Technik:Windows für die Stube

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Ein PC im Wohnzimmer? Ist der nicht laut und hässlich? Nö, nicht mehr. Multimedia-PCs erobern das Wohnzimmer.

Michael Lang

Als die Computerfirmen Microsoft und Intel vor wenigen Jahren ankündigten, ihre Technik ins Wohnzimmer zu bringen, reagierten viele Hersteller von Fernseh- und Hifi-Geräten noch verhalten optimistisch, den Angriff zu überstehen.

Dass Computer nicht grau und laut sein muessen, spricht sich bei deutschen PC-Käufern mittlerweile herum. (Foto: Foto: ddp)

Wer wollte schließlich schon ein hässliches, graues PC-Gehäuse zum Blickfang im eigenen Zuhause machen? Inzwischen aber ist der Sturm aufs Wohnzimmer in vollem Gange und bringt die Aufteilung des Markts durcheinander, wie Exponate auf der Computermesse Cebit zeigten.

Der Windows-Computer erobert als trojanisches Pferd in Gestalt eines Hifi-Bausteins oder Videorekorders den Platz in der Schrankwand. Geräte mit Apple- oder Linux-Betriebssystemem sind wie auf den Schreibtischen bei weitem in der Minderheit.

Vorbild Deckenventilator

Wird ein "Media-PC" an den Fernseher angeschlossen, zeigt das Gerät nach dem Hochfahren eine spezielle Benutzeroberfläche, die Media Center Edition von Windows XP.

Sie bietet ein Auswahlmenü für das Abspielen von Diashows, Filmen oder Musikstücken, und lässt sich von der Couch aus per Fernbedienung steuern.

Im Innern des Computers lagern die Unterhaltungs-Daten auf einer Festplatte mit Kapazitäten von beispielsweise 250Gigabyte. Darauf passt nicht nur die CD-Sammlung im MP3-Format, ein oder zwei eingebaute TV-Empfänger ermöglichen auch das Aufzeichnen und Anschauen von Fernsehsendungen.

FG>Anfangs mussten die Media-PCs allerdings viele Kinderkrankheiten überwinden. "Unter Volllast ist er ein richtiger Radaubruder", urteilte zum Beispiel die Fachzeitschrift Chip im vergangenen Jahr über ein Gerät.

Bei einem anderen Modell bemängelten dieselben Tester den "viel zu hohen Standby-Verbrauch von 22 Watt". Das hat sich inzwischen geändert.

Fast lautlos

Im Test der aktuellen Ausgabe bescheinigen die Experten den Multimedia-PCs, dass sie leiser seien als manche DVD-Recorder, die das Prädikat "wohnzimmertauglich" erhalten.

Auch bei einem Rundgang über die Cebit konnten sich Besucher überzeugen, dass die Herstellers einiges in Sachen Lärmverminderung unternommen haben.

Fujitsu-Siemens zum Beispiel verwendet einen Lüfter, der nach dem Prinzip des Deckenventilators arbeitet: Ein großes Rotorblatt dreht sich langsam, aber effektiv und fast lautlos.

Hersteller von flachen Geräten begegnen dem Klimaproblem mit langen Reihen von Kühlrippen. Und manche benutzen stromsparende Notebook-Prozessoren, die wenig Abwärme produzieren.

Ebenfalls ein kritischer Punkt: Während die klassische Unterhaltungselektronik sofort nach dem Einschalten betriebsbereit ist, dauert das Hochfahren eines Computers eine halbe Ewigkeit.

Der PC im Huckepack

Windows-Media-PCs lassen sich deshalb in einen Standby-Modus versetzen, bei dem das Gerät - ähnlich wie ein Fernseher - in einen energiesparenden Zustand geht.

Dabei sind die meisten Komponenten des Computers abgeschaltet, nur der Arbeitsspeicher wird mit Strom versorgt. Gemäß Microsoft-Vorgaben muss sich ein Media-PC per Fernbedienung innerhalb weniger Sekunden wieder in den Betriebsmodus bringen lassen.

In einem Test der Fachzeitschrift ct Ende vergangenen Jahres ließen sich jedoch viele Geräte nicht per Knopfdruck wieder in den aktiven Zustand versetzen.

Die Hersteller, so kritisierten die Tester, würden anstelle des Standby-Modus häufig einen veralteten Ruhezustand verwenden. Der Media-Center-PC fällt dann nicht in den tiefsten Schlafzustand. "Damit verheizt der unbenutzte Rechner zudem viel Leistung", klagten die Tester.

Um den Einzug von Multimedia-PCs ins Wohnzimmer zu beschleunigen, hat Intel die Unterhaltungselektronik-Marke Viiv ins Leben gerufen. Geräte, die das Logo tragen, sollen auf Knopfdruck einsatzbereit sein.

Embedded Windows

Dafür sorgt die so genannte Quick-Resume-Technik, ein besonderer Standby-Modus, bei dem das Gerät im Hintergrund auf Sparflamme weiterläuft, um zum Beispiel Videofilme aus dem Internet zu laden.

Der Viiv-PC, so Intels Philosophie, soll als zentrale Schnittstelle für Multimedia-Dateien dienen, die aber im Gegensatz zu Microsofts Konzept auch auf anderen Computern gespeichert sind und von dort bei Bedarf per Funk übertragen werden.

Zudem soll die Technik in Gehäuse aller denkbaren Formen eingebaut werden können. "Was Sie hier sehen, ist kein Flachbildschirm, sondern ein Viiv-PC", erklärte etwa ein Intel-Mitarbeiter den Cebit-Besuchern. Der Bildschirm trug den Computer huckepack auf der Rückseite.

Und noch ein Kennzeichen des Bürocomputers ist im Wohnzimmer verzichtbar: die Windows-Oberfläche. Wer auf Programme wie Word oder Excel verzichtet, kann Geräte mit einem so genannten embedded Windows XP nutzen.

Das Betriebssystem dient dann nur zur Steuerung des Geräts, lässt sich aber nicht separat starten. "Der stürzt auch nicht so häufig ab wie ein Gerät mit vollwertigem Windows", erklärte ein Vorführer am Messestand.

© SZ vom 18. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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