IFA:Lotsen für die Masse

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Die etablierten Hersteller von Navigationsgeräten wollen Produkte für jedermann bieten - auch als Verteidigung gegen neue Wettbewerber.

Thorsten Riedl

Statistiken können so glücklich machen. "Ja, wir sind jetzt Marktführer", sagte Stefan Bernard, Marketingverantwortlicher des Navigationsgeräteherstellers Garmin, gleich zu Beginn der Pressekonferenz des nordamerikanischen Unternehmens auf der Internationalen Funkausstellung (Ifa) - und machte keinen Hehl aus seiner Freude.

Navigationsgeräte weren preislich immer günstiger und längst nicht mehr nur für den Einsatz im Auto konzipiert. Handy- und Unterhaltungskonzerne wollen künftig mit um Marktanteile buhlen. (Foto: Foto: AP)

"Wir haben nun einen Vorsprung - und noch einiges in petto." Mit einem Anteil von 24,9 Prozent liegt Garmin den Zahlen zufolge ganze 0,6 Prozentpunkte vor dem bisherigen Platzhirschen Tomtom. Damit das bleibt, hat der neue Marktführer den Massenmarkt im Visier. Die Zeit drängt: Große Rivalen wie der Handyhersteller Nokia oder der Unterhaltungskonzern Sony haben den Milliardenmarkt ebenfalls für sich entdeckt.

Navigationsgeräte, die mittels GPS (Global Positioning System) auf dem ganzen Globus ihre Position finden und zu einem gewünschten Ziel leiten, gibt es schon seit geraumer Zeit. Garmin zum Beispiel wurde 1989 gegründet, der deutsche Rivale Navigon zwei Jahre später. Doch erst seit sich die Anbieter von dem Geschäftskonzept, Geräte allein für die Installation in Autos zu liefern, verabschiedet haben, wächst das Segment sehr stark.

Den Wachwechsel im weltweiten Markt für Navigationsgeräte hat Garmin in erster Linie dem enormen Wachstum im Heimatmarkt zu verdanken: Der Absatz der Wegfinder dort stieg den Marktforschern von Canalys zufolge im zweiten Quartal um 300 Prozent.

"Markt reif für spezifische Segmente"

Weltweit haben sich demnach von Mai bis Juli 7,5 Millionen Navigationshelfer verkauft - mehr als eine Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr. In die USA gehen inzwischen 26 Prozent der Geräte, auf den alten Kontinent 60 Prozent. Europäische Hersteller wie Tomtom oder Navigon bereiten sich nun ebenso wie der amerikanische Marktführer Garmin auf den Massenmarkt vor. "Die Landschaft der Navigationsindustrie verändert sich im Moment vor unseren Augen", sagt Chris Jones, Marktforscher bei dem britischen Beratungshaus, das sich früh auf das Thema Navigation spezialisiert hat.

"Der Markt ist nun reif genug, um spezifische Segmente anzuvisieren", erklärt Clive Taylor, verantwortlich bei Garmin für die Produktpolitik in Europa. Über den Kauf der Geräte würden bislang zu 60 Prozent Männer und zu 40 Prozent Frauen entscheiden. Garmin zufolge ist es also Zeit, ein Navi in pink auf den Markt zu bringen - speziell für Frauen. "Das ist ein Lifestyle-Produkt - genau wie die iPods", sagt der Manager weiter.

Auf den Erfolg der digitalen Musikspieler der iPod-Reihe des Computerherstellers Apple schielt die gesamte Branche - auch Navigon. Das deutsche Unternehmen bringt ein Produkt ganz in weiß, ähnlich dem iPod. "Die Leute sollen auf den ersten Blick sagen: 'Wow, das muss ich haben'", erklärt Andreas Westhoff, Vertriebsvorstand von Navigon. Der neue Schick soll die Käufer vor allem vom Blick in den Geldbeutel abhalten, wenn sie sich für ein Gerät entscheiden.

Google und Apple denken über Einstieg nach

Die Produkte werden seit geraumer Zeit billiger. So sind die Durchschnittspreise laut der GFU, dem deutschen Verband der Unterhaltungsindustrie, im ersten Halbjahr um mehr als 27 Prozent gefallen. Gibt es also bald die ersten Geräte für weniger als 100 Euro? "Oh Gott, nein, ich hoffe niemals", sagt Alexander Ribbink, operativer Vorstand von Tomtom. "Das wird in den nächsten fünf Jahren nicht passieren oder vielleicht wirklich nie - wenn man die Kosten der Komponenten für ein Gerät betrachtet." Mehr als zwei Jahre hatte Canalys das niederländische Unternehmen als Marktführer gelistet. Auf der Ifa stellte es ein neues Flaggschiffprodukt vor: Bewegungs- und Schwerkraftsensoren sollen den Weg besser weisen als die Konkurrenz.

Mit den Lotsen für die Masse und mit der ausgefeilten Sonderausstattung suchen Navigationsgerätehersteller wie Garmin und Tomtom auch die Verteidigung gegen neue Wettbewerber. So heißt es von der Internetsuchmaschine Google ebenso wie vom Computerhersteller Apple in der Branche, dass sie einen Einstieg in das Segment prüften. Der weltweit größte Handyhersteller Nokia hat in einige Mobiltelefone bereits GPS-Ortung integriert.

Auch der Unterhaltungskonzern Sony hat ein neues Produkt vorgestellt. Bislang haben die Japaner erst ein Navigationsgerät auf dem Markt und einen geringen Marktanteil von vier Prozent. "Auf das Segment bezogen sind wir sehr gut unterwegs", sagt Manfred Gerdes, Deutschlandchef von Sony. Schließlich trete die Konkurrenz mit einem größeren Produktportfolio an. Ribbink von Tomtom gibt sich dennoch gelassen: "Wir sind 1100 Leute, die sich um nichts anderes als Navigationsgeräte kümmern - das muss man erst mal nachmachen."

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