Rosa Post:Eine Adresse für alles

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Tüftler versuchen, Telefonnummer, E-Mail-Adresse und Postanschrift zu vereinigen. Eine Idee wurde nun von einem schwedischen Ingenieur präsentiert.

(SZ vom 22.5.2001) - Kommunikation wird immer einfacher - jedenfalls scheint es so. Doch um Freunde und Bekannte zu erreichen, muss sich Otto Normalkommunikator immer mehr Daten merken oder notieren: privates und dienstliches Telefon, Handy, Pager, Fax, mehrere E-Mail-Adressen und Postanschriften. Adressverzeichnisse werden da schnell zu wüstem Krikelkrakel, und auch in elektronischen Organizern wird oft die Kapazität der Datenbank knapp. Darum suchen Firmen und Tüftler in aller Welt nach Möglichkeiten, die Vielfalt der Kontaktinformationen auszudünnen.

Nur eine Zeile genügt als Postanschrift: die E-Mail- Adresse. Bislang hängt der rosa Briefkasten aber nur im schweizerischen Biel. (Foto: Foto: Brainstore)

Eine Idee hat der schwedische Ingenieur Patrik Fältström präsentiert: die so genannte enum. Sie verknüpft das bestehende Telefonsystem mit dem Internet: Rufnummern werden einfach Bestandteil von E-Mail-Adressen. Die Anschrift des Weißen Hauses in Washington wäre 4.1.4.1.6.5.4.2.0.2.1.e164. arpa, die der Süddeutschen Zeitung lautete 0.3.8.1.2.9.8.9.4.e164.arpa. Der Ziffernteil entsteht, wenn die Telefonnummer rückwärts gelesen wird, der Rest ist eine Verbeugung vor den Welten, die da vereinigt werden sollen: Mit "e164" bezeichnen die Telefongesellschafen ihr Nummernsystem, und Arpa, die Advanced Research Projects Agency, ist die Behörde, die das Internet ins Leben gerufen hat.

Der Vorteil dieser Nummer wäre auch, dass ihre Benutzer auf einer Webseite Präferenzen einstellen könnten: E-Mails und Anrufe würden dann zu dem das Gerät umgeleitet, auf dem sie der Besitzer der enum gerade empfangen will.

Tauziehen zwischen Firmen

Fältströms Idee wird inzwischen bei der Internet Engineering Task Force breit diskutiert - Fältström gehört der Leitung dieser Organisation von Netz-Technikern und -Interessierten an. Das Problem dabei ist allerdings, dass der Erfinder die lange Zeit regulierte Telefon- mit der offenen Computer-Welt verknüpft - gerade bei letzterer sind die Zuständigkeiten mehr als schwammig. In den USA hat der Vorschlag bereits zu einem Tauziehen zwischen zwei Firmen geführt, die die lukrative enum-Datenbank aufbauen und verwalten wollen.

Für Fältström ist es besonders wichtig, dass sein System von der jeweils zuständigen Regierung sanktioniert wird. "In den letzten Jahren ist eine Vielzahl von Geräten und Software auf den Markt gekommen", sagte er der Washington Post. "Aber immer öfter kommt es vor, dass sie nicht kompatibel sind." Die enum biete hier eine einheitliche Lösung. Gerade die Regierungskontrolle könnte dem Vorschlag aber auch schaden: Manche Länder möchten verhindern, dass die Kommunikation aus dem kontrollierten Telefonnetz in das freie Internet abwandert.

Die über 400 Millionen E-Mail-Adressen, die derzeit existieren, und später womöglich auch die enum-Angaben noch weiter zu nutzen, schlägt derweil die Schweizer Firma BrainStore vor. Sie möchte die E-Mail- als Postadresse der Zukunft etablieren. "Das Bedürfnis, das alte System der Post und das neue der E-Mail zu verheiraten war da, aber keiner hatte bisher die Lösung", sagt BrainStore-Geschäftsführerin Nadja Schnetzler. Ihre Idee: Herkömmliche Briefe werden künftig nur mit einer E-Mail-Adresse beschriftet und in den Briefkasten geworfen. Dann schickt die Poststelle eine E-Mail an den Adressaten mit der Bitte, seine Anschrift mitzuteilen. Und schließlich wird der Brief maschinell adressiert und ausgeliefert. Die Zustelladresse wird durch Passwort geschützt gespeichert und der Brief beim nächsten Mal automatisch zugestellt.

"Vor allem junge Leute merken sich eher E-Mail-Adressen als normale Anschriften. Sie wollen keine Adressbücher mehr führen", hat Schnetzler festgestellt. Derzeit wird die E-Mail-Adressierung in einem Pilotprojekt im schweizerischen Biel getestet; die Ergebnisse werden Ende Mai bei einer Konferenz in Interlaken mit Postdienstleistern, E-Commerce-Anbietern und Kommunikationsfachleuten diskutiert. Für die Erfinder liegen die Vorteile auf der Hand: Eine eindeutige und einprägsame Anschrift für jede Person; der Brief wird immer an die richtige Adresse zugestellt, da sein Empfänger die Anschrift in der Datenbank tagesaktuell ändern kann. Und der Datenschutz bleibt ebenfalls gewährleistet. Nadja Schnetzler: "Wenn ich einen Herrn im Café kennen lerne, gebe ich ihm nur meine E-Mail-Adresse, und er kann mir trotzdem einen Blumenstrauß schicken."

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