Kreatives Computerdesign:Meine Bierkiste hat 20 Gigabyte, und deine?

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Grau und eckig war gestern. Heute stecken die Festplatten in Alienköpfen und Blumenkübeln. Auf der Funkausstellung in Berlin zeigen Casemodder, wie schön schräg ein Computer sein kann.

Franziska Walser

Sie stehen mit ihrem Stand mitten zwischen Flachbildschirmen und Werbebotschaften. Doch im Gegensatz zu den anderen Besuchern auf der Funkausstellung wollen sie nichts kaufen und auch nichts verkaufen. Die Casemodder in Halle 1.2 frönen einem selbstgenügsamen Hobby: Dem Bauen möglichst schräger Computer.

Nützliches mit Schönem verbunden: Ein Rechner im Blumentopf. (Foto: Foto: www.dcmm.de)

Mittlerweile gibt es sogar jedes Jahr ein offizielles Kräftemessen in der Szene: die Deutschen Casemod Meisterschaften. Große Preisgelder und Sponsorenbeträge sind aber nach wie vor nicht im Spiel. "Es geht um die Ehre", erklärt Michael Wegner von PlanetLAN, der auch die Meisterschaften organisiert. "Wir zahlen den Bastlern die Anfahrtskosten, das ist aber schon alles."

1000 Stunden Arbeit

Der Aufwand, den die Bastler in ihre tollen Kisten stecken ist sowieso kaum mit Geld aufzuwiegen: Bis zu 1000 Stunden Arbeit können vergehen, bis der Computer so aussieht, wie er soll - nämlich nicht mehr wie ein Computer.

Einige der 20 Rechner, die sich auf der IFA zur Publikumswahl stellen, tarnen sich als Alltagsgegenstände. Zimmerpflanzen, Bierkisten oder Spielzeugautos führen ein Doppelleben als PC. Andere Casemodder machen ihren Computer mit LED-Leuchten, Chrom oder Alien-Maske zum Deko-Stück.

Sarah Wingender, die schon einmal als Deutsche Vizemeisterin aus der Casemodding-Meisterschaft hervorging, schneidet am IFA-Stand geduldig Glasplättchen zurecht. Sie will bis zum Ende der Messe einen Oktopus-PC im Tiffany-Stil fertig haben. Nebenan kümmert sich ihr Vater - ebenfalls ein begeistert Casemodder und mehrfacher Meister - ums Grobe. Er setzt Lüftung und Motherboard an Ort und Stelle.

Nicht mehr nur Nerds

Um bei den Meisterschaften antreten zu dürfen, muss der Computer funktionstüchtig und komplett selbstgebaut sein. Die Hardware der umgebauten Computer besteht meist aus Massenware vom Elektronikmarkt oder aus ausgeschlachteten Alt-Rechnern wie im Fall von Alexander Sieners Modell "0 Euro Self Made".

Die Lust am ungewöhnlichen Computer entstand in den 90er-Jahren auf LAN-Partys. Um zwischen all den anderen Computerspielern aufzufallen, begannen einige ihren PC mit ein bisschen Plexiglas und ein paar Leuchten aus dem Einheitsgrau abzuheben.

Der Trend verselbstständigte sich, und heute sind es längst nicht mehr nur Nerds und Hardware-Spezialisten, die sich am Rechnergehäuse verkünsteln. Christian Schulzen etwa, der Laufwerke und Festplatte in ein Alien-Predator-Modell verwandelte, arbeitet als Kostümbildner und Graphikdesigner.

Die Ansprüche wachsen

Die Szene der Casemodder wächst und damit steigen auch die Ansprüche: "Die Jury legt bei der Wahl zum Deutschen Meister Wert auf eine handwerklich gute Umsetzung. Computer, die vor einigen Jahren noch den Meistertitel geholt haben, hätten heute keine Chance mehr."

Ein Nachwuchsbastler mit Potential ist der 17-jährige Christian Müller aus Chemnitz. Mit seinen "Pneu-PC", der in einen ausrangierten Autoreifen eingebaut ist, gewann er 2004 die Deutsche Meisterschaft. Sein eigentliches Ziel war aber ein ganz pragmatisches: "Ich hatte keine Lust, immer den schweren PC zu den LAN-Party zu schleppen. Deshalb habe ich ihn in den Reifen eingebaut, damit man ihn einfach rollen kann."

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