DLD-Konferenz:Es lohnt sich nicht

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Wie viel ist Information im Informationszeitalter wirklich wert? Die digitale Elite rätselte drei Tage in München über den Wert des immateriellen Guts.

Tobias Moorstedt

Das Mädchen steht im Scheinwerferlicht und richtet den Blick nach oben, aus dem engen Lesesaal hinaus und sagt: "Ich lebe auf Facebook. Alle meine Freunde sind da." Sie lächelt und sagt mit fester Stimme: "Zusammen können wir viel erreichen: Peace, and everything." Auf der Bühne im Hintergrund stehen vergoldete Satellitenschüsseln, die Wand ist von Schwarz-Weiß-Fotos der Mondlandung bedeckt.

Youtube: Millionen User sind online. (Foto: Foto: dpa)

Das Mädchen setzt sich. Applaus. Die Teilnehmer der gerade in München zu Ende gegangenen Konferenz "Digital Life Design" wussten natürlich, dass das Mädchen nichts Substantielles zum Thema "Internet and Politics" beigetragen hatte, aber sie klatschten trotzdem, immerhin durften sie die Intimität zwischen der digitalen Generation und ihren Applikationen einmal live erleben, auch diese Mischung aus Naivität, Wagemut und Energie. Daraus müsste sich doch etwas machen lassen.

Smarte Elfenbeinturm-Insassen

Die DLD-Konferenz ist eine Mischung aus Fachmesse, akademischem Kongress und Edutainment-Berieselung, und wie jedes Jahr redeten die Superstars der Medienwelt und smarte Elfenbeinturm-Insassen über große Themen wie "Hot Earth - Deep Sea" oder "Women Power"; "New Realities" wollten die Veranstalter mit den Teilnehmern erdenken. Das eigentliche Thema einer Konferenz zeigt sich allerdings oft nicht im Titel oder einer großen "Keynote Speech", sondern eher beiläufig. Manchmal ist es nur eine oft verwendete Redewendung, die eine Tagung verrät. Diesmal lautete der Slogan des Moments: "It doesn't scale."

Skalierung ist ein Fachbegriff der IT-Branche, der das Verhalten von Programmen und Algorithmen bezüglich des Ressourcenbedarfs bei wachsenden Eingabemengen bezeichnet. Auf der DLD-Konferenz erhielt der Ausdruck jedoch eine etwas allgemeinere Bedeutung: "Es lohnt sich nicht." Während Experten über die Verheißungen der Robotik oder das partizipatorische Potential des Webs diskutierten, standen die Manager und Techniker unter dem Eindruck von schwindenden Werbeerlösen und der Tatsache, dass auch das soziale Netzwerk Facebook mit seinen 150 Millionen Kunden nur 50 Millionen Dollar Gewinn machen wird.

Die zentrale Frage war also: Wie viel ist Information im Informationszeitalter eigentlich wirklich wert? Auch Verleger Hubert Burda, der Veranstalter der Konferenz, wirkte im Gespräch mit dieser Zeitung ein wenig ratlos: "Unser Erlösmodell funktioniert nicht mehr. Wir müssen uns anders organisieren."

"100 Millionen User!" Die laute Stimme von Yossi Vardi hallt durch den Raum. "150 Million User!" Es klingt wie eine Versteigerung, dabei stellt der israelische Internet-Experte nur die Statistik seiner Diskussionspartner vor, zu denen auch Chad Hurley gehörte, der Gründer des Videoportals YouTube. Zusammen erörterten sie die Frage: Was macht ein gutes Produkt im digitalen Medienbetrieb aus? Wie kann man in Zukunft überleben?

Denn neue Technologien erhöhen nicht nur die Reichweite, das Informationsvolumen und die Prozessgeschwindigkeit, sondern schaffen auch eine neue "Kommunikationsökologie" (Pierre Levy) - ein Info-Biotop, in dem bestimmte Naturgesetze gelten, an die sich Organismen und Akteure anpassen müssen, sofern sie Erfolg haben wollen.

Vardi präsentierte einige der neuartigen Lebensformen, wie zum Beispiel erfolgreiche YouTube-Videos: Das Video eines lachendes Babys wurde insgesamt 72 Millionen Mal gesehen, erzählt Vardi, und folgert: Das Netz sei nur nebenbei ein Nachrichtenmedium, vor allem diene es den Menschen dazu, Informationen, Emotionen und Präsenz zu teilen.

Während Informationen traditionell durch die Autorität einer individuellen Stimme oder das Image einer Marke geordnet wurden, geht es im Zeitalter der Hypermedien um persönliche Empfehlungen und die Tiefe der Links. "Die Medien hatten Macht weil Wissen knapp war", sagte David Weinberger von der Universität Harvard. Heute gebe es einen "Überfluss an interessanten Informationen" ausländische Tageszeitungen, Enzyklopädien, Tagebücher.

Schockwelle um die Welt

Dieses Daten-Surplus gehe wie eine Schockwelle um die Welt und bringe die kulturellen Institutionen der Vergangenheit zum Implodieren. "Control doesn't scale", sagte Weinberger. Ab einer gewissen Informationsmenge sei es einfacher alle Informationen einzuschließen, und sie dann von Usern und sozialen Clustern ordnen zu lassen. "All the News that's fit to print", ist das Motto der New York Times - alle Nachrichten, die es wert sind, gedruckt zu werden. Das neue Paradigma heißt: Alle Nachrichten, die man bemerkt.

Massenmedien wie Tageszeitungen und Fernsehsender wurden auf der Konferenz beinahe nur in Sätzen mit Imperfekt-Konstruktionen erwähnt. Monocle-Herausgeber Tyler Brulé sprach auf der Podiumsdiskussion "New Media Models" zwar über die Liebe zum Detail, handwerkliche Perfektion und die Bleidrucktechnik, die er für sein Magazin verwendet, musste sich dann aber von Michael Arrington, Techcrunch-Blogger und Mini-Medien-Mogul, sagen lassen, "dass einige Magazine vielleicht als Evergreen auf dem Coffeetable landen würden", dass dies an der überkommenen "Ökonomie der Printmedien" aber auch nichts ändere.

Es blieb Carolyn McCall, der Geschäftsführerin der sehr erfolgreichen New-Media-Sparte des Guardian, vorbehalten, den rein ökonomisierenden Diskurs zu brechen, und anzumerken, dass Medien in der Gesellschaft einen wichtigen Auftrag erfüllten: "Es kostet eben Geld einen Reporter in den Irak zu schicken." Neben der Frage, wie man im digitalen Zeitalter mit Informationen Geld verdienen kann, steht auch die Frage, wie man die Versorgung der Gesellschaft mit Informationen sicher stellt.

"Wir produzieren mehr Inhalte als jemals zuvor", meinte dazu Jeff Jarvis, Blogger und Autor des Buches "What would Google do", und entwarf die vage Vision eines "hyperlokalen Netzwerks", in dem man Nachrichten aus seiner Nachbarschaft genauso findet wie Frontberichte. Immer wieder wurde auf der DLD-Konferenz Glam.com als innovatives Beispiel für die Aggregation und Vermarktung von Nachrichten vorgestellt. Glam.com ist ein Nachrichten-Drehkreuz, auf dem Beiträge vieler verschiedener Blogs oder Magazine landen, und das die Anzeigenerlöse dann mit den Partnern teilt. Das Frauenmagazin 2.0 könnte laut Jeff Jarvis auch zum Vorbild für politische Berichterstattung dienen: "Die Medienindustrie muss lernen als Netzwerk zu denken."

© SZ vom 29.01.2009/mri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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