Interview:"Es wird keinen Crash geben"

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Hans Peter Dittler von der Internet Society über den bislang größten Umzug einer Top-Level-Domain und die Machtpolitik im Internet.

Anfang 2003 steht ein Wechsel in der Registrierstelle von .org bevor - und damit der bislang größte Umzug einer Top-Level-Domain. Mit Hans Peter Dittler, dem Vorstandsmitglied der deutschen Internet Society, sprach Susanne Herda.

Hans Peter Dittler: "Domains aktiv zu entziehen ist im Sinne einer Isoc unvorstellbar." (Foto: Foto: sueddeutsche.de)

sueddeutsche.de: Warum bewirbt sich eine nicht kommerzielle Vereinigung wie die Isoc für die Verwaltung einer Top-Level-Domain?

Hans Peter Dittler: Isoc ist als nicht kommerzielle Vereinigung in einer sinnvollen Position, um sich für .org zu bewerben. Wir wollen, dass weitere Organisationen, typischerweise Non-Profit-Organisationen, auf einer offenen, gleichberechtigten und für alle zugänglichen Art und Weise weiterhin zu Domainnamen kommen. Und wir wollen mit .org die grundsätzliche Verbreitung des Internets weiter stärken. Das war unsere Motivation, zusammen mit unserem Technikpartner Afilias ein Angebot abzugeben.

sueddeutsche.de: Wann wird Icann die neue Verwaltung für .org bekanntgeben?

Hans Peter Dittler: Ich glaube, dass es unmöglich ist, einen genauen Termin vorauszusagen. Ich hoffe, dass die endgültige Entscheidung wie angekündigt im August oder September fällt. Ansonsten ist die Zeit für die Planung des Datentransfers sehr kurz.

sueddeutsche.de: Wird es, falls Isoc den Zuschlag für .org bekommt, bei der Registrierung künftig bestimmte Auflagen geben?

Hans Peter Dittler: Wir werden .org vom Registrierungsverfahren her auch weiterhin recht offen führen, weil es ist nicht möglich ist, Gruppen und Organisationen weltweit einheitlich zu definieren. Wir werden aber versuchen, ein neues Bewusstsein zu schaffen. .org war die Domain, die von Verisign ganz gern angeboten wurde, wenn man nicht in .com oder .net gepasst hat, und nicht eine länderspezifische Domain wie .de oder .us haben wollte. Ich denke, dass sich das Profil jetzt wieder in Richtung Gruppierungen und Organisationen ändern und der Gedanke der gemeinnützigen Organisationen in den Vordergrund rücken sollte. Nicht durch irgendwelche strengen Richtlinien, denn entsprechende Filter aufzusetzen ist rechtlich problematisch und in der Nachprüfung extrem aufwändig, sondern durch Marketing und durch die Bekanntmachung der Möglichkeiten. Zum Beispiel der Tatsache, dass es sich auch für kleine Organisationen lohnt, im Web unter .org aufzutreten und im Internet Geld zu sammeln. Gerade im Sinne von amerikanischen Institutionen, die ja fast durchgehend privat finanziert und auf Öffentlichkeit angewiesen sind. Vielleicht ändert sich aber auch im europäischen Raum mal was. .org wird auch offen sein für Bürgerrechtsgruppen und kleinere Bewegungen aus Ländern, die zum Beispiel Schwierigkeiten haben unter einer nationalen Domain aufzutreten. .org wird auf jeden Fall für Minderheiten und anderswo nicht organisierbare Gruppen offen sein.

sueddeutsche.de: Wie viele Domains sind derzeit unter .org registriert?

Hans Peter Dittler: Im Moment sind zirka 2,4 Millionen Domains registriert. Jedoch sind nicht alle Registrierungen in Verwendung oder aktiviert. Zu Deutsch: Karteileichen. Auch das ist ein klares Ziel von Isoc. Wir wollen nicht benutzte Domains möglichst anderweitig an wirklich aktive Gruppen vergeben. Wobei das sicher ein langwieriger Prozess ist.

sueddeutsche.de: Wie wollen Sie diese Karteileichen beseitigen?

Hans Peter Dittler: Der Vertrag mit Verisign läuft ja zum 31. Dezember dieses Jahres aus. Man wird am 1. Januar sicherlich nicht alle inaktiven Domains rausnehmen oder abschalten. Wir werden, wenn das ganze bei Isoc landet, in der Anfangsphase in aller Ruhe überlegen, wie man die "Karteileichen" überhaupt kontaktiert. In vielen Fällen sind die Kontaktinformationen veraltet. "Karteileichen" rauszunehmen ist relativ schwer. Außer sie sind nach den neueren Regeln von Verisign registriert. Dann wird pro Jahr der Nutzung bezahlt, sodass immerhin nach der Ablaufzeit die Möglichkeit besteht, etwas zu tun.

sueddeutsche.de: Was erwartet die Besitzer einer bereits registrierten .org-Adresse?

Hans Peter Dittler: Diese Domains werden alle übernommen und bleiben für die volle Laufzeit erhalten. Es gibt keinen Schnitt, keinen Crash, kein Cut-off-Date. Domains aktiv zu entziehen ist im Sinne einer Isoc unvorstellbar. Es geht eher darum, durch Werbung oder Hinweise bei der Neuvergabe, ein bisschen Einfluss zu gewinnen. Das ist genau wie mit Internet-Standards. Man gewinnt nichts dadurch, dass man die Kommunikation über irgendein Medium oder ein Protokoll im Netz verbietet. Das funktioniert nicht. Man muss etwas neueres Besseres anbieten.

Zum 2. Teil des InterviewsHans Peter Dittler über Top-Level-Domains und die Registrierungsmodalitäten.

Zum 3. Teil des InterviewsHans Peter Dittler über die Icann-Reform und die Machtpolitik im Internet.

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