die Abrechnung der LKW-Maut-Gebühren zu entwickeln.

Microsoft-Chef Steve Ballmer hatte in der Nacht zum Mittwoch bei einem Vier-Augen-Gespräch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder Gelegenheit erhalten, sein hauseigenes Konzept zur "Cent-exakten Evaluation" der Kilometerpauschale zu erläutern.

Stolpe wurde erst am darauf folgenden Tag von diesem Treffen in Kenntnis gesetzt.

Der Verkehrsminister ließ daraufhin über Sprecher Stenschke verbreiten, dass die Entscheidung für die Microsoft-Lösung von ihm und nicht vom Kanzler gefällt wurde und schon lange vor Ballmers Zusammenkunft mit Schröder gefallen sei.

Man habe lediglich mit der Bekanntgabe auf den Beginn des zweiten Quartals 2004, dem Einsatz der einsetzenden Zahlungen an Microsoft, gewartet.

Dennoch blieb weitgehend offen, wer nun tatsächlich den Rahmen für Installation und Betrieb der Systeme vorgab.

Dem Vernehmen nach soll das Redmonder Haus zusätzlich zu den Installationsprovisionen für jede LKW-Implementation pro Monat mit 25 Prozent aller zu erwartenden Einkünfte aus der LKW-Maut bedacht werden.

"Allerdings", so Felix Stenschke, "werden Ballmers Leute nur dann bezahlt, wenn auch Einnahmen sprudeln. Sollte die Maut einmal ausbleiben, erhält auch Microsoft nichts." Ein Novum. Denn die anderen beteiligten Konzerne des Toll-Collect-Konsortiums werden - wenn auch in weit geringerem Umfang - auch weiterhin ohne jede Einschränkung entlohnt werden.

Bundeskanzler Schröder betonte die gute Zusammenarbeit und Entscheidungsfreude seines Ministers und begrüßte die nun gefundene Lösung: "Die Zeit des Streitens ist vorüber", sagte er am Rande eines Treffens mit Vertretern der "Grauen Panther", "Wir brauchten ein System, dass Technologieführerschaft erkennen lässt. Das haben wir nun", so Schröder. Es sei zum Schluss ja nur noch darum gegangen "zu beweisen, dass es geht." Außerdem erhalte die "Public-Private-Partnership" des Maut-Systems nun durch die Verbindung mit dem US-amerikanischem Unternehmen eine deutlich private, also positive Schlagseite.

"Das schafft ja auch Arbeitsplätze. Wenn auch in Übersee", so der Kanzler.

Für die Opposition sprachen sowohl der hessische Ministerpräsident Roland Koch als auch die CDU-Chefin und Oppositionsführerin Angela Merkel unabhängig voneinander von einem weiteren "Stolpe-Stein" für die Regierung.

Der Minister sei wie auch Kollegin Ulla Schmidt schon lange nicht mehr haltbar.

Finanzexperte Friedrich Merz nannte die Redmonder Windows-Lösung einen Berliner "Fenstersturz" und sah den verantwortlichen Stolpe "wieder einmal ungebremst gegen die eigenen Maut-Pfeiler gerast." "Deutschland verliert mit Rot-Grün. Täglich, Wöchentlich. Stündlich. Das haben auch die Wähler inzwischen verstanden." So Merz.

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