Hacker-Angriffe:"Eine richtige Industrie"

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Im Web findet ein ständiges Rennen zwischen denen statt, die Seiten schützen, und denen, die sie knacken. Das belegen auch die Hacker-Fälle Schäuble und Kuranyi.

Das Fußball-Länderspiel der Deutschen gegen Norwegen hatte 45Minuten lang keinen Höhepunkt, dann war Pause - und es wurde spannend. Schlagartig verbreitete sich auf der Pressetribüne die Nachricht, dass der FC Schalke 04 seinen Mittelstürmer Kevin Kuranyi entlassen habe, wie es in einer "Eilmeldung" hieß. Diese war auf der Vereins-Homepage erschienen und wurde von diversen Onlinediensten aufgegriffen.

Verbreitung einer Falschmeldung. (Foto: Foto: Google News)

Weil die Schalker sich seit Monaten in einem chronisch hysterischen Zustand befinden, hat man die spektakuläre News geglaubt. Eine Viertelstunde gab es für die Reporter auf der Düsseldorfer Pressetribüne kein anderes Thema. Dann machte das Dementi der Klubvertreter die Runde, und unter den Journalisten setzte eine gewisse Beschämung ein, der Manipulation aufgesessen zu sein.

Kuranyi befand sich während dieser vermeintlich schicksalhaften Phase seiner Karriere zuhause in Moers beim Abendessen mit seiner Frau Vicky. Sein mobiles Telefon hatte er in Betrieb, doch den Klingelton abgeschaltet. So entgingen ihm mehr als ein Dutzend Anrufe und Mitteilungen.

Der Erste, der ihn erreichte, verblüffte ihn mit der Einlassung, dass er gar nicht entlassen, sondern nur das Opfer einer Computerattacke sei. Kuranyi zeigte sich gelassen. Er hat in Gelsenkirchen Schlimmeres erlebt.

Einen Tag vor Kuranyi war bereits Wolfgang Schäuble Opfer von Hackern geworden. In der Nacht zum Mittwoch war die offizielle Website des Bundesinnenministers verändert worden.

Der Eindringling nutzte ein Sicherheitsleck in der Software, mit der Schäubles wie auch die Schalker Seite verwaltet wird. Für Stunden warb der 66-jährige CDU-Politiker fälschlicherweise für den "Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung", der ausdrücklich gegen die von Schäuble befürwortete Vorratsdatenspeicherung argumentiert.

Bei der Attacke auf die Homepage des deutschen Innenministers hätte der Sachkundige das inhaltliche Paradoxon schnell erkennen können. Die angebliche Kündigung des 26-jährigen Kuranyi war weit weniger eindeutig zu identifizieren. Wer immer sich auf schalke04.de einschlich, hinterließ dort ein sehr realistisches Szenario.

Damit, dass der exzentrische Fußballprofi, wie es Mittwochabend eine Weile hieß, von seinen vertraglichen Pflichten entbunden und vom Verein freigestellt worden sei, wird seit Wochen immer wieder mal gerechnet. Zum einen wurde Kuranyi bislang gerne auch vom eigenen Anhang ausgepfiffen, was zu Spekulationen über seinen Verbleib auf Schalke führte. Zum anderen gaben Äußerungen des Schalker Managers Raum für Interpretationen.

Das Internet taugt als letztinstanzliche Quelle nichts

Die Erkenntnis für Journalisten aus beiden Sabotage-Fällen ist nicht neu: Das Internet taugt als letztinstanzliche Quelle nichts. So wie die freie Enzyklopädie Wikipedia den "Großen Brockhaus" als verlässliches Nachschlagewerk nicht ersetzt und aus Prinzip nicht ersetzen will, so wenig kann man sich auf offiziellen Portalen journalistisch ganz sicher fühlen.

Für eine Recherche gilt grundsätzlich das Prinzip, und das hat sich durch den Nachrichtenbeschleuniger Internet nicht verändert, dass eine Meldung von zwei unterschiedlichen Quellen bestätigt sein muss, ehe sie veröffentlicht wird. Wikipedia, das Internet, so lernen es heute Journalistenschüler, liefern Anregungen für Recherchen. Recherche-Ergebnisse liefern sie nicht.

Es gibt ausreichend Beispiele, die den Mangel an Zuverlässigkeit offizieller Websites dokumentieren: So wurden in den vergangenen zwei Jahren die Internetseiten der Vereinten Nationen, von Barack Obama oder der Bahngewerkschaft GDL gehackt. Einmal verkündete Friedrich Merz (CDU) auf seiner Homepage, für den Parteivorsitz kandidieren zu wollen. Die Pressemitteilung war gefälscht.

Josef von Helden, Internet-Sicherheitsexperte der Fachhochschule Hannover, sagt, dass es im Web ein ständiges Rennen zwischen denen gebe, die Seiten schützen, und denen, die sie knacken. Es habe sich eine "richtige Industrie für bezahltes Auftragshacking" entwickelt. Journalisten rät der FH-Dekan aus Hannover, jede Information, egal von welcher Internetseite, immer querzuchecken. "Das Wettrennen zwischen denen, die das Internet sicherer machen und denen, die böswillig hacken, hört nicht auf."

Im Umkehrschluss sollten, um beim Fußball zu bleiben, Unternehmen wie der FC Bayern München darauf verzichten, Information exklusiv auf ihrer Homepage zur Verfügung zu stellen und so Pressepolitik zu machen. Auch schalke04.de war Mittwochabend sehr exklusiv.

© SZ vom 13.02.2009/flex/chk/pse/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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