Ohrhörer im Test:Stöpsel-Quintett

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Wir testen fünf Kopfhörer - sportliche, schicke und sündhaft teure. Und stolpern dabei über grüne Rebellen, Bandwürmer mit Überdruck, Soundakrobaten aus Hollywood und eine echte Anschaffung fürs Leben.

Der Sommer kommt zurück. Endlich wieder joggen wir durch den Park und Radeln zur Arbeit. Der MP3-Player muss mit ins urbane Gefecht. Da uns die mitgelieferten Stöpsel nicht überzeugen, testen wir fünf Alternativen.

Kein Basswunder, erhöht aber die Überlebenschancen im Großstadtdschungel: Der Sennheiser Sport-Hörer. (Foto: Foto: Sennheiser)

Rebell aus Wennebostel

Weiß ist in. Kleiner Haken: Nach 100 Millionen verkauften iPods fallen die Apple-Ohrstöpsel nicht mehr auf. Vor allem, weil MP3-Player der unteren Preisklasse auf den Schneeweiß-Zug aufgesprungen sind. Sennheiser macht da nicht mit - und färbt seine komplette Sportlinie laubfroschgrün ein. Sennheiser? Laubfroschgrün? Bisher erinnerte uns die 1945 als "Laboratorium Wennebostel" in Wedemark-Wennebostel bei Hannover gegründete Marke vor allem an tellergroße Ohrwärmer und Sprechgarnituren für Lufthansapiloten. Das alles natürlich in schwarz.

Beim Auspacken des OMX 70 Sport wehrt sich das beinahe neongrüne Kabel, ich muss es umständlich aufdröseln. Die Hörkapseln hängen an Plastikbügeln, die ich mir hinter die Ohren klemme. Das soll für sicheren Sitz beim Sport sorgen. Vor allem beim Radeln waren mir die Originalhörer von Apple doch öfter aus der Hörmuschel gefallen.

Also rauf aufs Bike, Playliste los. Erster Eindruck: Der Sport-Sennheiser musiziert ordentlich. Differenzierter und klarer als das Apple-Original, was bei "I Bet You Look Good on the Dancefloor" von den Arctic Monkeys deutlich wird. Seine Vorteile beim Bass kann der Sennheiser allerdings nicht ausspielen. Denn die Sportbügel halten die gesamte Konstruktion zwar hinterm Ohr fest, gleichzeitig aber die Hörkapseln davon ab, den Gehörgang zu verschließen - was dem Bassdruck zugute kommen würde. Schlechte Karten also für Fans von Hip-Hop und R'n'B.

Als Radfahrer aber freue ich mich. Denn der Verkehrslärm kann am Ohrhörer vorbei bis in mein Hörzentrum dringen - was meinen Überlebenschancen im Großstadtverkehr zuträglich ist.

Nichts für kleine Ohren

Im Englischen Garten starte ich den Gruppenakzeptanztest. Eine stilbewusste Freundin ist von der Sennheiser-Farbsprache gleichermaßen fasziniert wie angeekelt. Beim Anprobieren stellt sie fest: "Meine Ohren sind zu klein." Zwar lassen sich die Bügel in der Höhe verstellen, sind aber offensichtlich nur für genormte Durchschnittsorgane geeignet.

Eins macht dem Sennheiser aber so schnell keiner nach: Aus der anonymen Masse der konformistischen Weißhörer steche ich in der U-Bahn, beim Joggen und Radeln endlich wieder heraus - wie vor fünf Jahren der iPod der ersten Generation. Danke, Laboratorium Wennebostel.

Sennheiser OMX 70 Sport, ca. 45 Euro

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Das Häuten der Zwiebel

Die Apple-Kopfhörer erinnern in der Formensprache an zweierlei. Nämlich daran, dass die Erde rund ist, und zweitens, dass es auf der Erde etwa 3500 verschiedene Bandwurmarten gibt. (Foto: Foto: Apple)

Die Verpackung schaut gut aus, wie sie so daliegt: Weiß, rein und erinnert an ein Parfum von Calvin Klein. Bis man sich an die Kopfhörer aber vorgearbeitet und alle Plastikhindernisse überwunden hat, dauert es seine Zeit. Die Dose, die gleichzeitig als Aufbewahrungsbox und Kabeltrommel dient, beginnt ab der zweiten Nutzung unsäglich zu quietschen - nicht für empfindliche Gänsehäute geeignet.

Die Kopfhörer - Biologie der Sinne

Bionik ist ja zum Schlagwort geworden, wenn es darum geht, Erfindungen von Mutter Natur in Technik zu gießen. So entsteht drollig geformtes, wie etwa das Kunsthaus Graz, auch "Friendly Alien" genannt, oder der neue Tragflügler von Boeing mit Spitznamen "Rochen". Diese Kopfhörer erinnern in der Formensprache an zweierlei. Nämlich daran, dass die Erde rund ist, und zweitens, dass es auf der Erde etwa 3500 verschiedene Bandwurmarten gibt. Apple hat dieser enormen Vielfalt nun eine weitere Spezies hinzugefügt - eine, mit der man ganz formidabel Musik hören kann.

