Online-Lotto:Hoher Preis für sechs Richtige

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Hessen erlaubt künftig das Lottospielen mittels elektronischer Briefe. Was Tippern größeren Komfort verspricht, könnte das deutsche Verbot von Online-Glücksspielen ins Wanken bringen. Kritiker sprechen von "Sucht per Post".

Marc Widmann

Es soll eine "glückliche Verbindung" werden, so haben es zumindest die Werbeleute genannt. An diesem Mittwoch präsentiert die Deutsche Post ihren neuen E-Postbrief. Er soll einem Konzern aus der Not helfen, der immer weniger klassische Briefe aus Papier verschickt.

Bereits vor einigen Jahren boten verschiedene Lotto-Gesellschaften den Online-Tipp an. Doch seit 2008 schiebt der Glücksspielstaatsvertrag diesen Versuchen einen Riegel vor. (Foto: ag.ap)

Der E-Brief kostet ebenfalls Porto, dafür soll er sicherer sein als eine normale E-Mail. Und damit sich die neue Idee schnell verbreitet, hat die Post unter anderem Lotto Hessen als Partner gewonnen.

Ihre Tippscheine können die Hessen künftig am heimischen Computer ausfüllen. Sie müssen sich mit ihrem Personalausweis in der Postfiliale registrieren, dann können sie den Lottoschein - "sicher und bequem" - per E-Brief anfordern und mit Kreuzchen versehen zurückschicken. Eine ideale Ergänzung, jubeln Post und staatliche Lottogesellschaft. Es gibt da nur ein Problem.

"Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ist verboten." So steht es nicht irgendwo, sondern im Glücksspiel-Staatsvertrag. Weil den auch die Hessen unterschrieben haben, werden sie jetzt verklagt. Und zwar peinlicherweise nicht von irgendjemandem, sondern vom Fachbeirat Glücksspielsucht, den wiederum die Länder eingesetzt haben. Auch Hessen.

Die sieben Experten halten das hessische Experiment für äußerst riskant, weil es die Gefahr von Spielsucht erhöhe. Dank des E-Briefes müsse "ein Spielsuchtgefährdeter nur noch einmal seine gewohnte und sichere Umgebung verlassen", um sich anzumelden. Schon kann er regelmäßig am eigenen Computer tippen, allein. Dadurch werde "eine leichte Flucht aus der Realität ermöglicht", heißt es in der Klage. Der Kontakt zu Mittippern oder Lottoverkäufern entfalle, und damit entfallen auch Hemmschwellen.

Verfasst hat die Klage der Hannoveraner Jura-Professor Ulrich Haltern. Er hält es für illegal, dass das hessische Innenministerium diesen "offenkundigen Rechtsverstoß" genehmigt hat, ohne den Fachbeirat einzubeziehen. Auch die meisten anderen Länder wundern sich über die einsame Entscheidung in Wiesbaden.

Ein Grund könnte sein, dass es Lotto Hessen schon besser ging. Seit die privaten Anbieter im Internet, die auch Lottotipps vermittelten, verboten sind, sank der Umsatz schmerzhaft. Das Geld fehlt dem Staat, schließlich fließen die Lottogewinne an ihn. Er hält das Monopol auf Glücksspiele, weil er angeblich die Spielsucht am besten bekämpfen kann. Genau diese wackelige juristische Begründung aber, auf die sich das deutsche System stützt, setzten die Hessen mit ihrem "suchtanreizenden und verbotenen" E-Brief-Experiment nun aufs Spiel, sagt Fachbeirat-Mitglied Haltern.

Heinz-Georg Sundermann sieht das naturgemäß ziemlich anders. Den Chef der hessischen Lottogesellschaft überrascht die Klage. "Ich halte es für völlig ausgeschlossen, dass durch unser Angebot eine erhöhte Suchtgefahr entsteht", sagt er. Schließlich werde das Tippen per E-Brief zwischen 23 und 6 Uhr in der Nacht gesperrt. Jede Woche dürften nicht mehr als 250 Euro gesetzt werden. Und überhaupt handele es sich doch nur um eine kleine Änderung am bisherigen Verschicken der Tippscheine auf Papier.

250 Euro in der Woche? Die Mitglieder des Fachbeirats müssen nicht lange rechnen, um festzustellen, dass jeder Hesse künftig also 1000 Euro pro Monat am heimischen PC verspielen darf. Das "entspricht einer für die Zielgruppe existenzbedrohenden Summe", urteilen sie. Und sind froh, dass sich nun ein Gericht um den Fall kümmert.

© SZ vom 21.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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