Technologie:Das Bankgeheimnis

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In Wien wechseln 3000 Euro das Konto - mit einer Quantenverschlüsselung, die als eine der Techniken gilt, welche die Welt verändern könnte.

Von Julia Harlfinger

Betrag, Bankleitzahl, Kontonummer - was da vergangene Woche in Wien öffentlich vorgeführt wurde, sah aus wie eine ganz banale Geldüberweisung via Internet. Wenige Augenblicke nach dem Abschicken gingen 3000 Euro sicher auf einem Konto der Universität Wien ein.

Und trotzdem gab es Applaus, denn die Technik hinter dem Transfer war ungewöhnlich. Im Untergrund der österreichischen Hauptstadt rasten Lichtteilchen mit einer besonderen Eigenschaft durch ein 1500 Meter langes Netz aus Glasfaserkabeln.

Diese "verschränkten Photonen", die auch bei großer Entfernung ein unsichtbares Band verbindet, sind die Hauptakteure der Quantenkryptographie, die absolute Abhörsicherheit garantieren und in wenigen Jahren marktreif sein soll. Der Zeitschrift MIT Technology Review gilt sie als "eine der zehn neuen Technologien, die die Welt verändern werden".

Und um vorzuführen, dass sie auch außerhalb der Physiklabore funktioniert, hatten Forscher von der Wiener Universität um den Physiker Anton Zeilinger vergangene Woche ins Rathaus geladen.

Für die Banken hat die Sicherheit von Datenübertragung höchste Priorität, darum hatte sich auch die Bank Austria an dem Versuch beteiligt. Geldhäuser versprechen sich von der Quantenkryptographie, dass sie einen der neuralgischen Punkte heutiger Sicherheitstechniken ausschaltet: Vor der Übertragung sensibler Daten müssen streng geheime Schlüssel erzeugt und verteilt werden, ohne dass dabei schon die angestrebte Sicherheit herrschen kann.

Bei der Quantenkryptographie hingegen entsteht der Code zum Kodieren und Lesen der Geheimbotschaften bei beiden Benutzern simultan. Außerdem werden Spione, die Information aus dem System abzweigen, immer erkannt - bevor die eigentliche Nachricht übermittelt wird.

"Spukhafte Fernwirkung"

Anton Zeilinger setzt in seinem quantenkryptographischen System verschränkte Photonen ein. Sie werden als Paar erzeugt und teilen darum eine Eigenschaft (etwa die Schwingungsebene des Lichts), auch wenn sie sich weit von einander entfernen.

Welchen Wert die Eigenschaft bei beiden hat, offenbart sich aber erst bei der Messung; vorher befinden sich beide Photonen in einem Zustand, in dem sich alle möglichen Werte der Schwingungsebenen überlagern. Erst wenn man bei einem der Photonen die Ebene bestimmt, muss sich das andere im selben Augenblick auf einen korrespondierenden Wert festlegen - wo immer es auch sei.

"Spukhafte Fernwirkung" nannte Albert Einstein dieses Phänomen einst, das ihm nicht zu den Gesetzen der Physik zu passen schien. Viele Experimente haben jedoch bewiesen, dass die Idee von der Verschränkung der Photonen Realität ist.

Bei der Vorführung vergangene Woche in Wien erzeugte eine Quelle, in 1500 Meter Entfernung vom Rathaus in der Bank aufgebaut, verschränkte Photonen: Dafür wurde das blauviolette Licht eines UV-Lasers mit Spiegeln und Linsen auf einen Kristall aus Betabariumborat gerichtet; dort entstanden pro Sekunde etwa 6000 Photonen-Paare.

Jeweils eines flog zur Messstation in der Bank, das andere durch eigens verlegte Glasfaserkabel zum Rathaus. An ihren Zielpunkten angekommen, wurden die Schwingungsebenen der Lichtteilchen bestimmt. Die Messwerte wurden elektronisch in eine Abfolge aus Bits (Werte von 0 oder 1) umgewandelt.

Auf diese Weise entstand der Schlüssel zeitgleich bei beiden Benutzern. Jeder Lauscher im System hätte durch seine Messung den Zustand der Photonen verändert, beim Vergleich der Schlüssel hätte er sich durch eine höhere Fehlerquote verraten.

Sie wäre dann auf elf Prozent geklettert statt der sechs Prozent, die wegen der Glasfaserkabel unvermeidbar sind. So baute sich der Schlüssel mit 76 Bits pro Sekunde an beiden Enden der Leitung auf. Dass sich der Rest der Photonenpaare nicht nutzen ließ, ist bei diesem Verfahren der Quantenkryptographie normal.

Zeilingers Gruppe ist allerdings nicht die einzige, die an quantenkryptographischen Prototypen forscht. Die einzelnen Produkte unterscheiden sich hinsichtlich der Erzeugung der Quanten und den an ihnen gemessenen Eigenschaften.

An der Universität München zum Beispiel arbeitet der gebürtige Österreicher und ehemalige Zeilinger-Assistent Harald Weinfurter gemeinsam mit der dem britischen Verteidigungsministerium nahe stehenden Firma QinetiQ an einem Prototypen, der Quanten durch die Luft überträgt - zum Beispiel von der Zugspitze zur Karwendelspitze in den Alpen.

Informationsträger sind hier einzelne unverschränkte Photonen. In der Schweiz wiederum nutzt Nicolas Gisin, Leiter der Genfer Quantenoptikgruppe, verschränkte Photonen, misst aber nicht ihre Schwingung, sondern Zeit und Energie.

Seine Spin-Off-Firma id Quantique vertreibt bereits ein Gerät zur Verteilung von "Quantenschlüsseln".

In Japan sind während der letzten Jahre fünf ähnliche Firmenprojekte entstanden. Die Schlüssel werden allerdings nicht durch das komplizierte System verschränkter Photonen erzeugt, sondern durch schwache Laserpulse.

Die Firma NEC taufte ihren Prototypen Quics (Quantum Indestructable Cryptography System) - sie hat das Gerät im vergangenen März auf der Cebit ausgestellt und bietet es für 100.000 Euro an.

Aus Zeilingers Sicht ist das keine Konkurrenz; er vergleicht die Systeme der asiatischen Firmen selbstsicher mit Mittelklassewagen wie Volkswagen oder Opel. Die beste Methode würde er entwickeln, "den Rolls Royce unter den Quantenkryptographen".

© SZ vom 27.4.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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