Engadget schaltet Kommentare ab:Das Schweigen der Nerds

Lesezeit: 2 min

Weil das Technik-Blog Engadget zu positiv über Apple berichtet haben soll, motzten die Nutzer. Die Verantwortlichen ziehen die Notbremse und lösen damit eine Debatte aus.

Johannes Kuhn

Dieses Blog ist mächtig: Etwa 1,5 Millionen Amerikaner besuchen monatlich Engadget.com, um sich über die neuesten IT-Gerüchte, Geräte und Techniknachrichten auf dem Laufenden zu halten. Der Blogsuchmaschine Technorati zufolge ist nur das einflussreiche Politikblog Huffington Post erfolgreicher.

Bei Engadget ist erstmal Ruhe (Foto: Foto: iStock)

Selbst Nachrichtenagenturen berichteten deshalb von dem Schritt, den Engadget nun angekündigt hat: Das Blog wird für einige Zeit keine Kommentare mehr auf seiner Seite zulassen.

Chefredakteur Joshua Topolsky begründet dies in einem kurzen Blogeintrag damit, dass die Kommentare in den vergangenen Tagen "außer Kontrolle" geraten seien. "Einige von Euch aus der Welt der anonymen Haupttribüne haben den Eindruck bekommen, dass Euch die Seite gehört", schreibt er, "das ist einfach nicht der Fall."

Sexistische Beleidigungen

In einem Interview ging Topolsky ins Detail: Die Berichterstattung über das iPad von Apple habe neue Nutzer auf seine Seite gelockt, die sich "trollig" verhalten hätten. Als Trolle werden Kommentatoren bezeichnet, die kein Interesse an einer Debatte haben, sondern vor allem provozieren und die Diskussion zur Entgleisung bringen möchten.

Dies sei so weit gegangen, dass die Kommentatoren zahlreiche sexistische und rassistische Bemerkungen hinterlassen hätten. Ein Nutzer habe seitenlang "fuck you, bitch" unter den Artikel einer Autorin geschrieben. Hintergrund der wütenden Kommentare war der Vorwurf vieler Nutzer, Engadget hätte zu positiv über das iPad berichtet.

Am Umgang mit dem iPad scheiden sich nicht nur auf Engadget die Geister: Auch Nutzer der Community von sueddeutsche.de kritisierten die Berichterstattung zum Thema. "Allein 7(!!) Artikel-Links befassen sich auf der aktuellen SZ-Site mit dem iSpielzeug", schrieb beispielsweise ein Mitglied, "Ob man diese Überflutung als 'durchaus ausführliche Berichterstattung' bewerten kann, ist mehr als fragwürdig." Allerdings war ein Großteil der Kommentare auf sueddeutsche.de auch von der Rivalität zwischen Apple-Fans und Apple-Gegnern geprägt.

Der Engadget-Schritt hat im Netz eine neue Debatte über den Umgang mit Kommentaren ausgelöst. Auf dem bekannten Blog ReadWriteWeb wird das Thema in einer offenen Diskussion angesprochen, Catherine Taylor vom Blog Social Media Insider fragt, ob "Blogs ohne Kommentare noch Blogs sind".

Wo finden die Debatten statt?

Stan Schroeder vom IT-Blog Mashable stellt den Nutzen von Kommentaren nicht in Frage, jedoch die Plattform, auf der die Debatte inzwischen stattfindet. "Wie wichtig sind Kommentare in einem Zeitalter, in dem viele Meinungsäußerungen nicht auf einer einzigen Seite, sondern über Twitter, Facebook und andere soziale Netzwerke stattfinden?", fragt er seine Nutzer.

Engadget wird seine Kommentarfunktion in einiger Zeit wieder anschalten. "Es ist ein Experiment", gibt Topolsky im Interview zu, "Ich hoffe, sie ( die Trolle, Anm. d. Red.) langweilen sich und entscheiden sich dafür, nicht mehr zu kommentieren." Vor der Kritik an seiner Berichterstattung können sich die Autoren der Seite allerdings so wenig wie die anderer Blogs oder Nachrichtenportale verstecken, so das Fazit von Webpronews-Autor Chris Crum: "Unterhaltungen im Web", schreibt er in fetten Lettern, "können nicht eingedämmt werden."

Wir möchten die Fragen an Sie weitergeben: Wo sollen Debatten heute stattfinden? Sind Blogs ohne Kommentare noch Blogs? Welche Faktoren sorgen für ein gutes Diskussionsklima? Schreiben Sie einen Kommentar und diskutieren Sie mit!

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