Hochauflösendes Fernsehen:Getrübte Sicht

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Nur 40 Prozent aller deutschen Haushalte haben - theoretisch - Zugang zu digitalem Fernsehen. Qualitätsprobleme sind nur ein Grund für die schleppende Einführung.

Ingo Arzt

Was eigentlich ist HDTV? Pünktlich zum Beginn der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin beantworten die Unternehmensberater von Pricewaterhouse-Coopers die Frage per Umfrage: Etwas über die Hälfte der Deutschen kann mit der neuen Fernsehwelt, welche die vier Großbuchstaben beschreiben, rein begrifflich nichts anfangen.

Trotz aller HDTV-Euphorie: Nur 40 Prozent aller Haushalte haben Zugang zu digitalem Fernsehen (Foto: Foto: dpa)

Nur in jedem fünften Haushalt stehe ein Gerät für "High Definition Television", also hochauflösendes Fernsehen. Und selbst wenn diese Kunden auch die Abkürzung auflösen können, das Versprechen - gestochen scharfes Fernsehen mit bis zu vier mal so viel Bildpunkten wie bisher - löst die Technik nur zögerlich ein.

Qualitäts-Probleme behindern sowohl die digitale Übertragung von Fernsehsendungen als auch die neuen hochauflösenden DVD-Standards. Der Umstieg vom bewährten analogen Fernsehen in eine digitale Welt geht nicht so zügig voran wie geplant, besagt auch der diese Woche erschienene Digitalisierungsbericht 2007 der Rundfunkanstalten. Mehr Kanäle, höhere Qualität und individuelle Dienste wie Video-on-Demand bleiben meist ein unerfülltes "digitales Versprechen".

Abschied von analog

Einen guten Grund für den Umstieg gibt es auf jeden Fall: Analoges Fernsehen wird es bald nicht mehr geben - nur wann es abgeschaltet wird, ist unklar. Ursprünglich hat das Bundeskabinett 1998 empfohlen, bis ins Jahr 2010 alle analogen Kanäle vom Sender zu nehmen. "Nach unserer Prognose wird das Datum kaum eingehalten werden, es wird eher 2012", sagt Andreas Hamann von der "Gemeinsamen Stelle Digitaler Zugang".

Momentan haben 40 Prozent aller deutschen Haushalte Zugang zu digitalem Fernsehen - und nur dann auch theoretisch Zugang zu Programmen in HDTV. Theoretisch, denn sie sind von der Übertragungskapazität abhängig. Die fällt unterschiedlich aus, je nachdem, ob das Fernsehprogramm per Satellit (DVB-S, "Digital Video Broadcasting-Satellite"), terrestrisch über Funktürme (DVB-T) oder durch das Kabelnetz (DVB-C) ins Wohnzimmer kommt. Alle drei verlangen Set-Top-Boxen - Zusatzgeräte, die die Bilder aufbereiten.

Ein Programm in HD-Qualität braucht etwa vier mal so viel Kapazität wie herkömmliche PAL-Bilder. Diese ist bei terrestrischer Ausstrahlung schlicht nicht vorhanden. Thorsten Mann-Raudies, Leiter der Task-Force DVB-T Deutschland von ARD und ZDF sagt: "Ich wage keine Prognose, ob sie überhaupt je kommen wird." Von den beiden anderen Übertragungswegen - Satellit oder Kabel - bieten lediglich Satelliten genug Kapazität für HD-Qualität auf allen Sendern.

"Wenn sie mehr Sender wollen, schießen sie eben noch einen Satelliten ins All", sagt Andreas Hamann. Tatsächlich ist das einfacher, als in ganz Deutschland neue Kabel zu verlegen. Hamann schätzt: Auch Kabelnetze in Deutschland wären überlastet, würden mehr Sender in HD-Qualität senden. Lediglich das Kabelnetz in Baden-Württemberg wäre dem gegenwärtig gewachsen, weil der Betreiber Kabel BW das Netz mit einer höheren Frequenz taktet als andere Anbieter, sagt Hamann.

Momentan sendet im Free-TV in Deutschland ohnehin nur die ProSiebenSat.1-Gruppe über Satellit und Kabel auch in HDTV. Daneben bietet der Bezahlsender Premiere Kanäle in der neuen Qualität an. Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ist "angedacht", wie es Mann-Raudies vorsichtig formuliert, die Olympischen Spiele 2010 in Peking im neuen Format zu senden. Vorher soll es eventuell einige Test-Sendungen geben.

Kapazitätsprobleme

Möglicherweise ließen sich die Kapazitätsprobleme durch neue Standards lösen. Derzeit wird zu allen DVB-Varianten eine zweite Generation entwickelt. Dabei soll ein neues Verfahren die digitalen Fernseh-Daten komprimieren. Momentan wird das 1994 entwickelte Mpeg2 verwendet, künftig soll es H.264 sein, mit dem das umfassendere Mpeg4-Verfahren umgesetzt werden kann.

Es benötigt schnellere Hardware, erst in den vergangenen Jahren sind die nötigen Chips preiswert geworden. Allerdings muss sich niemand sorgen, demnächst neue Set-Top-Boxen kaufen zu müssen: In Deutschland kommt das neue Verfahren frühestens in einigen Jahren.

Immerhin, die neuen DVD-Standards Blu-Ray und HD-DVD sind zu bezahlbaren Preisen auf dem Markt und bieten Filme in der neuen Spitzenqualität. Doch auch diese Technik ist mit Tücken behaftet. Selbst wenn Geräte mit dem Industrie-Siegel "HD ready" versehen sind oder mit dem Label "Full-HD" noch bessere Bilder versprechen, treten absurde Qualitätsmängel auf: Besonders bei langsamen Kameraschwenks kommt es zu Rucklern, "judder" im Fachjargon.

Die Filme sind, wie im Kino, mit 24 Vollbildern in der Sekunde gespeichert - 24p genannt. Bei der Umrechnung auf die TV-Ausgabe von 60 Bildern pro Sekunde erzeugen die Geräte den lästigen Effekt. Die Fachzeitschrift c't hat dem Problem in diesem Monat einen Test gewidmet und kam zum Ergebnis: Selbst wer Abspielgeräte und Fernseher zusammenstöpselt, die sogar dem neu geplanten Logo "Full HD Ready" entsprechen, ist vor "judder" nicht gefeit.

Trotzdem wollen sich elf Prozent der Haushalte laut der Umfrage von Pricewaterhouse-Coopers demnächst einen HD-Fernseher kaufen.

© SZ vom 31.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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