"Offen und glaubwürdig":Blogs statt Prospekte

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Weil die persönliche Meinung von Studenten die beste Werbung ist, haben einige Universitäten Blogs als Werbe-Medium für die MySpace-Generation entdeckt: Die persönliche Erfahrung anderer ist für viele Bewerber Entscheidungshilfe.

Die ständigen Strafzettel wegen Falschparkens regen Michael Chandler auf. "Ich schwöre, damit macht die BSU das meiste Geld", schreibt er in seinem Blog. "Sie verteilen sie rechts und links, das ist denen völlig egal." Die BSU, das ist die Universität Ball in Muncie im US-Staat Indiana, an der Chandler studiert.

(Foto: Screenshot: sde)

Die Hochschule ist aber keineswegs verärgert über die freimütige Meinungsäußerung. Ganz im Gegenteil. Die BSU hat dieses und andere Blogs ihrer Studenten auf ihrer Homepage eingebaut, um Werbung für sich zu machen. Wie die BSU setzt eine zunehmende Zahl von US-Hochschulen die Blogs ihrer Studenten ein, um Ausstehenden und vor allem denjenigen, die an einem Studium interessiert sind, einen Einblick in ihr Innenleben zu gewähren.

Einige Universitäten sind sogar dazu übergegangen, die Studenten für ihre Blogbeiträge zu bezahlen. Die Ergebnisse sind recht unterschiedlich, sie reichen von ziemlich langweilig bis höchst interessant. Das Ziel ist aber immer das gleiche: es gilt die Aufmerksamkeit der MySpace-Generation zu gewinnen.

"Wir fanden, dass es offener und glaubwürdiger ist, um angehenden Studenten einen Einblick in das Campus-Leben zu geben", sagt auch Seth Allen, Leiter des Zulassungsamtes am Dickinson College in Pennsylvania. Während dort die Blog-Einträge der Studenten geprüft werden, bevor sie online gehen, hält man bei der BSU wenig von Kontrolle.

Das laufe dem Prinzip zuwider und Interessierte könnten eventuell feststellen, dass es Widersprüche zwischen den Äußerungen der Studenten auf der Website und anderen Kommentaren in Netzwerkseiten wie MySpace oder Facebook gebe, sagt Nancy Prater, die Webkoordinatorin der Universität Ball.

Die Blogs seien der nächste Schritt in der Entwicklung der Studenten-Werbung, erklärt Barmak Nassirian von der Vereinigung der Mitarbeiter der Immatrikulations- und Zulassungsstellen. Nach den dicken Hochglanzbroschüren, den mit Informationen vollgepackten Websites seien die relativ unzensierten Blogs der nächste Schritt, um das Leben an der Uni in allen seinen Aspekten zu zeigen, von der Kletterwand im Sportzentrum bis zum Essen in der Mensa, sagt Nassirian.

"Die besten sind gut geschrieben, ehrlich, echte Stimmen, hinter denen man eine Persönlichkeit erkennt, und sie sind interaktiv", erklärt Stephanie Geyer von der Consulting-Firma Noel-Levitz. "Wenn man als Leser anfragt, bekommt man auch eine Antwort." Die Kommentarmöglichkeit für Außenstehende war dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) besonders wichtig.

So könnten angehende Studenten Fragen stellen, die sie sonst vielleicht nicht stellen würden, sagt Ben Jones, Sprecher des Zulassungsamtes beim MIT. Er schätzt, dass es unter den insgesamt mehr als 28.000 Blog-Eintragungen bislang nur 50 Kommentare gab, die als unangemessen eingestuft und gelöscht wurden.

Beim MIT bloggten vor drei Jahren drei Studenten, heute sind es 15. Eine Bezahlung gab es zuerst nicht, aus Furcht, dass das einen falschen Eindruck erwecken könnte. Das änderte sich aber, als Jones sah, wie viel Arbeit die Studenten da hinein steckten und dass sie sowohl das Gute als auch die negativen Seiten nannten. Jetzt bekommen die Studenten-Blogger bis zu 40 Dollar die Woche.

Untersuchungen von Noel-Levitz zufolge gehören Studenten-Blogs zu den wichtigsten Dingen, für die sich angehende Studenten auf den College-Websites interessieren. Die MIT-Blogger verzeichnen 15.000 bis 20.000 Aufrufe pro Tag von etwa 5.000 Besuchern. Bei den Studenten, die zugelassen wurden, gehörten die Blogs zu den drei wichtigsten Gründen, die ihre Entscheidung für eine bestimmte Hochschule beeinflusst haben.

© Andrew Welsh-Huggins - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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