Neue Lifestream-Dienste:Freunde fürs Leben

Lesezeit: 2 min

Lifestream-Dienste fassen alles zusammen, was der Nutzer im Web 2.0 treibt. Viele finden das praktisch, Datenschützer schlagen Alarm.

Ben Schwan

Wir leben im Zeitalter der nutzergenerierten Inhalte. Bloggen auf der eigenen Homepage, das Hochladen von Filmen und Fotos bei YouTube oder Flickr, die aktive Teilnahme an sozialen Netzwerken wie Facebook oder MySpace - all das ist auch in Deutschland inzwischen längst zum Massenphänomen geworden. Bislang lassen sich die dabei anfallenden Informationen allerdings noch nicht besonders leicht einzelnen Nutzern zuordnen: Suchmaschinen wie Google sind eher schlecht darin, Daten aus Web 2.0-Diensten zu übernehmen und zu Profilen zusammen zu tragen, auf denen man nachlesen könnte, was Nutzer im "Mitmachnetz" so alles treiben. Neue Dienste ändern das nun.

Ganz einfach Nutzer sammeln bei friendfeed.com (Foto: Screenshot: friendfeed.com)

Sie nennen sich soziale Aggregatoren oder auch Lifestream-Dienste und sammeln die vom User bei seinen Multimediatouren durchs Netz hinterlassenen Spuren - ihren Online-Lebensstrom, sozusagen. All diese Daten werden dann übersichtlich auf einer eigenen, nutzerbezogenen Homepage platziert. "Wir erlauben es Dir, mit den Web-Seiten, Fotos, Videos und der Musik auf dem neuesten Stand zu bleiben, die Deine Freunde und Deine Familie mit der Welt teilen", heißt es in der Selbstbeschreibung des besonders populären Aggregators "Friendfeed".

Mitgemacht wird dabei freiwillig: Die User melden sich mit ihren eigenen Daten und Passwörtern an, damit der Lifestream-Dienst Zugriff auf die eigenen Informationen bei Drittangeboten erhält. Bei einem besonders aktiven Web 2.0-Freund kann man dann auf nur einer einzigen Seite sehen, dass er um 12 Uhr im Kommunikationsdienst Twitter über die Hitzewallungen seines Laptops im Straßencafe meckert, eine Stunde später ein Foto einer besonders schönen Taube bei Flickr einstellt und zum Abschluss des Arbeitstages eine Videokolumne bei YouTube platziert und vielleicht vor dem zu Bett gehen noch etwas bloggt.

So praktisch und gut lesbar das alles ist - Friendfeed stammt etwa von ehemaligen Google-Mitarbeitern und ist enorm einfach bedienbar - was dabei herauskommt, könnte sich in den nächsten Jahren zum nächsten großen Datenschützer-Albtraum nach dem Ärger um den Schutz der Privatsphäre in sozialen Netzwerken wie StudiVZ entwickeln.

Denn: Breite Profile einzelner Menschen entstehen so automatisch, auf die mit wenigen Klicks auch böswillige Personen Zugriff erhalten. Die zusammengestellten Online-Leben können bequem ergoogelt werden, wenn man Nutzer- oder Spitznamen kennt. Bei Friendfeed werden inzwischen Informationen von A wie Amazon bis Y wie YouTube erfasst - inklusive Google-Diensten wie Google Reader, sozialen Netzwerken wie LinkedIn und Favoritensammelstellen wie Digg.com.

Von über 40 externe Angeboten bezieht der mit reichlich Risikokapital finanzierte kalifornische Dienst bislang Daten, regelmäßig kommen neue hinzu. Das funktioniert auch deshalb so gut, weil kaum ein Web 2.0-Angebot heutzutage mehr ohne Schnittstellen nach außen auskommt, über die sich Daten leicht exportieren und in andere Dienste integrieren lassen.

Natürlich bestimmt auch bei FriendFeed & Co. allein der Nutzer, welche Daten er mit anderen teilt. Auch lässt sich einstellen, wie groß der Informationsumfang tatsächlich sein soll. Das Problem dabei: Manche User melden sich einmal bei einem solchen Dienst an und vergessen dann, dass er einfach weiterläuft. Auch sorgt die Zentralisierung der Daten dafür, dass erstmals echte Profile an zentraler Stelle entstehen: Bedeutet ein einzelnes Foto bei Flickr nicht viel, kann es in Kombination mit bei Twitter hinterlassenen Statusbotschaften beispielsweise bei Identitätsdiebstahl hilfreich sein.

Eine weitere, möglicherweise problematische Funktion bei FriendFeed nennt sich "Imaginary Friends" - ausgedachte Freunde. Dabei werden Daten von Nutzern angezeigt, die noch gar keinen FriendFeed-Zugang besitzen. Das Unternehmen betätigt sich hier als Suchmaschine über diverse soziale Web-Dienste und trägt dann ein Profil öffentlich zugänglicher Informationen zusammen. Es reicht, die entsprechenden Nutzernamen zu kennen.

Die Daten sind auch hier sowieso längst verfügbar, doch Friendfeed macht das Zusammentragen wesentlich leichter. Der Internet-Kolumnist Paul Boutin riet in einem augenzwinkernden Beitrag im Magazin "Slate" denn auch neulich, dass sich besorgte Eltern der Funktion bedienen sollten, um den Überblick bei den Online-Aktivitäten ihrer Kinder nicht zu verlieren.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: