Mobilfunk:Technik ist da, Vertrauen fehlt

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Mobilfunkbetreiber basteln auf der Cebit an der bargeldlosen Zahlung per Handy. Die Handy-Rufnummer soll dabei zugleich als "Kontonummer" beim Zahldienst gelten. Allein, es fehlen dafür noch die Voraussetzungen - warum das Einkaufen mit Mobilfunk noch nicht funktioniert.

von Michael Lang

Vielleicht spielen sich bald ungewöhnliche Szenen an Deutschlands Kinokassen ab. Menschen tippen auf Handys herum, halten ihr Gerät kurz an einen Infrarotscanner und schon wird das Ticket ausgedruckt. Geld hat niemand mehr dabei, die Rechnung kommt später. So in etwa könnte es funktionieren, meinen Mobilfunkbetreiber auf der Cebit, denn technisch ist es durchaus machbar, künftig mit dem Mobiltelefon zu bezahlen, im Kino, im Kaufhaus, an der Tankstelle.

Allein, und das verschweigen die Netzbetreiber gern, es fehlen dafür noch die Voraussetzungen, dass das ähnlich einfach funktioniert wie mit Bargeld oder Kreditkarte. Denn bislang sind solche Geschäfte nur dann möglich , wenn Käufer und Verkäufer einen Vertrag mit demselben Netzanbieter haben. Dieser oder ein vom Anbieter beauftragter Zahldienst kümmern sich um den Geldtransfer. Die Handy-Rufnummer gilt dabei zugleich als "Kontonummer" beim Zahldienst.

Erste Versuche unter Realbedingungen laufen bereits. Interessant sind diese vor allem dort, wo Kunden vorwiegend Kleinstbeträge unter zehn Euro zahlen müssen. So testet Siemens in Wien den elektronischen Parkschein, der per SMS aufs Handy kommt. Politessen erkennen mit einem speziellen Gerät, ob die virtuelle Parkuhr, die mit dem Autokennzeichen gekoppelt ist, bereits abgelaufen ist. Aus Japan kommt eine andere Idee: Käufer sollen mit ihrer Handy-Kamera Strichcodes - etwa auf der Tageszeitung - abfotografieren und per MMS (Multimedia Messaging Service) an eine zentrale Abrechnungsstelle schicken.

"In Deutschland würden solche Insel-Lösungen nicht funktionieren", sagt Key Pousttchi, Experte für Mobiles Bezahlen an der Universität Augsburg. "Es gibt noch kein allgemein akzeptiertes Abrechnungsverfahren, das unabhängig vom Anbieter funktioniert." Dazu müssten entweder alle Mobilfunkanbieter untereinander abrechnen, oder das so genannte Clearing an einen Dritten übergeben, etwa an Banken.

Weil sich die Mobilfunkanbieter noch nicht auf einen Modus einigen konnten, können Kinogänger an der Kasse noch nicht mit dem Handy bezahlen. Eine solche Plattform, die speziell bei Kleinstbeträgen das Bezahlen regeln würde, sei den Providern unangenehm, vermutet Bettina Horster vom Verband der Deutschen Internetwirtschaft Eco. "Jedesmal wenn ich das Thema anspreche, erhalte ich keine Antwort."

Die Mobilfunkbetreiber können sich offenbar nur schwer damit anfreunden, Kompetenzen und damit auch einen Teil ihres Gewinns abzugeben. Vodafone, T-Mobile und zwei andere europäische Branchengrößen haben ihrerseits inzwischen das Unternehmen Simpay gegründet. "Simpay soll einmal nur die Kleinstbeträge abwickeln", sagt Heiko Witzke von Vodafone. "Alle Beträge über zehn Euro rechnen wir direkt ab, etwa wenn jemand in unserem Internetportal ein Flugticket kauft." Doch die Kunden könnten nur dann über Simpay bezahlen, wenn ihr Provider einen Vertrag mit dem Unternehmen abgeschlossen hat, erklärt Pousttchi. "Es ist wieder ein Insel-Lösung, wenn auch in anderem Sinne."

Nachdem lange Zeit von Simpay-Aktivitäten nichts zu hören war, meldete sich das Unternehmen zwar Ende Februar auf der Mobilfunkmesse in Cannes zurück. Anfang 2005, so verkündete Simpay-Chef Tim Jones, soll das neue Bezahlverfahren starten. Doch Pousttchi bleibt skeptisch. "Ich hatte in Cannes die Vorstandsvorsitzenden von Vodafone und T-Mobile zum Thema Mobile Payment befragt. Keiner erwähnte Simpay mit einem Wort."

Grenze bei 10 Euro

Es bleibt die Frage, ob die Kunden dem Thema Mobiles Bezahlen generell offen gegenüberstehen. Pousttchi hat gerade eine Studie über Mobiles Bezahlen veröffentlicht, in der er mehr als 8000 Fragebögen ausgewertet hat. Eines der Ergebnisse: Der überwiegende Teil der Befragten vertraut in Geldangelegenheiten zuerst seiner Bank, und dort möchte er auch die größeren Beträge seiner Handy-Geschäfte abgerechnet sehen. Die Mobilfunkanbieter genießen bei der Mehrzahl so viel Vertrauen, dass sie Beträge unter zehn Euro verwalten dürften. Über die Kreditkarte möchten, je nach Szenario, 14 bis 20 Prozent der Befragten abrechnen.

Spezialisierte Dienstleister - wie Simpay - sind nicht populär. "Ein Verfahren wird sich nur durchsetzen, wenn es auch leicht zu bedienen ist", sagt Pousttchi. Das EU-Projekt "Semops" wäre da ein Kandidat. Semops ("Secure Mobile Payment Service") soll ein mobiles, europaweit gültiges Bezahlsystem entwickeln, unabhängig vom Mobilfunkbetreiber. Und so soll es funktionieren: An der Kasse tippt der Verkäufer den Betrag ein und übermittelt die Rechnung über Infrarot oder Kurzfunk (Bluetooth) an das Handy. Der Kunde überprüft die Daten, schickt die Zahlungsanweisung per Knopfdruck an seine Bank oder seinen Provider - beides ist beim Semops-Verfahren möglich. Bezahlt wird dann via Konto oder Handy-Rechnung. Gibt die Zahlstelle grünes Licht, erhält der Verkäufer eine Nachricht.

Semops-Entwickler arbeiten derzeit an einem allgemein gültigen Standard, der die reibungslose Kommunikation mit den Banken sicherstellt. Interessanterweise stehen hinter Semops nicht nur Geldinstitute und Handy-Hersteller wie Motorola, sondern auch Vodafone.

© SZ vom 18.03.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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