Die Anwendung - erfordert Geduld

Bis man den richtigen "Fit" seiner eigenen Anatomie und der der Kopfhörer gefunden hat, dauert es eine Weile. Intuitiv steckt man sich die Dinger so ins Ohr, dass in der Eustachischen Röhre ein Überdruck entsteht, der von selbst nicht mehr weicht. Also lockern. Doch dann hat man wieder das Gefühl, die Knöpfe könnten jeden Moment herausfallen - tun sie aber nicht. Eine labbrige Plastikummantelung der Lautsprecher verhindert das Herausrutschen.

Die Musikvermittlung

Nicht zu viel Bass, keine schrillen Höhen - der Klang ist rund - und dank der flexiblen und glatten Lautsprecherummantelung auch angenehm spürbar. Hintergrundgeräusche werden nicht total ausgeblendet - meint man. Dass das Telefon auf dem Schreibtisch klingelte, bemerkte der Tester nur an der wie wild und rot blinkenden Lampe. So schalldicht nach außen sind sie dann schon. Also Vorsicht beim Überqueren der Straße.

Apple iPod In-Ear Headphones, ca. 40 Euro

Nächste Seite: Der Hollywood-Faktor. Warum es wenig zum Fummeln gibt, Brad Pitt sich nicht lumpen lässt und es trotzdem keine Garantie für Gott gibt: die "Vibe Red Roxx" von V-Moda, designed in Hollywood.

Der Brad Pitt unter den Kopfhörern

Die Verpackung sagt: "Designed in Hollywood." Was soll jetzt noch schiefgehen? Die In-Ear-Kopfhörer namens "Vibe Red Roxx" von V-Moda müssen einfach toll sein. Zumindest designtechnisch können die Kalifornier schon einmal punkten. Wer fragt da nach Qualität und Tragekomfort?

Der rot-schwarze Look dieser Kopfhörer ist in jedem Fall eine gelungene Abwechslung zum allseits beliebten Apple-Weiß. Außerdem soll es ja Menschen geben, die einen iPod in der Farbe Schwarz besitzen und denen die mitgelieferten weißen Kopfhörer schon länger ein Dorn im Auge waren. In diesem Fall schaffen die "Vibe Red Roxx" Abhilfe und harmonieren perfekt mit dem Hochglanz-Schwarz des MP3-Players. Zum Fummeln gibt es hier auch eher wenig. Der beiliegende "Wrap Cable Manager" verhindert ein nerviges Verheddern des Kopfhörerkabels.

Doch der Brad Pitt unter den In-Ear-Kopfhörern lässt sich nicht lumpen und setzt styletechnisch noch eins drauf: Ein goldenes Aufbewahrungstäschchen. Der Metallic-Look lässt grüßen und beschert einen hohen Neidfaktor. Außerdem hat das Täschchen zufällig den identisch-güldenen Farbton wie Schuhe und Gürtel der Testperson. Wen interessieren nun noch Klang und Passform?

Soundtechnisch hat der Hollywood-Export wenig zu bieten. Ein ordentlicher Bass ist hier Fehlanzeige. Der Klang ist alles andere als rein und erinnert eher an ein Küchenradio als an ein Dolby-Surround-System. Beim Tragekomfort wünschen wir uns ebenfalls Nachbesserung. Mit sechs Paar Abschlussstöpsel in drei verschiedenen Größen und zwei verschiedenen Farben ist man bei V-Moda um die perfekte Passform bemüht. Doch im Ohr sind die Kopfhörer in keiner Größe angenehm zu tragen. Zum einen reichen sie zu weit in den Gehörgang hinein. Zum anderen verursachen sie einen unangenehmen Juckreiz im Ohr.

Das mit der Garantie ist auch so eine Sache: "This warranty does not cover cosmetic damage or acts of god." Da hilft nur noch beten, dass V-Moda möglichst schnell Sound und Tragekomfort verbessert, denn das "High-End" dieser Kopfhörer bezieht sich in diesem Fall ausschließlich auf den Preis und das Aussehen. Typisch Hollywood.

V-Moda Vibe Red Roxx, ca. 100 Euro

Nächste Seite: Das Jojo mit Gummi. Der neue Kopfhörer von Sony ist das perfekte Gimmick für wurstelige Gesellen.

Die joggende Hindu-Kuh

Das Ding sieht aus wie ein Jojo - ein silberner Kreisel, aus dem eine Schnur ragt und zum Spielen verführt. Die ersten Gedanken: Das soll ein Kopfhörer sein? Und wo sind die Kopfhörer überhaupt? Dann die Entdeckung: Die beiden Mini-Stöpsel, die da aus dem Jojo baumeln, sind die Dinger, die man sich in die Ohren stecken soll. Der Clou am Sony Kopfhörer ist, dass die Schnur sich selbst aufwickelt, wenn man sie nicht mehr braucht.

