Internet-TV:Konter aus dem Netz

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Randsportarten und deren Sponsoren hoffen auf eine bessere Zukunft durch Internet-TV

Simon Feldmer

Sporteln, also Joggen und Ähnliches, mag Ingo Wolf nur, wenn er davor schön gesündigt hat. Er sitzt in der Kantine der Bavaria-Film am südlichen Stadtrand von München und erfreut sich an einem etwas fettigen Schnitzel Wiener Art. Dabei erzählt er begeistert von seinem wahren Lieblingssport: Fernsehsender gründen. "Das ist für mich Adrenalin pur", sagt er.

Internt-TV: Forum für Randsportarten in Deutschland (Foto: Foto: afp)

Gleich neben der Kantine befindet sich Wolfs Firma Grid.tv. Mit 110 Mitarbeitern betreibt der gebürtige Essener 250 Spartenkanäle im Internet. Für 2500 Euro im Monat kann man sich hier einen Sender kaufen. Wolfs Kundenliste reicht von Vereinen, Verbänden bis hin zu Verlagen und Konzernen.

Fussballerfolg durch Fernsehen

Grid.tv entwickelt und produziert für Siemens, Allianz, Pro Sieben oder die Deutsche Eishockeyliga. Ein aktuelles Grid-Großprojekt könnte man die Demokratisierung des Fernsehsports nennen. Wolf, 41, sagt: "Das Fernsehen hat Fußball zur Nummer eins gemacht. Wir wollen auch dem übrigen Sport in Deutschland wieder ein Forum geben." Kleiner machen als nötig - das ist nicht Wolfs Art.

Grid.tv hat sich über eine Lizenz mit SportA, der Sportrechte-Tochter von ARD und ZDF, auf die Übertragung von Meisterschaften und Turnieren von 32 Verbänden des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) geeinigt. Das Abkommen trat im März in Kraft. Von Eisschnelllauf, Squash, Behindertensport, Schach, Wasserski, Radfahren bis Kegeln ist in diesem Paket fast alles drin.

Grid.tv will für diese Sportarten nun eigene Internetsender gründen. Mit Badminton-tv ist ein erster im Netz. Die Übertragungen sollen für den Zuschauer kostenlos sein. "Ich mag kein Pay-TV", sagt Wolf. Finanzieren sollen sich die Kanäle über Sponsoren. Das könnte zumindest bei Minigolf oder Tauziehen schwierig werden.

Man kann es schwer glauben: Wolf meint es ernst. Die Relevanz seines Engagements misst der Grid-Chef, wenn man so will, in Sporttreibenden. So abenteuerlich seine Vision des Breitensport-Fernsehens klingt - sie liegt im Trend. Auch Telefonanbieter oder TV-Konzerne investieren massiv in Sport via Internetfernsehen (IP-TV): Die Deutsche Telekom versucht sich seit dieser Saison an Live-Übertragungen der 1. Fußball-Bundesliga.

Die Sendergruppe Pro Sieben Sat 1 bietet in ihrem Video-on-Demand-Portal Maxdome Schalke 04 TV, alle Spiele des Ruhrpott-Clubs live, dazu Surfen, Snowboarden oder Mountainbiking auf Abruf. Noch ist IP-TV als Übertragungssignal meist an den Computer gebunden, kann aber mittels spezieller Set-Top-Boxen auf TV-Bildschirme geschickt werden. Fernsehmacher sehen IP-TV längst als weiteren Übertragungsweg neben Kabel und Satellit.

Live oder nicht live

Für Dejan Jocic, Geschäftsführer des Bezahlsenders Arena, ist klar: "Bei Sportrechten geht es in Zukunft nicht mehr um die unterschiedlichen Verwertungsstufen der Distributionskanäle, sondern nur noch darum: live oder nicht live."

Viele Sportverbände und -ligen, die sonst höchstens zu Großereignissen in der ersten Reihe vorspielen dürfen, entdecken die neuen Möglichkeiten. Ein eigener Sender ist schnell gegründet. Für den Empfang ist ein DSL-Anschluss notwendig.

Die neuen Internet-TV-Anbieter rechnen mit einer technischen Reichweite von etwa 17 Millionen Zuschauern bis Ende des Jahres. Dass nicht jeder, der schon mal einen Federballschläger in der Hand hatte, auch Interesse an den Deutschen Badminton-Meisterschaften hat, wirkt angesichts solcher Verheißungen nicht mehr abschreckend genug.

Wackelbilder aus Sporthallen

Handball- und Basketball-Bundesliga sind bereits aktiv. Gemeinsam mit dem Hamburger Sportrechte-Vermarkter Sportfive versprachen sie am Jahresanfang das neue "Fansehen" Sportdigital.tv. Wenige Wochen nach dem Gewinn des WM-Titels sind die Handballer nun live in Bierdeckelgröße im Internet zu sehen.

Für drei Euro pro Spiel kann man sich hier die Handball-Bundesliga antun. Allein für das Registrieren auf der Homepage werden fünf Euro gutgeschrieben. Das ist auch das mindeste. Denn die Bilder aus den Sporthallen von Flensburg oder Lemgo ruckeln derart, dass ganz andere Schmerzensgeldzahlungen angemessen wären.

Die Sportdigital-Gründer investieren einen zweistelligen Millionenbetrag. Mit Michael Lion wurde der ehemalige Sportchef von RTL und Sat 1 als Leiter der 30-köpfigen Redaktion eingekauft. Der soll nun aus dem wackeligen Internetkanal einen Digitalsender basteln, der von Sommer an auch über Kabel und Satellit die TV-Bildschirme erreicht.

Wie viele Zuschauer sich bisher einloggen, will in Hamburg niemand kommentieren. "Das ist erstmal zweitrangig", sagt Sportdigital-Marketingchef Lars Reckwitz sogar und betont: "Wir sehen das Engagement als weiteren Baustein in der Vermarktung neben dem Free-TV." Die selbst produzierten Bilder sollen auch an Sender im In- und Ausland verkauft werden.

Im Herbst geht die Basketball-Bundesliga, bisher noch exklusiv im Pay-TV-Anbieter Premiere zu sehen, auf Sendung. Sportdigital-Mitgesellschafter Sportfive möchte schon bald hauseigene Rechte wie Rugby, UEFA-Cup- oder Qualifikationsspiele zur Fußball-Europa-Meisterschaft ohne deutsche Beteiligung abspielen.

Zweifel an der journalistischen Unabhängigkeit räumen die neuen Eigenvermarkter routiniert aus dem Weg. "Wenn wir nicht kritisch berichten, werden wir beim Fan unglaubwürdig", sagt Dirk Kaiser, Sprecher der Basketball-Bundesliga. Auch Grid-Macher Wolf versucht zu beschwichtigen: "Wir senden ja keine politischen Botschaften. Das ist vollkommen harmlos."

Für Sponsoren könnte das neue Ligafernsehen trotzdem ein Dorado werden. Motto: Wer mehr zahlt, ist länger im Bild. Vorausgesetzt, es schaut ihnen jemand dabei zu.

© SV v. 14.03.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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