Kommentar:Fenster zum Paradies

Auch wenn die Motive des 18-jährigen Schülers und Virenprogrammierers aus Waffensen noch nicht klar sind: Es steckt wohl eine zutiefst fragwürdige Mischung aus Naivität, Intelligenz und krimineller Energie hinter der digitalen Epidemie, die in der vergangenen Woche das Internet durchzog.

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Und so wie die Dinge liegen, ist der Programmierer des Computerwurms "Sasser" offenbar auch einem in Hackerkreisen weit verbreiteten Weltverbesserungsdrang verfallen: dem Rebellenkampf gegen die vermeintliche Übermacht der Software-Multis, speziell Microsoft.

Was die Computerfreaks dabei gern übersehen: Auch als Warnung gemeinte und verhältnismäßig harmlose Computerviren wie Sasser tun niemals Gutes. Sie lähmen Menschen und Firmen bei der Arbeit. Sie kosten Zeit, Nerven und Geld. Und sie belegen, dass das weltweit verbreitete Betriebssystem Windows von Microsoft zu einem gigantischen, aber brüchigen Gebäude geworden ist, in dessen scheinbar glänzender Fassade Computerkids aus aller Welt mit Freude nach Schlupflöchern stöbern.

Quasi-Monopol für ein minderwertiges Betriebssystem

In einem fortwährenden Abwehrkampf bemüht sich der Hersteller, die Sicherheitslücken im System mit eilig veröffentlichten und zum Teil wiederum fehlerhaften Softwareflicken zu stopfen. Doch das mittlerweile unüberschaubare, zusammengefrickelte Windows bleibt ein reizvolles Paradies für Hacker aller Art.

Viele Microsoftprodukte (wie die Bürosoftware Office) zählen in der Computerwelt zurecht zur Spitzenklasse. Dass es ein minderwertiges Betriebssystem wie Windows zum Quasi-Monopol schaffen konnte, wird wohl für immer eines der faszinierenden Kapitel der Computergeschichte bleiben.

© SZ vom 10.05.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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