Es funktioniert denkbar einfach. Das eine Ende wird mit dem MP3-Player verbunden, das Gehäuse wird einfach in die Hosentasche gesteckt oder per Clip befestigt. Dann zieht man die Kopfhörer so weit heraus wie man möchte und schon kann es losgehen. Der große Vorteil ist, dass sich beim Joggen die Kabel niemals verheddern oder Knoten bilden. Nach dem Gebrauch nämlich drückt man auf einen kleinen Knof und die Kabel verschwinden wieder im Gehäuse. Perfekt für wurstelige Gesellen, die sich gerne beim Musikhören strangulieren, die Kabel aufreiben, bis Drähte zu sehen sind oder die Schnur durch eine Ansammlung von Seemannsknoten verkürzen.

Die Kopfhörer selbst sind winzig und haben jeweils einen kleinen Gummi an der Spitze, der sofort den Gehörgang belagert. Es ist ein angenemes Gefühl, weil keine Plastik- oder gar Eisenteile an der Ohrmuschel wetzen.

Dieses System sorgt für einen tollen Sound, es ensteht gar ein Dolby-Surround-Gefühl. Allerdings bekommt man auch nichts mehr mit, was um einen herum passiert. Würde jemand um Hilfe schreien, joggt der Träger der Sony-Kopfhörer weiter wie eine Hindu-Kuh. Aber gut, Kopfhörer sind zum Hören da und nicht, um noch was von seiner Umwelt mitzubekommen.

Der Neidfaktor ist groß, wenn man mit Freunden joggt und am Ende kurz auf den Knopf drückt, um die Schnur einzufahren, während die Kollegen noch fluchend versuchen, alle Knoten zu lösen und den MP3-Player dann so in der Tasche verstauen, dass sich keine neuen bilden - was bekanntermaßen unmöglich ist.

Der Sony-Kophörer ist ein Gerät für Menschen, die die Welt um sich vergessen möchten, während sie Musik hören - und die keine Lust mehr haben, Knoten zu lösen und ständig herumzuwursteln.

Sony MDR-KX70LWW, ca. 50 Euro

Nächste Seite: Dürfen 450-Euro-Kopfhörer nur in der Schweiz oder in Japan hergestellt werden? Über den Unterschied zwischen Augen- und Ohrenmenschen.

Für die inneren Werte

Ein sehnlich erwartetes Paket erreicht die Redaktion - ein 450 Euro teures Produkt darf man nicht alle Tage ausprobieren. Zum Vorschein kommt eine schwarze Metallbox. In der schwarzen Box eine zweiter, alufarbener Würfel. Darin eine Pappschachtel. Noch einmal aufklappen und die Aufregung ist wie weggeblasen, wütende Enttäuschung macht sich breit. Darauf haben unsere Ohren sich eine ganz Woche gefreut, wir gestern vor lauter Vorfreude kaum geschlafen? Die High-End-Kopfhörer von Shure sehen skandalös nach Nepp aus. Schwarzes und braunes Plastik beleidigt unser Auge, darüber können auch die vergoldeten Klinkenstecker nicht hinwegtrösten.

Die mitgelieferte Auswahl an Verlängerungskabeln und Adaptern macht es auch nicht besser, erinnert vielmehr fatal an die Ein-Euro-Läden, in denen wir früher eben diese Adapter kauften. "Made in China" prangt auf der Verpackung. War ja irgendwie doch klar. Und wir hatten noch dran geglaubt, dass 450-Euro-Kopfhörer nur in der Schweiz und in Japan hergestellt werden dürfen.

Das als "Premium-Aufbewahrungsetui" angekündigte Zubehör entpuppt sich als unscheinbares Nylonkästchen. Hinweis im Handbuch: "Das Etui ist nur für die Aufbewahrung der SE530-Ohrhörer vorgesehen." Danke, aber auf die Idee, irgendetwas Hübsches darin zu verpacken, wären wir sowieso nicht gekommen.

Warum also gibt jemand so viel Geld für ein paar Ohrhörer aus, die sich rein äußerlich nicht im Geringsten von zehn mal billigeren Stöpseln abheben? Es muss irgendetwas mit dem Klang zu tun haben. Wir erinnern uns an die altmodisch aufgemachte Audio-Fachzeitschrift, die uns neulich in die Hände fiel. Lautsprecherkabel für 100 Steine pro Meter preist die Redaktion als Schnäppchen an. 3-Wege-Standboxen für 7880 Euro das Paar, der neueste Streich einer Marke mit "gewohnt gutem Preis-/Leistungsverhältnis". Es muss also Menschen geben, keine reinen Augenmenschen wie wir, die für maximalen Musikgenuss soviel ausgeben wie andere für Auto, Wohnungseinrichtung und Jahresurlaub zusammen.

Für diese Menschen: Die Shure haben drei Balanced-Armature-Treiber, einen dedizierten Hochtöner und zwei Tieftöner. Passive Frequenzweichen sorgen für eine klare Separierung zwischen hohen und tiefen Frequenzen. Die Ohrhörer stoppen Außengeräusche, über ein mitgeliefertes Mikro kann man "durchhören".

Für alle anderen: Beim Klang der Shure-Kopfhörer bleibt einem die Spucke weg. Daran gewöhnt man sich innerhalb einer halben Stunde, während man sich mit dem Billig-Design nie so richtig abfinden kann.

Shure SE 530 PTH, ca. 450 Euro

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