IFA Berlin:Bildschirm zum Rollen

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Altpapier ade? Philips zeigt den Prototyp des elektronischen Papiers.

Jan Oliver Löfken

Altpapier ade - in Zukunft könnte die Tageszeitung über die Datenleitung kommen und trotzdem zusammengerollt in die Tasche gesteckt werden. Wie das?

Auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin kann man den Prototyp eines rollbaren Monitors in den Händen halten: Das E-Book von der Philips-Tochter Polymer-Vision ist kleiner als eine Zigarettenschachtel, ausgerollt ist die Anzeigefläche mehr als doppelt so groß.

Gelang dieses Kunststück bisher nur in einigen Laboren, wagt der niederländische Konzern mit der flexiblen, elektronischen Anzeige Readius" den Schritt in die Öffentlichkeit.

"Dieses elektronische Papier passt in eine Röhre mit einem Durchmesser von nur eineinhalb Zentimeter", sagt Hans Driessen von den Philips-Labors im niederländischen Eindhoven.

Bis zu 10000 Mal lässt sich ihr papierartiger, Millimeter dünner Bildschirm einrollen. Selbst bei hellem Tageslicht lassen sich Texte auf der Anzeige mit zehn Zentimetern Durchmesser und einer Auflösung von 320 auf 240 Bildpunkten lesen. Jedes Pixel wird dabei durch einen eigenen Transistor angesteuert.

Der Stromverbrauch ist niedrig. Brauchen starre und flache Monitore mit Flüssigkristallen noch eine energieschluckende Hintergrundbeleuchtung, merkt sich das E-Paper den jeweils letzten Text ohne permanente Stromzufuhr.

Erst für einen Wechsel der Anzeige mit vier Graustufen müssen die Transistoren unter Spannung gesetzt werden, um die einzelnen Bildpunkte zu schalten und neu auszurichten. Mit einer Batterieladung ließen sich im Prinzip also 300 Bücher lesen.

Konkurrenz fürs Plakat

Die eigentliche schwarz-weiße Anzeigetechnik des E-Papers gilt schon länger als ausgereift. Kern ist ein Mikrokugel-Prinzip, entwickelt und patentiert von der Firma E-Ink im amerikanischen Cambridge. Millionen winziger Kapseln, nur Tausendstel eines Millimeters groß, bewegen sich dabei zwischen zwei flexiblen Elektroden hin und her.

Je nach Spannung werden entweder die negativ geladenen schwarzen Kügelchen oder die positiv geladenen weißen Gegenstücke sichtbar zur vorderen Elektrode gezogen. Schon im vergangenen Jahr präsentierte Sony mit seinem "Librié" das erste E-Paper-Produkt auf dem japanischen Markt. Doch war es noch starr und unflexibel wie ein Laptop.

Der Schlüssel zum "Readius" liegt in der rollbaren Elektronik. Statt auf Silizium griffen die Philips-Wissenschaftler um Gerwin Gelinck zu biegsamen, halbleitenden Kunststoffen.

Aufgebracht auf eine Millionstel Meter dünne Schicht aus Polyimid konnten sie Tausende der elektronischen Schalteinheiten auf eine Trägerfläche bannen.

Einzig die geringe Haltbarkeit mit einigen hundert Betriebsstunden stellt die Forscher nicht zufrieden. Doch sind sie optimistisch, diesen Makel in Kürze beseitigen zu können.

Die neue Technik könnte auch großen Anzeigen an Bahnhöfen und in Geschäften und sogar dem Plakat Konkurrenz machen. So beeindruckte die japanische Firma Toppan mit einer zwei mal drei Meter großen Anzeige aus 272 E-Paper-Modulen.

Jeden Tag wird hier die aktuelle Ausgabe der Tageszeitung Yomiuri Shimbun angezeigt. Vossloh IT setzt auf leichte und dünne Informationstafeln.

"Nicht nur auf Bahnsteigen, auch in Straßenbahnen und Bussen können die Module mit elektronischer Tinte sinnvoll verwendet werden", sagt Werner Malcherek, Geschäftsführer der Firma. Philips sucht auf jeden Fall derzeit nach Partnern, um 2006 in die Massenfertigung einzusteigen.

© SZ vom 2.9.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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