Propaganda der Taliban:Mediencoups und gut gepflegte Kontakte

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Die Taliban sind die professionellsten Nutzer moderner Kommunikation in Afghanistan. Per Handy instrumentalisieren sie geschickt Geiseldramen. Und setzen so westliche Regierungen unter Druck.

Fünf Jahre lang führten sie in Afghanistan ein grausiges Regiment mit einem Arsenal mittelalterlicher Foltermethoden, ohne Fernsehen und Fotos - heute sind die Taliban die professionellsten Nutzer moderner Kommunikation im ganzen Land. Kaum ein Selbstmordanschlag in abgelegenen Bergregionen, zu dem sich die radikal-islamische Untergrundmiliz nicht innerhalb kürzester Zeit per Handy bekennt. Kaum ein Geiseldrama, in dem sie nicht auf die eine oder andere Weise mitmischt.

Der bislang spektakulärste Coup: improvisierte Pressekonferenz der Taliban mitten auf der Straße von Ghasni. (Foto: Foto: Reuters)

Ob afghanische Regierung, internationale Schutztruppen oder Taliban-Miliz - alle Akteure wollen in der Öffentlichkeitsarbeit die Oberhand gewinnen. Doch die Islamisten sind ihren Gegnern oftmals eine Nasenlänge voraus - und sei es nur, weil sie es mit den Fakten nicht so genau nehmen.

Der spektakulärste Coup war bislang eine improvisierte Pressekonferenz mitten auf der Straße von Ghasni. Dort traten zwei Unterhändler der Geiselnehmer einer Gruppe von Südkoreanern zwischen zwei Verhandlungsrunden mal kurz vor die Tür und versammelten Journalisten um sich. Während US-Spezialeinheiten und afghanische Polizisten im ganzen Land Jagd auf die Taliban machen, erläuterten die beiden in aller Ruhe den Stand der Verhandlungen. Afghanische Behördenvertreter tobten vor Entrüstung und verhängten Hausarrest - für die Journalisten.

Lebenszeichen in wohlkalkulierten Abständen

Aber auch mit weniger dreisten, dafür aber eiskalt geplanten Medienkontakten schaffen es die Untergrundkämpfer immer wieder, die Schlagzeilen für sich zu gewinnen. So mit Video-Aufnahmen geschwächter südkoreanischer Geiseln und in wohlkalkulierten Abständen ermöglichten Telefongesprächen mit dem seit dem 18. Juli verschleppten deutschen Bauingenieur. Damit werden auf globalen Kanälen Gefühle hervorgerufen, die die jeweiligen Regierungen unter Druck setzen sollen.

Die Taliban rufen ausländische Journalisten aus ihren Geheimverstecken regelmäßig an, senden SMS, in denen sie sich zu Anschlägen bekennen, oder verschicken selbstgebrannte DVDs von Aktionen des "Heiligen Krieges" ihrer Anhänger. "Die Taliban haben eine sehr wirksame Medienverbindung hergestellt und folgen damit dem Beispiel von El Kaida", sagt Hameed Gul, ein früherer pakistanischer Geheimdienstchef. "Wenn die Menschen weltweit den Eindruck haben, dass die USA dabei sind, ihren Kampf in Afghanistan zu verlieren, dann ist das ein Erfolg der Medienpolitik der Taliban."

Regierungssprecher schwerer zu erreichen als die Taliban

Kaum zu glauben, dass die Vertreter dieser Bewegung ihrem Land fünf Jahre lang ein Leben wie im Mittelalter verordneten. Fernsehen, Videos, Fotos und das Internet waren als unislamisch strikt verboten. "Die Taliban sind nicht mehr die, die sie vor fünf Jahren waren", erläutert die afghanische Journalistin und Abgeordnete Schukria Baraksai. "Sie haben viel gelernt." Die Schwäche und Nachlässigkeit der afghanischen Regierung in Sachen Pressearbeit helfen ihnen dabei. "Es ist wirklich einfach, die Taliban zu erreichen, aber wenn Sie einen Regierungssprecher anrufen wollen, dann wird es kompliziert. Entweder sein Telefon ist abgeschaltet oder er ist nicht zu sprechen."

Dass die Krieger in Turban und Sandalen die neuen Kommunikationsmöglichkeiten ganz allein gemeistert haben sollen, mag dabei niemand so recht glauben. "Da hat El Kaida die Finger drin, oder einer von Afghanistans Nachbarstaaten", vermutet der Kabuler Politologe Nasrullah Staniksai. Er verweist dabei vor allem auf die ungewöhnlich kurze Reaktionszeit der Taliban und ihre Fähigkeit, Ereignisse rund um den Globus rund um die Uhr im Blick zu behalten.

Innerhalb des Landes allerdings sind ihre Informationen zwar schnell, oft aber einfach falsch. Die Kampfgebiete sind abgelegen und die Beteiligten schwer zu erreichen. Die Schutztruppe Isaf räumt ein, dass sie von den Taliban oft überholt wird. Aber die ausländischen Truppen wollten grundsätzlich erst herausfinden, was wirklich passiert sei, sagt ISAF-Sprecherin Brenda Steele. Den Taliban wirft sie "Lügen" vor.

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