Informationsfreiheit:"Kein Terrorist braucht Google Earth"

Lesezeit: 2 min

Dass Datenschützer über hochauflösende Satellitenbilder nicht erfreut sind, ist bekannt. Aber auch einige Regierungen sehen durch die Aufnahmen ihre nationale Sicherheit bedroht. Google will die Inhalte dennoch nicht ändern.

Nikolaus Hollermeier

Staaten wie Indien, Russland und Südkorea äußern ernsthafte Bedenken: Die über die Software Google Earth öffentlich verfügbaren Luft- und Weltraumbilder seien geeignet, Anschläge vorzubereiten und auszuführen. Terroristen müssten ihre Ziele nicht mehr aufwändig auskundschaften - das übernehme nun eine amerikanische Firma für sie, zitiert die New York Times einen russischen Geheimdienstmitarbeiter.

Und der britische Daily Telegraph meldet, dass Verteidigungsexperten die Verwendung von Satellitenaufnahmen durch irakische Aufständische für möglich hielten. Anschläge auf die britischen und amerikanischen Truppen seien so exakter planbar. Ist Google Earth also ein ernsthaftes Sicherheitsrisiko?

Keineswegs, beschwichtigt Google Deutschland: Die globale Bilderschau zeige nichts, was man nicht auch aus anderen freien Quellen erfahren könne. "Daher braucht uns sicherlich kein Terrorist, um seine Tat zu planen", sagt Unternehmenssprecher Stefan Keuchel.

Wenn gefährlich, dann nicht wegen Google

Zumindest stellt Google kein eigenes brisantes Bildmaterial her, sondern sammelt lediglich bestehende Daten. Die verwendeten Aufnahmen könnten bei Bildagenturen, Instituten und Firmen auch direkt angefordert werden.

Eine Quelle ist beispielsweise die Nasa. Die US-Weltraumbehörde verfügt über eine öffentlich zugängliche Datenbank mit Satellitenaufnahmen.

Dennoch möchte beispielsweise Thailand bitten, Aufnahmen von Regierungsgebäuden freiwillig zu sperren. Australien störte sich an Luftaufnahmen eines Kernkraftwerks. Eine rechtliche Handhabe dagegen gibt es derzeit nicht.

Google lässt seinerseits verlautbaren, man nehme die Bedenken der Regierungen ernst und sei dialogbereit. Hinter der diplomatischen PR-Sprache denkt man aber anders. Das Angebot einzuschränken, steht nicht zur Debatte:

"Dem Internet-Nutzer Informationen zu vermitteln ist unsere Mission, dafür sind wir angetreten. Solange es keine rechtlichen Gründe gibt, etwas nicht anzuzeigen, werden wir das weiter tun", sagt Sprecher Stefan Keuchel.

So genau nimmt man es mit der Firmenphilosophie aber nicht überall. In China filtert Google - wie andere Suchmaschinen auch - beispielsweise Daten von vornherein aus, die dem Regime nicht gefallen.

Deutsche Behörden aber hätten sich bislang noch nicht an den Bildern von Reichstag, Kanzleramt und zahlreichen weiteren offiziellen Gebäuden gestört, so der Google-Sprecher. Möglich, dass die die skeptischen Regierungen die Sicherheitsrelevanz der Luftaufnahmen überschätzen - oder sie nur vorschützen.

Tatsächlich liegen derzeit keine gesicherten Erkenntnisse vor, dass Terroristen oder Kriminelle Google Earth verwendet haben oder dies planen. Der strategische Nutzen des Tools hält sich schon deshalb in Grenzen, da die Aufnahmen im Schnitt etwa drei Jahre alt sind.

Ähnlich wird im Weblog ogleearth.com argumentiert. Die Seite befasst sich mit Vor- und Nachteilen der Google-Software und kommt zu dem vorläufigen Schluss: Ebenso wie die Dienste des Suchmaschinenbetreibers könne man E-Mail, Auto oder Kreditkarte verdammen. Schließlich seien auch diese Erfindungen potenziell hilfreich bei der Organisation und Durchführung von Terroranschlägen.

Andererseits kann Google Earth auch mit zusätzlicher frei verfügbarer Software kombiniert werden, was weitere Möglichkeiten eröffnet. So gibt es mit "GPS over IP" bereits ein kostenloses Programm, das im Zusammenwirken mit Google Earth auch einzelne Fahrzeuge oder Personen in Echtzeit verfolgen kann. Eine Zeitverzögerung wird hierbei nicht eingehalten, es ist also auch eine synchrone Überwachung von beweglichen Objekten in Sekundenintervallen möglich, so das IT-Portal ZDNet.

Freilich funktioniert die Quasi-Direktübertragung nur, wenn das zu überwachende bewegliche Ziel mit einer relativ aufwändigen GPS-Sendeeinheit ausgerüstet ist. Umgekehrt ist ein derart ausgestattetes Objekt in der Lage, die eigene Position zu bestimmen und sich über Google Earth in der Umgebung zu orientieren. Dass derartige technische Möglichkeiten auch für illegale Ziele verwendbar sind, liegt auf der Hand.

Wirklich neu sind derartige Szenarien nicht - vor allem nicht für staatliche Stellen, die sich professionell mit IT befassen. Neu ist lediglich ihre weltweite Verbreitung und immer einfachere Verfügbarkeit - dieser Nebeneffekt der globalen Vernetzung ist jedoch schwer zu unterdrücken.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: