Elektronische Verwaltung:Unterschrift per Tastatur

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Die digitale Unterschrift für Anträge bei Behörden ist seit Jahren in Planung. Passiert ist bislang wenig, Kompetenzgerangel behindert ein Vorankommen. Die Industrie scheint schon einen Schritt weiter zu sein.

Ivo Brodien und Oliver Jesgulke

Nach mehr als sieben Jahren - seitdem kursieren Entwürfe - hat die Bundes-regierung am Mittwoch beschlossen, dass künftig Adressenänderungen vom heimischen Computer über das Internet erfolgen können. Im Rahmen des Programms "Zukunftorientierte Verwaltung durch Innovation" wären von dieser Umstellung mehr als 5200 Meldebehörden in Deutschland betroffen.

(Foto: Foto: AP)

Im Schatten dieses Beschlusses zeigten sich namhafte Vertreter der IT-Branche auf der 1. Berliner Signaturkonferenz am Fraunhofer Institut für offene Kommunikationssysteme (FOKUS) für derartige Aufgaben bereits gut gerüstet.

Hand in Hand stellten IT-Giganten wie Adobe, Microsoft und Fujitsu Siemens alltagsnützliche Lösungen vor, die die Behördenwelt "online" entscheidend verbessern sollen. Zum Beispiel das Thema Dokumentfluss per PDF: Schon heute versuchen Behörden den elektronischen Formularen auf ihren Internet-seiten virtuelle Abläufe zu forcieren.

Aktuell stehen bei bund.de 356 Formulare im PDF-Format zur Verfügung. "Doch damit ist nicht allzu viel gewonnen", meint Peter Körner vom amerikanischen Systemhaus Adobe. Die Formulare müssten oft noch ausgedruckt und postalisch verschickt werden. Nicht selten würden die Angaben auf Papier dann im Amt wieder in einen Rechner eingegeben - eine klassische Verkettung von Medienbrüchen und erhebliche Quelle für Abtippfehler.

Die technischen Hürden sind genommen

Adobe hat zur Überbrückung dieser Lücke eine "intelligentes PDF" entwickelt. Dem Formular kann neben weiterer multimedialer Inhalte eine qualifizierte elektronische Signatur eingefügt werden, die - rechtlich gesehen - gleichgestellt ist mit der eigenhändigen Unterschrift. Den Internettransfer regelt eine unabhängige Instanz, ein sogenanntes Trustcenter.

Das dazu notwendige Signaturprogramm kommt aus dem Hause der deutsch-schweizerischen Firma Openlimit, das als sicherste Lösung seiner Art vorgestellt wurde. Bernd Kowalski vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) sprach von einer "neuen Situation und Möglichkeiten" für eine Vielzahl von eGovernment-Projekten des Bundes, wie die elektronische Gesundheitskarte oder Jobkarte.

Diese würden in den kommenden Jahren Millionen von Bundesbürger zur Nutzung der digitalen Signatur verpflichten. Waren bis dato die technischen Hürden wie einheitliche Schnittstellen nicht gelöst, hat die Software von Openlimit als erste die Voraussetzungen für ein standardisiertes Verfahren geschaffen. Das BSI hat hierzu eine zweijährige Sicherheitsprüfung durchgeführt und das Programm mit einem Zertifikat versehen, das einem amtlichen Sicherheitsstempel gleicht.

Doch die Signatursoftware steht ohne weitere Technikkomponenten ziemlich einsam da. Zusätzlich bedarf es einer persönlichen Signaturkarte im Scheck-kartenformat und eines Lesegerätes, das mit dem PC verbunden wird. Der Bürger müsste im Falle der Online-Meldebehörden zuerst das Meldeformular mittels des Adobe Readers ausfüllen.

Anschließend wird mit Hilfe der Chipkarte das Dokument mit der elektronischen Signatur versehen und verschlüsselt. Danach erfolgt per Internet die Übermittlung und im Amt später die Entschlüsselung. Dabei kann der Sachbearbeiter prüfen, ob der Antrag während der Datenübermittlung verändert wurde und ob er auch tatsächlich von der Person stammt, deren Name in dem Formular steht.

Auch für Behördengänge zur Zulassungsstelle oder dem Bauamt soll der Bürger bald seine eigenen vier Wände nicht mehr verlassen müssen. Damit erspart er sich erhebliche Wartezeiten und kann von einer schnelleren Bearbeitung von Anträgen ausgehen.

Industrie will loslegen

Die Industrie hat zur Umsetzung derartiger Vorhaben in den letzten Jahren erhebliche Investitionen geleistet und wähnt sich nun in Starteuphorie. Das Quartett um Microsoft, Fujitsu Siemens, Openlimit und Adobe signalisiert dazu partnerschaftliche Synergien und vor allem, dass es kräftig mitmischen will im lukrativen Ringen um die Gunst von Staat und Unternehmen.

Laut einem Branchenkenner zielt die Allianz auf die Schaffung eines gemeinsamen Industriestandards. Bei einbezogenen Marktführern wie Adobe Reader und Windows ein schlagkräftiges Unterfangen. Doch solch einer Strategie ist die Tendenz zur Monopolisierung eigen. Das geht jedoch der Forderung von BSI und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technik entgegen, einheitliche und ausgereifte Standards einzusetzen zu wollen.

Dirk Arend von FOKUS beziffert das volkswirtschaftliche Sparpotenzial bei der Verwendung der qualifizierten elektronischen Signatur auf einen dreistelligen Milliardenbetrag. Die Online-Abwicklung zwischen allen Bürgern, der öffentlicher Hand und den Unternehmen könnte Verfahren erheblich beschleunigen und Kosten deutlich senken, so Arend.

Zudem sei er sich sicher, dass funktionstüchtiges eGovernment zum einen wichtigen Standortfaktor führe und europäische Pionierarbeit leiste. Deshalb habe der Staat keine andere Wahl, als die Umsetzung zu forcieren. Vereinzelte Konferenzteilnehmer äußerten jedoch die Befürchtung, dass das eGovernment aufgrund träger Umsetzungswillen der Regierung noch Jahrzehnte brauche, um "den Kinderschuhen zu entwachsen". Die Industrie hätte dann das Nachsehen.

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