Linux:Das Amt im Frack

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Behörden erproben freie Software als kostengünstige und sichere Alternative.

Detlef Borchers

(SZ vom 4.6.2002) - Seit zehn Jahren wird das quelloffene Betriebssystem Linux entwickelt. Mittlerweile gilt es als stabil und ausgereift, zumindest im Einsatz auf Servern, den leistungsstarken Netzwerkrechnern. Damit stellt sich die Frage, ob Linux in deutschen Amtsstuben sinnvoll eingesetzt werden kann. Das Thema, das schon den letztjährigen Linuxtag beschäftigte, wird am 6. Juni in Karlsruhe auf einem eigens eingerichteten Behördenforum ausführlich erörtert.

Projekt "Ägypten" (Foto: N/A)

Um den Einsatz von Linux in Behörden und Ämtern wird in Deutschland heftig gestritten. Die Argumente sind auf den ersten Blick sehr seltsam und haben wenig mit der Technik zu tun. Linux-Fans fordern die Befreiung von der amerikanischen Software-Hegemonie in Gestalt von Microsoft. Sie gründeten den "Bundestux", eine Initiative, die Linux im Bundestag und bei vielen Bundesbehörden einführen will. Der Einsatz von Linux solle Kosten sparen, weil weniger Support- und Lizenzgebühren anfallen. Auch solle quelloffene Software die heimische Forschung fördern: Was europäische Universitäten ohne kommerzielle Interessen entwickeln, könne direkt den Behörden und Bürgern zugute kommen.

Krach mit der Armee

In einem offenen Brief beschwerte sich Kurt Sibold, der Deutschland-Chef von Microsoft, über die Diskriminierung seines Unternehmens: Software aus Seattle sei weder undemokratisch noch würde sie Forschung oder Demokratie behindern. Und solche Diskussionen sind durchaus keine Seltenheit, wenn es um den Einsatz von Software geht. Vorletzte Woche veröffentlichte das US-Verteidigungsministerium eine Studie der Mitre Corporation zum Einsatz von Linux und anderer quelloffener Software in der Armee. Die Studie zeigte 249 Fälle auf, in denen quelloffene Software günstiger ist. Eine Website mit Armee-internen Informationen käme mit der Software von Microsoft (und Oracle) auf 358.000 Dollar gegenüber 47.000 Dollar, wenn nur so genannte Open-Source-Produkte eingesetzt würden, die aus der Open Source stammten, befanden die Analysten.

Die Reaktion von Microsoft erfolgte postwendend: Die Berechnungen seien mit falschen Lizenzmodellen erfolgt und so voreingenommen, dass sie Microsoft die Freiheit nähmen, Innovationen zu verfolgen. "Microsoft hat uns zu verstehen gegeben, dass der gleichzeitige Einsatz von quelloffener und proprietärer Software ihr geistiges Eigentum verletzen würde", erklärte Armeesprecher John Stenbit, "unser Ziel ist es, diese kniffligen juristischen Fragen zu lösen." Was die amerikanische Armee bewegt, hat möglicherweise Auswirkungen auf die Pläne deutscher Behörden. Ihnen stellt sich die Frage, ob ein Mix nach dem Motto "das beste aus beiden Welten" überhaupt möglich ist.

Denn die größten Einsparungen lassen sich bei den Tischrechnern (PC) erzielen, nicht bei den Servern. Auf vielen PC finden sich die teuren Büroprogramme von Microsoft, deren Funktionen nur zu einem Bruchteil genutzt werden. Sie könnten etwa durch das erheblich günstigere, weitgehend kompatible Star Office ersetzt werden, eine kommerzielle Software des US-Herstellers Sun Microsystems, die teilweise als Open Source verfügbar ist. Star Office läuft unter anderem auf Linux-Systemen, Microsoft Office nicht.

Ein Mix dieser Installationen, mit dem man unnötige Kosten vermeiden könnte, erscheint dann realisierbar, wenn die nahtlose und sichere Behörden-Kommunikation ungeachtet der Systemgrenzen möglich ist und Dateien für den Anwender schmerzlos zwischen den Welten wandern können. Eine zentrale Rolle spielt dabei die E-Mail-Kommunikation nach den Sicherheitsstandards, die für die deutschen Behörden gelten (siehe Kasten). Sollte Microsoft seine eigenen Vorstellungen zum Eigentumsvorbehalt durchsetzen, ist weiterer Streit vorprogrammiert.

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