Microsoft: Rückzug von Bill Gates:Das Erbe des Visionärs

Lesezeit: 2 min

Mit dem Rückzug von Bill Gates verliert Microsoft den Vordenker. Aber es gibt Hoffnung: Worauf die neuen Strategen setzen.

Thorsten Riedl

Abends nach Hause kommen, den Fernseher anschalten und E-Mails lesen. Was kann es Schöneres geben, als so entspannt mit dem TV im Internet zu surfen? "Ein großartiger Meilenstein für's Fernsehen", schwärmte Microsoft-Chef Bill Gates schon vor zehn Jahren. Damals stand er auf der Bühne der Unterhaltungsmesse CES in Las Vegas und zeigte seine Ideen von der TV-Zukunft - das Internet-E-Mail-Fernsehen. Noch heute ist davon die Rede, doch brauchbare Produkte gibt es keine.

Lange Zeit hat Bill Gates bestimmt, wo die Reise des Microsoft-Konzerns hingeht - nun sind andere Strategen an der Reihe. (Foto: Foto: ap)

Nicht alle Ideen von Bill Gates haben es in die Realität geschafft. Das ändert aber nichts daran, dass der heute 52-Jährige einer der wichtigsten Vordenker für die Informationstechnologie (IT)-Industrie war und ist. Bis Anfang 2000 führte er das vom ihm mitgegründete Softwarehaus. Seither steht sein Kompagnon Steve Ballmer an der Spitze. Gates schlüpfte damals in die Rolle des Visionärs, als Chief Software Architect, als Hauptverantwortlicher für die Strategie von Microsoft. Künftig geben nun andere die Richtung des Konzerns vor.

Ein Wort aus der Chefetage von Microsoft hat schon wegen der Position des Unternehmens Gewicht: In den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres, das im Juni endet, hat der Softwarekonzern 44,6 Milliarden Dollar erlöst - so viel wie kein anderes Unternehmen in der Softwarebranche. Microsoft zählt weltweit 640.000 Firmen zu seinen Partnern, fast 15 Millionen Arbeitsplätze gibt es in diesem Umfeld. Bei Microsoft selbst kommt das Geld durch das Betriebssystem Windows und die Bürosoftware Office. In Bereichen wie im Internet oder bei den Xbox-Spielkonsolen führen andere - und verdienen mehr.

Nicht zimperlich mit der Konkurrenz

Mit Konkurrenten ist Gates nie zimperlich umgegangen. Mitte der 90er Jahre verschenkte er den Internet Explorer, ein Programm zum Surfen im Netz, zusammen mit Windows. Dem Rivalen Netscape entzog er so die Lebensgrundlage. Informationen, die andere Softwarehäuser hätten nutzen können, um ihre Programme an Windows anzupassen, hielt er unter Verschluss. Die Wettbewerber Sun Microsystems und Novell mussten ihre Softwarestrategie daher ändern und verschenken nun ihre Produkte zum Teil.

Auch Adobe und Real Media hatte Gates im Visier. Funktionen, mit denen diese Firmen ihr Geld machen, sollten in Windows integriert werden. Nun schritten die Wettbewerbsbehörden ein. Wegen des Missbrauchs der Marktmacht, und weil der Konzern Auflagen nicht schnell genug befolgte, verlangten die europäischen Behörden bislang Strafgelder in Höhe von 1,7 Milliarden Euro - so viel wie von keinem Unternehmen zuvor. Auch bei den US-Wettbewerbsbehörden steht Microsoft unter Aufsicht.

Auf Ozzie ruht die Hoffnung

Die größte Gefahr für Microsoft aber könnte ein kleines, bislang unbekanntes Unternehmen werden, sagte Gates, ebenso schon vor zehn Jahren, bei seiner Rede in Las Vegas. "Jemand, der von den Milliarden an Wagniskapital profitiert, die es gerade gibt." Ein halbes Jahr nach dieser Ansprache ging eine Webseite online, die heute die Bedrohung schlechthin für Microsoft darstellt: Google.

Um sich gegen Google zu wappnen, wollte Microsoft zuletzt das Internetportal Yahoo übernehmen. Trotz eines Kaufangebotes von 47,5 Milliarden Dollar lehnte der Webpionier ab. Diese Strategie stammt schon nicht mehr von Gates. Craig Mundie und Ray Ozzie haben die Vordenkerrolle des Firmengründers inzwischen übernommen. Auf Ozzie ruhen die Hoffnung: Er gilt als ähnlich visionär wie Gates. Vor drei Jahren kam er durch eine Übernahme zu Microsoft. Schon in den 80er Jahren entwickelte Ozzie eine Bürosoftware, ideal zum Gebrauch über das Web. Microsoft arbeitet daran noch heute. "Alles, was wir tun, sollte sich im Internet wiederfinden", fordert Ozzie.

Sollte er mit seiner Vision daneben liegen, hat sein Vorgänger Trost: "Wir überschätzen immer den Wandel der nächsten zwei Jahre, und unterschätzen den der nächsten zehn Jahre. Deshalb sollte man nicht träge werden", sagt Gates.

© SZ vom 25.06.2008/sma - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: