Handy-TV:Als die Fernseher laufen lernten

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Seit der CeBit 2006 redet die Branche vom Fernsehen, das aufs Handy kommen soll und lobt die Innovation in den höchsten Tönen. Das Volk ist skeptisch. Zu Recht?

Yvonne Göpfert

Seit 31. Mai ist es soweit: Auch in Deutschland ist nun mobiles Fernsehen verfügbar. Die Programmauswahl ist freilich noch erheblich bescheidener als im trauten Heim. Zur Wahl stehen vier TV-Programme: ZDF, N24, ein Zusammenschluss von ProSieben und Sat1 namens Entertainment-TV sowie der Musikkanal MTV.

Konkurrenzlos: Das Samsung SGH-P900 ist das einzige derzeit verfügbare Handy für den Empfang von Handy-TV via DMB. (Foto: Foto: Samsung)

Wer also unterwegs fernsehen will, braucht neben dem dafür geeigneten Handy zusätzlich zu seinem Vertrag eine TV-Option. Derzeit gibt es die nur bei Debitel. Je nach Vertragsart geht es ab 9,95 Euro pro Monat für das mobile Fernsehen los.

Die Auswahl bei den Endgeräten ist überschaubar: Zunächst gibt es mit dem Samsung SGH-P900 nur ein einziges TV-Handy in Deutschland, das via DMB das mobile Fernsehen unterstützt und die Bewegtbilder auf einem einem 2,2-Zoll-Display anzeigt.

Das Samsung SGH-P900 gibt es bei Debitel mit Vertrag für 199,- Euro. Ohne Vertrag soll der Verkaufspreis bei 599 Euro liegen.

Im Test durfte der kleine Bewegtbild-Empfänger aus Korea zeigen, was er alles drauf hat. Damit er aktiv wird, muss der Anwender erst einmal das Display querschieben und anschließend die TV-Taste drücken. Dann dauert es dauert es noch etwa 5 bis 7 Sekunden, bis das Programm startet.

Schau genau

Solange die Bilder wenig bewegt sind - langsame Autofahrten oder Talkshows -, macht das mobile Fernsehen durchaus Spaß. Die Bilder sind klar und scharf. Das ändert sich, sobald ein wenig Bewegung ins Spiel kommt. Blaulicht eines Polizeiwagens während der Nachrichten im ZDF z.B. zieht großflächige Pixelartifakte nach sich.

Ebenfalls eine Herausforderung stellen die Sonderfunktionen dar, die N24 gern benutzt. So sind die Börsenticker, durch den unteren Bildrand laufen, nur mit der Lupe zu entziffern. Genauso wenig augenfreundlich, weil nur briefmarkengroß, sind die Bild-in-Bild-Einblendungen, die der Nachrichtensender immer wieder zeigt.

Weiter zum Musik-Programm. Schaltet man um auf MTV, interessiert vor allem der Sound. Die Klangqualität auf dem SGH-P900 genügt dem Durchschnittsohr. das leichte Scheppern, das von den MP3-Playern der Handys bekannt ist, trifft man allerdings auch beim SGH-P900 an.

Anders als zuhause an der Röhre ist beim Handy jedoch nicht viel an der Bildqualität zu machen. Die Display-Helligkeit kann zwar wie gewohnt in wenigen Stufen reguliert werden, aber mit dem Kontrast darf der Nutzer schon nicht mehr spielen.

Wo ist bitte die Fernbedienung?

Die Bedienung des Fernseh-Handys gestaltet sich einfach. Egal, ob der Nutzer von TV auf Radio wechseln oder das Programm aufzeichnen will, ein Knopfdruck genügt.

Damit die Umwelt nicht belästigt wird, kann der Anwender das Fernsehprogramm über Ohrhörer genießen. Außerdem können bis zu 45 Minuten Programm mitgeschnitten und in einem extra dafür vorgesehenen Ordner abgespeichert werden.

An Speicher stehen im Handy 128 MByte bereit, der sich per Micro-SD-Karte erweitern lässt.

Um die Einstellung der Sender muss sich der Anwender nicht kümmern, die findet das Handy selbst. Sollte der Empfang schlechter werden, z.B. wenn man sich aus einem Sendegebiet entfernt, dann reicht es, den Aktualisieren-Knopf zu betätigen, der die Sendefrequenzen automatisch neu einstellt.

Das Handy selbst, das 124 Gramm wiegt, steckt zwar nur in einem Plasktikgehäuse, die Verarbeitung ist jedoch solide, die Klappe des Handys wackelt und knirscht nicht.

Ob das neue Angebot nun tatsächlich zahlende Nutzer anlocken wird, bleibt die nächsten Monate noch spannend. Debitel hat zur CeBIT 2006 verkündet, 100.000 neue Fernseh-Fans für sich gewinnen zu wollen. Ein ehrgeiziges Ziel.

Für die ersten Wochen nach dem Start des Handy-Fernsehens rechnet Robert Schweiger, Projektleiter Handy-TV bei Debitel, mit dem Verkauf von etwa 1.000 Geräten.

Den großen Ansturm erhofft sich Debitel für das Weihnachtsgeschäft. Bis Ende Dezember 2006 sollen die 100.000 Neukunden gewonnen werden. Vielleicht kommt der große Boom aber auch erst im Frühjahr oder Sommer 2007, fügt Schweiger hinzu.

Dennoch, gibt sich der Projektleiter siegessicher. Selbst pessimistische Marktforscher hätten ein Marktpotenzial von etwa 10 Prozent aller Mobilfunkkunden in Deutschland Käufer identifiziert.

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