Killerspiel-Diskussion:Deutschland steht alleine

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Während Deutschland über ein Verbot von sogenannten Killerspielen diskutiert, ist das europäische Ausland im Bezug auf Computerspiele praktisch rechtsfreier Raum.

Jörg Donner

Im November drehte Sebastian B. durch: In Emsdetten nahm er Rache an seiner früheren Realschule, feuerte um sich und tötete sich schließlich selbst. Die Schullandschaft hatte er im Ego-Shooter "Counterstrike" nachgestellt - und fast schon reflexartig kochte die Debatte um ein Verbot der Killerspiele wieder hoch. Nicht nur deutsche, sondern auch EU-Politiker schalteten sich in die Debatte ein. Am Dienstag wollen Bundesjustizministerin Zypries und EU-Justizkommissar Frattini erklären, wie sie gegen Killerspiele vorgehen wollen.

(Foto: Foto: sde)

Schon die Diskussion um ein Totalverbot lässt in der deutschen Computerspiel-Branche Abwanderungsgedanken reifen. "Es gibt einige Entwickler, die bereits überlegen, wegen der schlechter werdenden Rahmenbedingungen ins Ausland zu gehen", sagte Thomas Dlugaiczyk, Geschäftsführer der Berliner Games Academy, der einzigen Spezialschule Deutschlands für Computerspiel-Entwickler, dem Tagesspiegel. Es sei klar, dass die Branche künftig einen Bogen um Deutschland machen werde.

Kaum verwunderlich, denn im Vergleich zur "kontrollierten Abgabe" von Computerspielen durch den Handel in Deutschland, ist das europäische Ausland ein Hort der totalen Freiheit. Während Händler hierzulande beim Verkauf genau auf die Alterskennzeichnung von Spielen durch die "Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle" (USK) achten müssen, ist der Erwerb im Ausland nirgends geregelt.

Lediglich in Großbritannien dürfen Spiele, die vom "British Board of Film Censors" (BBFC), dem dortigen USK-Equivalent, mit der Kennzeichnung "18+" versehen wurden, nur an Erwachsene verkauft werden.

"In keinem anderen Land gibt es eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht wie hier in Deutschland", sagt Olaf Wolters vom Bundesverband der Unterhaltungssoftware (BIU). "Außer in England können Spiele ohne jede Alterskontrolle bezogen werden. Kein Händler muss in Frankreich oder Österreich mit Konsequenzen rechnen, wenn er ein Spiel mit der PEGI-Kennzeichnung 18+ an Minderjährige verkauft".

Keine rechtliche Relevanz

PEGI steht für "Pan European Game Information" und bezeichnet die Altersempfehlung der "Interactive Software Federation of Europe" (ISFE) mit Sitz in Brüssel. Die Softwarehersteller stufen ihre Spiele dazu selbständig nach Kriterien auf einer Skala ein. Der ermittelte Wert wird von einem unabhängigen Institut überprüft, das schließlich eine von fünf möglichen Alters-Empfehlungen in Form eines Siegels für das Spiel vergibt. Demnach sind Spiele geeignet ab 3 Jahren, 7, 12, 16 oder eben erst ab 18 Jahren.

"Rechtlich haben diese Empfehlungen keinerlei Relevanz", sagt Jürgen Bänsch von der ISFE. "Sie dienen lediglich dazu, Eltern einen Anhaltspunkt zu geben." Die ISFE würde eine EU-weite rechtliche Regelung auf der Basis von PEGI begrüßen, "aber das sind Länderkompetenzen, da wird es keine einheitliche Regelung geben", so Bänsch.

Rein politisch motiviert

Für eine Gesetzesänderung sieht der Holländer ohnehin keinen Bedarf. Die Diskussion in Deutschland schätzt er als "rein polititisch motiviert" ein, "es geht immer um die nächste Wahl". Ganz ähnlich argumentiert Olaf Wolters vom BIU, dem Interessensverband der Spielehersteller in Deutschland: "Noch nicht mal in Österreich, das dem deutschen Kulturkreis sehr ähnlich ist, gibt es eine rechtliche Regelung zum Verkauf von Computerspielen." Und fügt hinzu: "Trotzdem gibt es dort keine marodierenden Banden auf den Straßen." Eine gemeinsame Regelung innerhalb der EU hält er für unwahrscheinlich, zu umstritten sei das Gesetz allein in Deutschland.

Besonders zu bedenken gibt Wolters, dass viele Spiele bereits zusätzlich zum Datenträger im Laden auch als Download im Internet angeboten würden. "Für solche Spiele, die beispielsweise auf amerikanischen Servern bereit liegen, gibt es keine Handhabe", sagt er.

Für Downloads sei noch nicht mal eine Altersklassifikation der USK möglich. "Diese Kennzeichnung ist formal ein staatlicher Verwaltungsakt, der einer Rechtsgrundlage bedarf. Bei Datenträgern ist diese im Jugendschutzgesetz gegeben." Anders sähe es aus bei Downloads. Die seien im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag geregelt, der aber nicht als Grundlage für die Alterskennzeichnung herangezogen werden könne. "Hier besteht noch Handlungsbedarf", so Wolters.

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