Internetsperren bei Kinderpornographie:"Obskure Kriterien"

Gegen Schnellschüsse von Technik-Laien: Die Web-Gemeinde hat gezeigt, wie schnell sie Widerstand gegen heuchlerische Netzsperren organisieren kann.

Bernd Graff

Die Web-Gemeinde zeigt, wie schnell sie Widerstand organisieren kann: Nicht einmal fünf Tage benötigte sie, um über die Internetseite des Bundestages mehr als 50.000 Stimmen zu sammeln.

Sie stimmen gegen Familienministerin von der Leyen, gegen die von ihr betriebene und vom Bundeskabinett beschlossene Änderung des Telemediengesetzes. Die Politik will damit Kinderpornographie bekämpfen; doch der Versuch ist ungenügend, unzureichend und heuchlerisch.

Der Gesetzentwurf sieht die heimliche Zusammenarbeit des BKA mit Internetprovidern vor, um den Zugang zu Webseiten mit kinderpornographischem Inhalt zu sperren. Die Kritiker werfen erstens ein, dass man sich offenbar damit begnüge, den Zugang zu Seiten zu sperren, nicht aber die Seiten selber.

Strafbewehrte Zensur

Dass zweitens die Sperrlisten nach obskuren Kriterien erstellt werden. Und dass drittens den Opfern von Kinderpornographie nicht im mindesten geholfen ist, wenn für die Voyeure lediglich Stoppschilder gesetzt werden. Und: man befürchtet den Einstieg in eine strafbewehrte Zensur.

Wie reagieren führende Politiker auf die Einwände? Wirtschaftsminister von Guttenberg zeigt sich "sehr betroffen." Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Körper kann "absolut nicht verstehen", wie man Zugangssperren mit Zensur in Verbindung bringen kann. Und Frau von der Leyen erinnert daran, dass jede "zivilisierte Gesellschaft Kinderpornographie ernsthaft ächten" müsse.

Alles wohlfeil! Ernsthafte Ächtung sieht anders aus als jene Schnellmaßnahmen, die von Technik-Laien beschlossen wurden. Niemand will Kinderpornographie dulden. Doch heiligt auch ein von allen befürworteter Zweck nicht jedes Mittel; unzureichende schon gar nicht.

© SZ vom 11.05.2009/mri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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