Shadow of Memories:Spiel, Film oder virtueller Roman?

Lesezeit: 2 min

Wirklich innovative Spielideen sucht der von Prequels und Sequels gequälte Kunde in letzter Zeit vergebens.Um so angenehmer die Überraschung "Shadow of Memories".

Gerd Hilber

Hier und da mal eine interessante Neuerung, ein paar nette Features und eine auf Hochglanz gebrachte Grafik reichen den Entwicklern und Vertreibern meist aus, um verstaubte Spielideen im neuen Gewand zu präsentieren - und natürlich zu verkaufen. Konamis neuestes Playstation 2-Werk "Shadow of Memories" jedoch gehört dank seines Einfallsreichtums, der grandiosen Story und des fantasievollen Prinzips eines interaktiven Romans zu den spärlichen Lichtblicken am sonst so trostlosen Softwarehorizont der Fortsetzungen, Trilogien und jährlich erscheinenden Sportspektakel.

Bewertung: 5 = super / 4 = schön / 3 = nett / 2 = geht so / 1 = bescheiden / 0 = daneben (Foto: Screenshot: Shadow of Memories)

Dass "Shadow of Memories" etwas ganz Besonderes ist, offenbart sich schon nach wenigen Minuten. Alles beginnt nämlich mit dem Ende, setzt dort ein, wo andere Titel aufhören: mit dem Tod des Protagonisten. Ungewöhnlich, zugegeben, aber herzerfrischend anders. Hinterhältig erstochen, sackt der junge Eicke Kusch in einer dunklen Gasse zusammen. Doch anstatt die "Stairway to Heaven" zu betreten und mit J.F.K. über die Vor- und Nachteile von Cabriolets zu plaudern, erwacht der Held wider Willen kurze Zeit später an einem mysteriösen Ort, an dem ihn eine verlockende und doch diabolische Stimme mit den bedeutungsschweren Worten "Wie fühlt es sich an, tot zu sein?" begrüßt und dem frisch Dahingeschiedenen die Möglichkeit bietet, sein Schicksal zu ändern. Wie? Per Zeitmaschine, deren pure Existenz schon die Fantasie von Albert Einstein, Steven Spielberg und einem ganzen Tross von Star Trek-Serienautoren beflügelt hat. Stichwort: alternative Zeitlinien. Wird die Vergangenheit beeinflusst, ändert sich die Gegenwart und die Zukunft nachhaltig.

Dass sich der Sensenmann aber nicht gerne überlisten lässt, weiß jeder, der den Hollywood-Streifen "Final Destination" gesehen hat. Und so verwundert es niemanden, dass es mit einer einmaligen Reise in den Zeitraum kurz vor dem Attentat nicht getan ist. Immer neue Pläne des mysteriösen Mörders gilt es erfolgreich zu vereiteln. Bis dessen Identität und die Pläne des geheimnisvollen, allmächtig scheinenden Wesens jedoch geklärt sind, durchstreift der neugierige Spieler rund sechs Stunden lang das fiktive deutsche Städtchen Lebensbaum. Stets auf der Suche nach entscheidenden Hinweisen und Indizien, erkundet Eicke die grafisch prächtig in Szene gesetzte Altstadt und plaudert mit jedem, der ihm über den Weg läuft. Unter Zeitdruck versteht sich, denn die Tatsache, dass man eigentlich tot ist und der Killer noch frei herumläuft, ist nach wie vor unumstößlich.

Im Gegensatz zu einschlägigen Genrekollegen kann Eicke aber keine Waffe in die Hand nehmen, um sein "kleines" Problem aus der Welt zu schaffen. Vielmehr ist gesunder Menschenverstand gefordert, um die nicht allzu anspruchsvollen Rätsel zu lösen. Diese bieten meist sogar noch alternative Wege zur Bewältigung. Beispielsweise ist es relativ egal, ob die virtuelle Haut nun von einer Bratpfanne oder einem kleinem Metallschild geschützt wird. Hauptsache das Messer kommt nicht durch!

Ebenso abwechslungsreich wie die mannigfaltigen Lösungsvarianten sind auch die fünf unterschiedlichen Endsequenzen geraten. Vom unbefriedigendem Finale bis hin zum Happy End ist so ziemlich alles geboten, was das Herz des virtuellen, interaktiven Romanlesers begehrt. Gleichzeitig laden jede Menge versteckter Gimmicks und Aufgaben der freundlichen Dorfbewohner zum erneuten Durchspielen ein.

Auf technischer Seite kann "Shadow of Memories" nahezu nur Pluspunkte für sich verbuchen. Die bereits erwähnte, grafisch grandiose Umsetzung mittelalterlicher Fachwerkhäuser, idyllischer Brunnen und der detaillierten Charaktere wird nur noch durch die fast filmreife, lippensynchrone englische Sprachausgabe und den stets passenden, vor allem aber packenden Musikstücken übertroffen. Einzig die eingeschränkte Handlungsfreiheit missfällt. Doch dieses kleine Manko wird durch die zahlreichen, qualitativ hochwertigen Auto-Zwischensequenzen und die überaus spannende, weil ungewöhnliche Story locker wieder ausgeglichen. Eigentlich darf also jeder zugreifen, der an ungewöhnlichen Spielideen Gefallen findet. Action-Adventure-Fans werden allerdings bitter enttäuscht, da das Spielgeschehen eher passiv ausgelegt ist.

Shadow Of Memories für Playstation 2, Konami, zirka 120 Mark.

Quelle: Teleschau - der Mediendienst

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: