Terrorbekämpfung in den USA:Ertrunken im Datenfluss

Lesezeit: 2 min

Beim FBI werden so viele Daten gesammelt, dass niemand mehr in der Lage ist, sie sinnvoll zu sichten. Geeignete Übersetzer fehlen - und neue Übersetzer einstellen ist schwierig: man muss ja auch sie ersteinmal ausreichend überprüfen.

Petra Steinberger

Glenn Fine, der Generalinspektor des US-Justizministeriums, musste vor einigen Tagen dem Senat einen ziemlich unangenehmen Report vorstellen. Beim FBI, sagte er, habe sich im letzten Jahr der Rückstau von nicht übersetzten Informationen mit möglichem terroristischen Zusammenhang verdoppelt.

Natürlich seien darunter keine Informationen von erster Priorität. Doch das FBI könne nicht sicher sein, dass die rund 8300 Stunden unübersetzten Materials nicht doch irgendwelche Informationen enthielten, die für Investigationen bei der Terrorismusbekämpfung notwendig seien.

Immerhin, erklärte der Report des Generalinspektors, habe das FBI im Vergleich zum Vorjahr Fortschritte gemacht bei der Übersetzung von schriftlichem Material - seine Sammlung von Audioquellen jedoch überlaste die vorhandenen Kapazitäten bei weitem.

8354 Stunden Überhang waren es im März diesen Jahres, im April 2004 waren es erst 4086 Stunden gewesen. Allerdings sprechen andere von insgesamt 120.000 Stunden Überhang.

Leider nur einer

Eines der Probleme sei, dass sich das Auswahlverfahren von möglichen Übersetzern zunehmend in die Länge zöge, großteils wegen bürokratischer Hemmnisse. Außerdem, hieß es in dem Report, brauche das FBI noch bis 2009, um die längst geplante Modernisierung seines Computersystems abzuschließen.

All das erinnert an eine kleine Meldung, die vor ein paar Monaten in einer der großen Zeitschriften Amerikas, in Harper's Magazine zu lesen war. Da hieß es, die Probleme bei den amerikanischen Geheimdiensten könnten vielleicht daher rühren, dass ihre Software inzwischen zwar in der Lage sei, bestimmte verdächtige Begriffe aus Telefonaten, E-Mails oder anderen Aufzeichnungen herauszufiltern, "World Trade Center" oder "Flugzeug" oder "Allah" - leider könne die Suchmaschine jeweils nach nur einem einzigen Begriff suchen...

Und es erinnert an eine Meldung in der New York Times, wonach im State Department nur fünf von 279 Arabischübersetzern die Sprache so gut beherrschten, dass sie die Feinheiten der unzähligen Regionaldialekte unterscheiden und einordnen konnten.

Homosexuelle Übersetzer entlassen

Und daran, dass das amerikanische Militär 20 Arabischübersetzer entließ, weil sie homosexuell waren was ja nicht sein darf, zumindest nicht öffentlich.

Die CIA wiederum stellt deswegen nicht genug Übersetzer ein, weil viele von ihnen Einwanderer in erster Generation sind. Das mache zwar sie linguistisch perfekt - aber schlecht überprüfbar und zugleich angreifbar, weil viele noch Familie im Ausland haben.

Der Senat ist jedenfalls in Sorge, da sei man ja überhaupt nicht ausreichend vorbereitet, alles mögliche könne über Amerika hereinbrechen, obwohl die Informationen schon längst vorhanden waren, die das hätten verhindern können.

Ein wenig erinnert diese Diskussion an die Stasi. Nicht deswegen, weil sich die amerikanischen Geheimdienste langsam in ein sämtliche Bürgerrechte übergehendes Überwachungssystem verwandeln. Nein, sie ähneln sich in ihrer Ineffizienz - in dem Glauben, dass es möglich sei, durch totale Informationsauswertung auch totales Wissen und damit die totale Absicherung vor der jeweiligen Gefahr - Terrorismus oder westlichem Gedankengut - zu erreichen.

Was wiederum dazu führt, dass die Informationsverwerter selbst absolut durchleuchtet werden müssen. Was in eine Endlosschleife führt - oder in eine Datensammlung, die so gewaltig ist, dass niemand mehr in der Lage ist, sie noch sinnvoll zu sichten.

Es ist wie beim Straßenbau: Je mehr Straßen es gibt, desto mehr Autos fahren darauf. Eine kluge Terrorgruppe müsste nur noch Lockvögel einsetzen, die den ganzen Tag nichts anderes tun als falsche Spuren zu legen - und das System wäre in sich gefangen.

© SZ vom 9.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: