Spieleindustrie im Wandel:Dollar statt virtuellem Geld

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Hartes Arbeiten macht sich auch in der virtuellen Welt bezahlt. Zumindest bei "Everquest".

Andreas Grote

(SZ vom 12.2.2002) - In dem Online-Fantasy-Spiel des japanischen Unternehmens Sony Online Entertainment bewegt der Spieler die von ihm erstellte Spielfigur durch das virtuelle Land "Norrath" und sammelt dabei Ausrüstungsgegenstände, die ihm das Leben in "Norrath" einfacher machen. Er kann aber auch zu Reichtum gelangen, indem er Eigenschaften und Besitztümer seiner Charaktere an Mitspieler verkauft. Offizielle Währung in "Norrath" sind die von Sony erfundenen, virtuellen "Platinum Pieces". Doch inzwischen setzt sich auch eine zweite Währung durch: der Dollar.

Everquest: Der Spieler kann zu Reichtum gelangen, indem er Eigenschaften seiner Charaktere an Mitspieler verkauft. (Foto: N/A)

Wem es zu mühsam ist, mit viel Geschick und online verbrachter Spielzeit seine Spielfigur entsprechend gut auszurüsten, der päppelt den Charakter einfach durch Zukäufe auf. Das 1999 gestartete "Everquest" stellt seinen rund 400.000 Mitspielern für die Kauf- und Tauschgeschäfte eine eigene Funktion zur Verfügung. Doch die hat sich als zu teuer und zu umständlich erwiesen, so dass die Spieler auf Handelsplattformen der realen Welt ausgewichen sind.

Auf Internetauktionen wie "Ebay" bieten "Everquest"-Spieler seitenweise einzelne Eigenschaften, Ausrüstungen oder ganze Charaktere zum Kauf an. Obwohl in Deutschland die Zahl der "Everquest"-Spieler nur auf etwa 5.000 geschätzt wird, wird auch hier zu Lande auf "Ebay" heftig gesteigert, angefangen von fünf Euro bis hin zu komplexen Spielfiguren für 700 Euro und mehr. Nach Bezahlung bekommt der Käufer eine CD mit der gewünschten Eigenschaft zugeschickt, oder er erhält ein Passwort per E-Mail, das ihm den Zugriff auf die Spielfigur auf dem "EverQuest"-Computer ermöglicht.

Der Ökonom Edward Castronova von der California State University in Fullerton hat Tausende solcher Transaktionen in den Vereinigten Staaten auf den Web-Seiten von "Ebay" analysiert. Dabei fand er heraus, dass jeder Einwohner von "Norrath" durch das Verkaufen seiner online erspielten Vermögenswerte mit einem Stundenlohn von 3,42 US-Dollar rechnen kann. In der realen Welt erwirtschaften die beteiligten "Everquest"- Spieler ein Bruttosozialprodukt pro Kopf von 2266 Dollar. "Norrath" würde damit hinter Russland den 77. Platz in der Weltstatistik belegen. Allerdings beträgt der Gesamtumsatz an versteigerten "Everquest"-Vermögenswerten im Jahr nur rund fünf Millionen Dollar.

Eigentlich verbietet Sony in den Regeln von "Everquest" den Handel außerhalb des Spieles. Doch die Einwohner von "Norrath" können das in der realen Welt erwirtschaftete Geld gut gebrauchen. Denn wer keinen Onlinezugang mit pauschal abgerechneter Zeit hat ("Flatrate"), bei dem fallen auf Dauer hohe Telefongebühren an. Auch ist der Eintritt in die virtuelle "Norrath"-Welt nicht kostenlos. Sony kassiert pro Monat von jedem Spieler ein Zugangsgeld von rund 10 Dollar und verlangt für die Premium-Variante "Everquest Legends" sogar 39 Dollar.

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