MP3-Klage:Profit aus Patenten

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Microsoft entgeht einer Milliardenstrafe. Der Konzern hat nach Meinung eines US-Gerichts keine MP3-Schutzrechte veletzt. Offen bleibt, wer als Nächstes versucht, Profit aus Patenten zu schlagen.

Thorsten Riedl

Fünfzehn Monate hat der Vater des MP3-Formats in den Vereinigten Staaten gearbeitet - von April 1989 bis Juni 1990. Eine Zeit, die dem Softwarehaus Microsoft nun eine Menge Geld spart. Karlheinz Brandenburg gilt als eine der treibenden Kräfte bei der Entwicklung des digitalen Musikformats MP3. Weil er Ende der achtziger Jahre in den Laboren der US-Telefongesellschaft AT&T an diesem Format gearbeitet habe, stünden der Nachfolgegesellschaft Alcatel-Lucent nicht die alleinigen Rechte an MP3-Patenten zu, urteilte ein US-Richter am Montagabend.

Patricia Russo, CEO von Alcatel-Lucent. Der französische Konzern hatte Microsoft wegen Patentverletzungen verklagt. (Foto: Foto: AFP)

Die Fraunhofer-Gesellschaft, bei der Brandenburg jetzt arbeitet, sei ebenso Eigentümerin der strittigen Rechte. Eine Strafe gegen Microsoft in Höhe von 1,52 Milliarden Dollar wegen Verletzung dieser MP3-Schutzrechte ist nichtig. Offen bleibt, wer als Nächstes versucht, Profit aus Patenten an der MP3-Technologie zu schlagen.

MPEG-1 Audio Layer 3: Um diese Technologie dreht sich der Streit zwischen Alcatel-Lucent und Microsoft - besser bekannt ist das Verfahren unter seiner Abkürzung MP3, das Musik in digitaler Form computerlesbar macht. Zwei Patente des MP3-Verfahrens soll das weltweit größte Softwarehaus Microsoft verletzt haben, lautete der Vorwurf von Alcatel-Lucent, des französischen Ausrüsters von Telefonnetzen.

Höchste Zahlung in einem Patentstreit

Ende Februar 2007 bekannte deshalb eine Jury des Bezirksgerichts in San Diego Microsoft für schuldig und legte die Strafe auf 1,52 Milliarden Dollar fest - die bis dato höchste Zahlung in einem Patentstreit. Richter Rudi Brewster, der mit der Sache betraut war, hob die Entscheidung nun auf.

Fünf Jahre hatten sich Alcatel-Lucent und Microsoft in dieser Sache bekämpft. In den Bell-Labs, den Entwicklungslaboren der Telefongesellschaft AT&T, entstanden 1989 Basistechnologien für das MP3-Format - unter Mitwirkung des Deutschen Karlheinz Brandenburg. Die Eigentümer der Bell Labs haben in den Jahren häufig gewechselt. Inzwischen sieht sich Netzausrüster Alcatel-Lucent als rechtmäßiger Nachfolger des Entwicklungslabors und damit als Inhaber der MP3-Rechte.

Der 53-Jährige Brandenburg, heute Direktor des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie und Lehrstuhlinhaber an der Technischen Universität in Ilmenau, hat die MP3-Technik nicht alleine erfunden, war aber maßgeblich daran beteiligt. Ende der achtziger Jahre einigten sich Bell Labs und das Fraunhofer-Institut, sich die Rechte an der MP3-Technologie zu teilen. Eine Vereinbarung, die bis heute nicht aufgehoben sei, urteilte Richter Brewster. Alcatel-Lucent könne also nur zusammen mit dem Fraunhofer-Institut die Rechtsverletzung beklagen.

Das Urteil fällte der US-Richter, nachdem Microsoft einen neuen Prozess oder eine drastische Reduzierung der Strafe gefordert hatte. Das Softwarehaus berief sich dabei darauf, dass das Unternehmen die MP3-Technologie bereits bei der Fraunhofer-Gesellschaft für 16 Millionen Dollar ordnungsgemäß lizensiert habe.

Microsoft setzt die Technik im Medienspieler des Betriebssystems Windows ein, außerdem in dem bislang recht erfolglosen MP3-Spieler Zune. Die Zahlung einer Strafe in Höhe von 1,52 Milliarden Dollar sei unverhältnismäßig, argumentierten die Anwälte aus Redmond weiter. Zudem hätte die Jury Vorurteile "gegen Microsoft als ein hochrentables Unternehmen" gehabt.

Nach dem Urteil war bei Microsoft erwartungsgemäß die Freude groß. "Das heutige Urteil ist ein Sieg für die Konsumenten von digitaler Musik und ein Triumph des gesunden Menschenverstandes im Patentwesen", erklärte Brad Smith, Chefanwalt von Microsoft.

Für die anderen Unternehmen der Branche, die ebenfalls ihre MP3-Technologie beim Fraunhofer-Institut lizenziert hätten, sei durch den Schiedsspruch mehr Rechtssicherheit geschaffen worden. Ein Sprecher von Alcatel-Lucent nannte den Richterspruch dagegen "schockierend". Der französische Konzern werde in Berufung gehen.

"Patentklagen scheinen zuzunehmen"

Branchenbeobachter wundert an dem Fall vor allem, dass die MP3-Technologie in dem komplexen Patentsystem der Vereinigten Staaten so lange ungeschoren blieb. "Die Patentklagen scheinen zuzunehmen in den USA, gerade im Bereich der Informationstechnologie", sagt Dietrich Kamlah, Anwalt für Patentrecht bei der Kanzlei Taylor Wessing in München. Eine ganze Industrie hat sich in den Vereinigten Staaten darauf spezialisiert, Techniken zu patentieren, dann Firmen zu suchen, die diese oder ähnliche verwenden, um sie dann zu verklagen. Patentjäger werden solche Unternehmen genant.

Ihr Geschäftsmodell: Sie spekulieren auf einen Vergleich oder eine Schadenersatzzahlung. So musste sich kürzlich der kanadische Hersteller RIM des E-Mail-Handys Blackberry gegen Klagen wehren, die im schlimmsten Fall zu einem Verkaufsstopp der Geräte auf dem US-Markt hätten führen können. Erst diese Woche meldeten Nachrichtendienste im Internet, dass auch gegen Apple eine Patentklage angestrengt werde - und auch hier mit einem Verkaufsverbot des Mobiltelefons iPhone gedroht wird.

Beim MP3-Verfahren gibt es noch eine Menge Ziele für Patentjäger. Allein die Seite mp3licensing.com, über die auch die Rechte der Fraunhofer-Institute gesichert werden, führt mehr als 400 Patente auf das MP3-Format auf. Für jedes verkaufte Abspielgerät von digitaler Musik werden 0,75 Euro fällig, ist dort etwa zu lesen. "Solange sich alle vernünftig verhalten, funktioniert das Modell", erklärt ein Experte. "Aber manche werden auch künftig versuchen, mehr Geld aus der Technik herauszuholen."

© SZ vom 8.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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