Kessen:Pure Echtzeitstrategie

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"Kessen" ist anders. "Kessen" ist kein furioses Actionspektakel, keine schraubengenaue Rennsimulation und kein brachiales Prügelepos. "Kessen" ist pure Echtzeitstrategie. Ein Genre, das auf Konsolen wegen der eingeschränkten Steuermöglichkeiten bislang nur äußerst selten anzutreffen war.

Gerd Hilber

Obwohl die Kommandierung tausender Samurai-Soldaten auf dem Schlachtfeld per Gamepad Übles erahnen lässt, überrascht Koeis neuestes Machwerk für die Playstation 2 durch kinderleichte Handhabe. Vollends überzeugen kann das fernöstliche Taktikspiel aber durch fulminante Szenerien, brillante Animationen und historische Korrektheit.

Bewertung: 5 = super / 4 = schön / 3 = nett / 2 = geht so / 1 = bescheiden / 0 = daneben (Foto: Screenshot: Kessen)

Doch erst einmal zur Geschichte: Japan, das Land des Lächelns, war nicht immer Hort bienenfleißiger Arbeiter, zukunftsorientierter Technikfanatiker und schulmädchenbegeisteter Comicleser. Im feudalen Zeitalter war das Reich der aufgehenden Sonne nach langjährigen Bürgerkriegen und Machtkämpfen in zwei Lager gespalten. Den Osten der Insel beanspruchte der Tokugawa-Clan für sich, während der westliche Teil vom Toyomi-Clan kontrolliert wurde. Der Spieler schlüpft nach minutenlangem Rendervideo in die Rolle von Ieyasu Tokugawa, dem Befehlshaber der östlichen Armeen. Es gilt, das Land zu einen.

Dazu bedient sich der Hobbygeneral imposanter Streitkräfte, die sich aus bis zu 14 Regimenten zusammensetzen lassen. Den einzelnen Truppenverbänden voran stehen tapfere Offiziere, deren Hauptaufgabe es ist, die Anweisungen des Spielers gemäß der Befehlskette an die einzelnen Waffengattungen (Kavallerie, Speerträger, Bogenschützen, Musketiere, Ninja und Kanonen) weiterzugeben. Diese Untergruppen beeinflussen nicht nur maßgeblich die Kampfkraft und Marschgeschwindigkeit der Armee, sondern verfügen auch über mächtige Spezialfähigkeiten, die das Blatt in einer verloren geglaubten Schlacht noch wenden können.

Bevor jedoch aber auch nur ein virtueller Tropfen Blut japanischen Boden tränkt, tagt der Kriegsrat. Dort werden Art und Stärke der clever agierenden, feindlichen Truppen überprüft, fiese Taktiken ausgebrütet, Marschwege festgelegt und topografische Merkmale wie Flussläufe, Wälder und Anhöhen in die strategischen Pläne miteinbezogen. Spätestens hier zeigt sich, ob man den nützlichen Hinweisen der KI während des Tutorials aufmerksam gelauscht und die hohe Kunst des Krieges erlernt oder doch nur Nase gebohrt hat. Rasch wird auch klar, warum "Kessen" so andersartig ist: Während man in ähnlichen Strategietiteln ständig damit beschäftigt ist, seine Einheiten mitten im Kampfgetümmel zu kommandieren, erledigt man in Koeis Nippongeplänkel die meiste Arbeit bereits vor der eigentlichen Schlacht und greift nur noch dezent durch einige Anordnungen wie etwa "Position Halten" oder "Verfolgen" in das Geschehen ein.

Treffen zwei verfeindete Truppen aufeinander, offenbart sich die wahre Stärke von "Kessen". In unbeschreiblich spektakulären Nahansichten bestaunt man die Aktionen seines 3-D-Heeres, sieht ihm mit großen Augen beim Fechten und Brandschatzen zu. "Ohhhh!"- und "Ahhhh!"-Erlebnisse garantiert. Mal folgt die virtuelle Kamera einem Einzelnen der prächtig animierten Kämpfer ins Getümmel, mal schwebt sie regelrecht über Hundertschaften von Soldaten, die sich alle individuell bewegen, hinweg. Geraten zwei Feldherrn aneinander, hält die Kamera voll auf den Kampf der Giganten drauf, das übrige Geschehen rückt in den Hintergrund. Während des Zweikampfes darf jeder Bartstoppel und jede Rüstungsschuppe der Duellanten bestaunt werden. Der Unterlegene zieht sich schließlich angeschlagen zurück, die Truppen verlieren aufgrund der schmachvollen Niederlage ihres Kommandanten gehörig an Moral. Gehört der Schwächling zu den eigenen Mannen, hilft nur noch eine euphorische Rede von Seiten des Spielers, um die entmutigten Streiter wieder kampfeslustig zu machen.

Erfolgreich absolvierte Einsätze werden mit hochqualitativen Rendervideos belohnt, die Sounduntermalung von "Kessen" befindet sich auf Kinoniveau. Einzig das (zu) außergewöhnliche Gameplay und eine für Europäer schwer zugängliche Story um Ehre, Freundschaft, Familie, Loyalität und Verrat trüben den positiven Gesamteindruck ein wenig. Allen "Shogun"-Fans ist der komplett ins Deutsche übersetzte Titel wärmstens zu empfehlen, "Command&Conquer"-Puristen schenken "Kessen" wahrscheinlich nur ein müdes Lächeln. Der Rest darf einen Blick riskieren.

Kessen, CD-Rom für Playstation 2, Electronic Arts, zirka 120 Mark.

Quelle: Teleschau - der Mediendienst

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