Kriminalität im Internet:Herr Staatsanwalt weiß alles

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Mit ungewöhnlichen Mitteln recherchieren die Ermittler fast jede Spur, die Verdächtige im Internet hinterlassen - Besuch bei einem Oberstaatsanwalt in Halle.

Christiane Kohl

Den Computer hat Peter Vogt abgeschaltet. Stattdessen türmen sich rote Pappmappen auf seinem Schreibtisch. Auch sonst weist in seinem Arbeitszimmer eigentlich nichts auf die spektakulären Internetrecherchen hin, die der Staatsanwalt aus Halle zurzeit bearbeitet.

Man sieht einen prall gefüllten Aktenschrank, Familienfotos an der Wand, und überall bedecken Stapel von roten Mappen den Boden. Zwischen den Pappdeckeln stecken brisante Listen, die zurzeit so manchen vermeintlich unbescholtenen Bundesbürger in Schwierigkeiten bringen: Die Papiere sind Belege für den Ankauf von verbotenem kinderpornographischem Material über das Internet - Vogt hat 322 Männer herausgefiltert, gegen die jetzt ein Strafverfahren läuft.

Nicht die Zahl der Ermittelten ist jedoch interessant, sondern der Weg, den die Ermittler gingen, um sie zu finden. Und deshalb steht Oberstaatsanwalt Vogt jetzt selbst unter Beschuss. Mehr als ein Dutzend Anzeigen wurden gegen ihn erstattet, man wirft dem 49-Jährigen vor, eine unerlaubte Rasterfahndung durchgeführt zu haben.

Keine Rasterfahndung

Die Begründungstexte in den Anzeigen lesen sich weitgehend gleich - ,,das Formular dafür steht eben auch im Internet'', erklärt Vogt. Und so ist das World Wide Web ein zentraler Dreh- und Angelpunkt der beruflichen Tätigkeit des Fahnders geworden - dabei hat der Mann zu Hause nicht mal einen Internetanschluss, wie er erzählt.

Gemeinsam mit einem Trupp von Ermittlungsbeamten des Landeskriminalamtes in Magdeburg war es dem Staatsanwalt gelungen, eine Reihe von Daten herauszufinden, die zusammen eine Art Schlüsselcode bilden. Mit Hilfe dieser Informationen ist es offenbar ein Leichtes, jedes Kreditkartengeschäft, das über das Internet gelaufen ist, im Nachhinein genauestens zu durchleuchten.

Und dazu, so betont Vogt, bedürfe es gerade nicht einer Rasterfahndung, die nach den Gesetzesbestimmungen nur unter bestimmten Umständen statthaft ist und zuvor auch richterlich genehmigt werden müsste. ,,Wir haben einfach die betreffenden Kreditkarteninstitute um Auskunft ersucht'', berichtet der Staatsanwalt - schon sprudelten die Informationen.

Beängstigende Informationsflut

Bei einem Unternehmen, das etwa sieben Millionen Kreditkartenhalter in Deutschland betreut, wurde man bereits nach wenigen Minuten fündig. ,,Noch während unseres Telefonats'', erzählt Vogt, ,,hatte die Mitarbeiterin 143 mögliche Täter entdeckt''.

Tage später war es nur noch eine Formalität, ihre Namen samt der Kaufdaten an die Staatsanwaltschaft weiter zugeben. Und selbst ältere Informationen spuckte mancher Computer noch aus: So war etwa im Datensatz einzelner Kunden vermerkt, ob das Bundeskriminalamt sich schon einmal für sie interessiert hatte, auch Kaufaktionen, die länger als ein halbes Jahr zurücklagen, waren noch registriert. Eine Informationsflut, die aus Sicht eines Bankkunden schon beängstigend anmutet.

Im Sommer 2006 hatte der Staatsanwalt seine Anfragen gestartet. Gesucht wurden Personen, die sich zwischen März und Juni des Jahres bei einem bestimmten Internetportal für einen Mitgliedsbeitrag von 79,99 Euro eingeloggt hatten, um verbotenes kinderpornographisches Material herunterzuladen.

,,Wir hatten den Zahlungsverkehr zurückverfolgt'', berichtet der Staatsanwalt. Dabei fanden die Fahnder unter anderem die Bank heraus, an welche der Mitgliedsbeitrag zu leisten war sowie die Kontonummer.

Das interessanteste Detail aber war die sogenannten ,,Merchant ID'' - eine mehrstellige Zahl, die als eine Art ,,Sesam öffne dich'' im Kreditkartengeschäft wirkt: Der Zahlencode beinhaltet sowohl Informationen über die Bank des Käufers als auch Daten über den Händler, der die Zahlung erhält - erst über die Kreditkarteninstitute waren die Fahnder darauf gekommen.

Die Hintermänner sind unklar

Doch lassen sich mit dem Code offenbar bei jedem Geldtransfer über Kreditkarte die Beteiligten herausfinden. Überdies, so meint Vogt, könne man mit den gewonnenen Erkenntnissen möglicherweise ,,auch andere derartige Internet-Zahlungssysteme knacken'' - wenn denn die Banken mitspielen.

Bei dem von den Fahndern durchleuchteten Kinderporno-Portal wurden die Zahlungen über ein Bankkonto auf den Philippinen kassiert. Bislang aber weigerte sich das betreffende Geldinstitut, den Namen des Portalbetreibers herauszurücken. Und so konnten nur die Käufer des verbotenen Pornomaterials ermittelt werden, die Verkäufer blieben hingegen unentdeckt.

Denn auch von dem Server, über den das Internetportal ins Netz gestellt wurde, fehlt noch immer jede Spur: ,,Da gab es stets neue IP-Adressen und irgendwann verschwand alles im Nirwana'', berichtet der Staatsanwalt.

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