Kampf gegen Kinderpornos:"Es ist das schiere Grauen"

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Die Bundesregierung hat der Kinderpornographie den Kampf angesagt und will per Gesetz das Fernmeldegeheimnis einschränken. Bürgerrechtler warnen indes vor Zensur.

Martin Kotynek

Die Bundesregierung will alle Anbieter von Internetzugängen gesetzlich dazu verpflichten, den Abruf von Kinderpornographie im Netz zu erschweren. "Die Opfer werden immer jünger, die Taten immer brutaler - es ist das schiere Grauen", sagte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Freitag.

Kinderpornographie weltweit - wie andere Länder reagieren (Foto: Grafik: SZ)

Auf ihre Initiative hin verpflichteten sich fünf große Internet-Anbieter, die zusammen 75 Prozent des Marktes abdecken, am Freitag freiwillig zu Maßnahmen gegen die Verbreitung von kinderpornographischen Darstellungen. Mit einem Gesetz, welches das Bundeskabinett am Mittwoch auf den Weg bringen will, sollen zusätzlich auch alle anderen Internetanbieter, die jeweils mehr als 10000 Kunden haben, zu Zugangsblockaden verpflichtet werden.

Das Gesetz schränkt das Grundrecht des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses ein, formuliert in Artikel 10 des Grundgesetzes. Es schafft so einerseits Rechtssicherheit für die Internet-Anbieter, die künftig sämtliche Datenströme ihrer Kunden überprüfen müssen, erzürnt jedoch andererseits Bürgerrechtsorganisationen. Diese warnen davor, dass durch Internet-Sperren "der Zensur Tür und Tor geöffnet werde".

Da die fünf Unterzeichner der freiwilligen Selbstverpflichtung - Deutsche Telekom, Vodafone/Arcor, Alice/Hansenet, Kabel Deutschland und Telefonica/O2 - sechs Monate Zeit haben, die Maßnahmen umzusetzen, ist es wahrscheinlich, dass die Zugangsblockaden erst greifen, wenn das Gesetz bereits in Kraft getreten ist.

Die Vorschriften des Gesetzentwurfs gleichen in weiten Teilen dem Vertrag, den die fünf Unternehmen am Freitag unterzeichnet haben. Demnach wird das Bundeskriminalamt (BKA) dazu ermächtigt, eine geheime schwarze Liste mit Internet-Adressen zu erstellen, die kinderpornographische Webseiten enthalten oder auf Seiten mit solchen Inhalten verweisen. Die Internet-Anbieter müssen Kunden, die dort verzeichnete Adressen aufrufen wollen, auf eine Seite mit einem Stopp-Schild umleiten.

Anders als im Gesetz ist das Schild in den Verträgen nicht verpflichtend vorgesehen; die Deutsche Telekom und Kabel Deutschland wollen das Symbol erst anzeigen, wenn es das Gesetz verlangt.

Keine Sperre für Beamte, Schüler und Studenten

Auch bei der Strafverfolgung geht der Gesetzentwurf, der bis zum Mittwoch vorläufig bleibt, weiter als die Vereinbarung der fünf Internet-Anbieter mit dem BKA. Demnach sollen die Unternehmen dazu ermächtigt werden, personenbezogene Daten jener Kunden zu speichern, die auf Adressen von der Sperrliste zugreifen wollen. Diese Daten sollen auf Anforderung an Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden.

Der Entwurf schreibt zudem nur privaten Internet-Anbietern vor, Sperren zu schaffen. Öffentliche Einrichtungen wie Behörden, Universitäten, Schulen und Bibliotheken werden von der geplanten Änderung des Telemediengesetzes hingegen nicht erfasst. Kritiker bemängeln, dass Beamte, Schüler und Studenten damit uneingeschränkt auf Kinderpornographie zugreifen können.

Mit der geplanten gesetzlichen Regelung ist sichergestellt, dass alle größeren Internet-Anbieter ihre Kunden vor Abbildungen von Vergewaltigungen von Kindern schützen. Ursprünglich hatte das Bundesfamilienministerium mit den acht größten Internet-Anbietern über freiwillige Vereinbarungen verhandelt.

Die Unternehmen Freenet und 1&1 Internet, die bei der Bekämpfung von Kinderpornographie bereits mit den Behörden zusammenarbeiten, haben jedoch im Laufe der Verhandlungen verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet. Sie kritisierten die fehlende gesetzliche Grundlage, Datenströme ihrer Kunden überprüfen zu dürfen. Dies sei ein Eingriff in die Grundrechte der Bürger und daher nicht mit einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, sondern nur mit einem Gesetz durchzusetzen, sagte ein Sprecher von 1&1 Internet.

Vor einem solchen Eingriff warnen jedoch Bürgerrechtsorganisationen. Etwa 200 Aktivisten demonstrierten am Freitag vor dem Bundespresseamt, wo die Firmenchefs ihre Verträge mit dem BKA unterzeichneten. Die Bürgerrechtler bezweifeln die Wirksamkeit von Sperren und fürchten, dass "eine geheime Infrastruktur für das Zensieren von Internetseiten" geschaffen werde.

© SZ vom 18.04.2009/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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