Kinderpornos im Netz:Nach "Marcy" jetzt "Mikado"

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Bereits zum zweiten Mal gelingt es der Polizei in Sachsen-Anhalt, hunderte Nutzer von Kinderpornographie zu überführen.

Christiane Kohl

Mit 79,99 Dollar war man dabei: Diese Summe verlangten die Betreiber eines Internet-Portals als "Eintrittskarte" von ihren Nutzern. Wer den Betrag bezahlte, geriet jetzt allerdings auch ins Netz der Fahnder. Bundesweit 322 Internetnutzern kamen die Ermittler der Staatsanwaltschaft Halle auf die Spur; ihnen wird vorgeworfen, sich verbotene Kinderpornos auf den heimischen Computer geladen zu haben.

Der spektakuläre Coup, dessen Einzelheiten heute in Magdeburg erläutert wurden, war nur durch eine bislang beispiellose Zusammenarbeit zwischen Fahndungsbehörden und Kreditkartenfirmen möglich.

Unter Führung des Hallenser Oberstaatsanwalts Peter Vogt hatte die Ermittlungsgruppe "Mikado" an 14 deutsche Unternehmen, die Kreditkarten der Marken Visa und Master-Card vertreiben, eine Art elektronischen Steckbrief gesandt und sie um Mithilfe gebeten.

Ermittlungen im Datenwust

"Wir konnten fünf Kriterien aufbieten", berichtet Vogt, der in Sachsen-Anhalt die zentrale Ermittlungsstelle für Delikte im Bereich Kinderpornografie leitet: Neben der Kaufsumme von 79,99 Dollar kannten die Fahnder die Kontonummer und Hausbank des Kinderporno-Portals sowie die IP-Adresse im Internet. An Hand dieser Daten sollten die Kreditkartenunternehmen ihre Geschäftsunterlagen durchsuchen.

Als "Auskunftsersuchen nach Paragraph 161 Strafprozessordnung" erklärt der Staatsanwalt das Verfahren. Mithin handelte es sich rechtlich um eine Zeugenbefragung, für die es nicht mal einer richterlichen Genehmigung bedürfe, und keinesfalls um eine polizeiliche Rasterfahndung, wie am Montag von Pressediensten gemeldet worden war.

Auf Grundlage der von den Fahndern übermittelten Informationen forsteten die Kreditkarteninstitute ihre offenbar immensen Datenberge durch. Rund 20 Millionen Kreditkarten der Marken Visa und Master-Card sind in der Bundesrepublik im Umlauf; bei 322 von ihnen wurden die Computer fündig.

Ein Zehntel einschlägig bekannt

Nur deren Daten erhielten die Ermittler in Halle, Hausdurchsuchungen im ganzen Bundesgebiet waren die Folge. Ein Großteil der Tatverdächtigen - 68 Personen - lebt in Nordrhein-Westfalen, 56 Verdächtige wohnen in Bayern, 36 in Baden-Württemberg, nur zwei sind in Sachsen-Anhalt ansässig.

Es handelt sich um einen 47-jährigen Lehrer aus Magdeburg und einen Arbeiter aus Halle, wie das sachsen-anhaltinische Innenministerium berichtete - beide Beschuldigten seien geständig. Mehr als zehn Prozent aller jetzt ermittelten Verdächtigen waren im Zusammenhang mit Kinderpornografie bereits "einschlägig in Erscheinung getreten", wie das Ministerium weiß. Auffällig sei überdies, "dass ein Großteil der Beschuldigten gut situiert, alleinstehend und ledig ist".

Auf das Kinderporno-Portal aufmerksam geworden waren die Ermittler durch eine Anzeige des Sat.1-Magazins ,"Akte 06". Die Reporter hatten sich zuvor an eine andere Staatsanwaltschaft gewandt, dort reagierte man aber offensichtlich nicht. Der Hallenser Staatsanwalt Vogt machte bereits 2003 mit Ermittlungen zu Kinderpornos Schlagzeilen.

Zusammen mit dem Magdeburger LKA-Beamten Torsten Kobow hatte er seinerzeit im Ermittlungsfall "Marcy" rund 26 000 Tatverdächtige in 166 Ländern gefunden.

© Süddeutsche Zeitung vom 10. Januar 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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