Grid:Das Netz als Supercomputer

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Auf der Cebit stellen Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft Grid-Anwendungsmöglichkeiten speziell für die Industrie vor.

Johanna Durnbaugh / dpa

Moderne Computer sind oft unterfordert. Ihre hochgezüchtete Rechenkraft liegt brach. Dabei könnten sie, statt zwischen zwei E-Mails im Leerlauf zu dämmern, zum Beispiel der Klima- oder Materialforschung helfen oder sogar bei der Suche nach außerirdischem Leben. Mit einer direkten Vernetzung von entfernten Rechnern, dem so genannten Grid (engl. Gitter), sollen nicht ausgeschöpfte Kapazitäten für solche Projekte genutzt werden. Auf der Cebit stellen Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft Anwendungsmöglichkeiten speziell für die Industrie vor. Ein weltweites Grid, das der Normalverbraucher wie das Internet nutzen kann, bleibt zunächst aber noch Zukunftsmusik.

Dass die Software und Rechenleistung für ein weltweites Grid eines Tages kostenlos angeboten wird, halten die Experten für unwahrscheinlich. (Foto: Foto: Fraunhofer Institut)

"Grid-Computing ist eine Fortentwicklung des World Wide Web, sozusagen die nächste Generation", sagt Franz-Josef Pfreundt vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik in Kaiserslautern. Bislang geht es jedoch nicht darum, wie beim Internet weltweit sämtliche Computer miteinander zu verbinden, sondern einzelne Grids für bestimmte Industrie- oder Wissenschaftszweige aufzubauen. Mit Hilfe dieser Vernetzung könnte dann auf verschiedene Rechner innerhalb des Grids zugegriffen werden, um beispielsweise mit ihrer gebündelten Rechenkraft und der gemeinsamen Datensammlung Aufgaben zu lösen, die ein einzelner Computer nicht bewältigen kann.

Auf diese Weise müssten sich mittelständische Unternehmen keine Hochleistungsrechner mehr anschaffen, sondern könnten Rechenkapazität mieten, sagt Alexander Reinefeld vom Zuse-Institut Berlin. Nach Einschätzung von Fachleuten sind heute selbst Großrechner im Schnitt tagsüber nur zu 5 bis 20 Prozent ausgelastet - wirtschaftlich gesehen eine traurige Bilanz.

Mit einem Vorläufer der Grid-Idee arbeiten bereits seit mehreren Jahren Wissenschaftler an der Universität von Kalifornien in Berkeley. Die Rechner von vier Millionen Menschen in mehr als 200 Ländern helfen ihnen bei der Suche nach außerirdischem Leben. Für das SETI@home genannte Projekt werten die Computer Radioteleskop-Daten aus dem Weltall nach Auffälligkeiten aus. Anstatt wie in diesem Fall alle Computer für sich alleine eine Teilaufgabe berechnen zu lassen, sollen beim Grid jedoch alle Rechner gemeinsam nach der Aufgabenlösung suchen.

Zudem soll das Netzwerk so intelligent werden, dass es für eine Aufgabe automatisch die Computer findet, die nicht nur die benötigte Rechenkapazität bieten, sondern auch die für das Problem passenden Programme und Daten. "Es soll ein produktives System sein", sagt Pfreundt. Letztendlich sollen viele Programme miteinander rechnen und ihre Daten austauschen, ohne dass der Benutzer viel Einfluss darauf nehmen muss. Das sei vergleichbar mit einem Stromnetz: "Überall sind Kraftwerke, aber mich als Verbraucher interessiert nicht, woher und auf welche Weise ich mit dem benötigten Strom versorgt werde."

Eines der am weitesten entwickelten Grid-Systeme nutzt laut Pfreundt die Weltraumbehörde NASA in den USA. Wenn dort beispielsweise ein Flugzeug Probleme meldet, durchkämmt dieses Grid nicht nur quer über die USA verteilte Datenbanken, um Informationen über das Flugzeug zu finden. Es startet auch Berechnungsprogramme, um die mögliche Problemursache zu finden und dann Steuerungsvorschläge für eine sichere Landung auszurechnen.

Das von Forschern der Fraunhofer-Gesellschaft entwickelte Fraunhofer Resource Grid, das auf der Cebit vorgestellt wird, soll genau so eine Informationsquelle sein, die einem Zusammenschluss von bislang fünf Instituten der Gruppe entspringt. Partner aus der Industrie können dann auf Rechenleistung, Software-Pakete und Messdaten der Institute zugreifen.

Der Normalverbraucher hingegen könnte ein großes Grid vielleicht einmal nutzen, um etwa das Wetter einer speziellen Region für einen gewünschten Zeitraum vorhersagen zu lassen. Pfreundt dämpft allerdings die Erwartungen: "Beim World Wide Web ist viel Lehrgeld damit bezahlt worden, alle Inhalte kostenlos anzubieten." Dass große Unternehmen eines Tages in einem weltweiten Grid kostenlos ihre Software und Rechenleistung anbieten, glaubt er daher nicht. Das World Wide Grid werde es so schnell nicht geben.

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