Digitalkamera Ricoh GXR:Das Prinzip Baukasten

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Ricoh stellt eine Kamera vor, die es so noch nie gab: Wer eine optimale Abstimmung zwischen Objektiv und Sensor sucht, könnte bei der GXR fündig werden.

Jörg Buschmann

Schon 2009 war kein schlechtes Jahr für fotografierende Menschen. Vor allem für die, die mit leichter und kleiner Optik im Gepäck unterwegs sein wollen - aber trotzdem in einer Qualität fotografieren möchten, die der von digitalen Spiegelreflexkameras nahekommt. Olympus und Panasonic überzeugten mit ihren Modellen mit größerem (Micro-Four-Thirds) Sensor. Selbst Leica erwachte aus der Lethargie und kündigte eine kompakte Kamera mit Festbrennweite, APS-Sensor und Aufstecksucher an.

Ricoh-Kamera GXR: Zeug zum Klassiker (Foto: Foto: oH)

Und nun stellt auch noch Ricoh mit der GXR eine Kamera vor, die es so überhaupt noch nicht gab. Fotoapparate, bei denen sich das Objektiv wechseln lässt, bestehen seit Jahrzehnten aus zwei Teilen: dem Objektiv und dem Gehäuse zur Bedienung. In diesem Gehäuse befand sich früher der Film, jetzt wird darin der digitale Aufnahmesensor eingebaut. Das ist zwar eine technische Binsenweisheit, hier aber wichtig, denn Ricoh macht damit jetzt Schluss.

Das System der GXR besteht aus einer Bedieneinheit mit Bildschirm. An diese werden nun Module gesteckt, die aus Objektiv, Sensor und Bildprozessor bestehen. Ricoh verspricht, dass auf diese Weise Objektiv und Sensor perfekt aufeinander abgestimmt werden können, das Ganze kleinste Baugrößen ermöglicht und der Wechsel von Objektiven keinen Staub mehr auf den Sensor gelangen lässt.

Extrem klares Bild

Der Nachteil ist aber auch klar. Die Objektivtechnik der letzten 40 Jahre verlief bei weitem nicht so dramatisch wie die Sensortechnik der letzten vier Jahre. Mit anderen Worten: Wer in einigen Jahre mit der dann aktuellen Sensortechnik mithalten will, muss sich neue Aufnahmemodule kaufen. Und an denen hängt immer ein Objektiv.

Möglicherweise in einer Brennweite, die er längst besitzt. Aber wie macht sich die neuartige Konstruktion eigentlich in der fotografischen Praxis? Die Ricoh GXR schlägt sich fabelhaft. Obwohl sie etwas kleiner als die Micro-Four-Thirds-Modelle wie z. B. die Olympus Pen ist, liegt sie wie ein perfektes Werkzeug in der Hand.

Das aus einer Magnesium-Legierung bestehende Gehäuse fühlt sich angenehm wertig an, der Bildschirm - Diagonale 7,5 Zentimeter mit 920 000 Punkte - liefert ein extrem klares, großes und scharfes Bild, er kann es mit den besten Lösungen der großen Spiegelreflexkameras aufnehmen. Menüführung und Bedienbarkeit sind exemplarisch gut gelungen. Nicht umsonst war Ricoh auch mit den bisherigen Modellen der GR- und GX-Reihe erfolgreich.

Die wichtigsten fotografischen Eingriffsmöglichkeiten lassen sich durch Tasten direkt anwählen, einzelne Tasten sind in ihrer Funktion individuell zu belegen. Kurz: Mit keinem anderen Bedienkonzept lässt sich zur Zeit mit einer kompakten Kamera so flüssig fotografieren. Mit wenigen macht es so viel Spaß.

Dabei verzichtet Ricoh dankenswerterweise auf Gesichtserkennung, Effektfilter und Motivgeklingel. Stattdessen gibt es einen Weißabgleich, der verschiedene Segmente in einem Bild unterschiedlich abgleichen kann. Mischlicht lässt sich damit kontrollieren. Die GXR richtet sich eindeutig an den gestaltenden Fotografen, für Omas Achtzigsten gibt es vielleicht Einfacheres - und vor allem Billigeres, wie wir noch sehen werden.

Zum Start Anfang Dezember 2009 wurden zwei Objektiv-Sensor-Module angeboten: ein S 10 getauftes 24-72 mm-Objektiv (umgerechnet auf Kleinbild) mit angeschlossenem 1,7-Zoll-Sensor wie aus Kompaktkameras bekannt und optischem Verwackelschutz. Filmen lässt sich damit in VGA-Qualität. Die Alternative ist das angebotene 50-mm-Makro-Objektiv mit angedocktem größerem APS-C-Sensor. Damit sind Filme in kleiner HD-Auflösung möglich.

Simulation der menschlichen Wahrnehmung

Von beiden Varianten ist das Fünfziger der absolute Überflieger. Das Objektiv zeichnet knackscharf, der Sensor ist so groß wie der einer Nikon D 300. Die Bildqualität ist dementsprechend, hohe Lichtempfindlichkeit kein Thema. Und das bei einer Kamera, die so groß ist wie eine Canon G 9, aber viel handlicher.

Richtig gut ist aber das Fotografieren mit dieser klassischen Festbrennweite. Der große Sensor ermöglicht endlich wieder das Spiel mit gezielter Unschärfe - vom Makro bis zum Portrait ist alles drin. Das alles geht so flüssig von der Hand, dass man sich fragt, warum alle Welt ein Zoom-Objektiv benötigt. Übrigens lässt sich das Objektiv sehr gut auch von Hand scharfstellen.

An die Brennweite kann man sich sehr gut gewöhnen, entspricht sie doch nahezu der menschlichen Wahrnehmung einer Szene. Man erinnere sich: Die Dinger wurden mal Normalobjektiv genannt und viele berühmte Fotografen kannten kaum etwas anderes.

Das Zoom-Modul ist beileibe nicht schlecht, allerdings entspricht die Kamera so am ehesten den bekannten hochwertigen Kompaktmodellen - wenn auch die Bildqualität zum Besten auf diesem Gebiet gehört.

Der kleine Sensor zeigt bereits bei 400 ASA deutliches Bildrauschen, beim großen Sensor sind aber 1600 ASA noch ertragbar. Auch klar: Bei einem kleinen Sensor ist dank enormer Schärfentiefe nahezu alles immer scharf. Den Hintergrund in weicher Unschärfe - dafür gibt es übrigens mittlerweile das Modewort Bokeh - verschwinden zu lassen, gelingt nur mit dem großen APS-C-Sensor und dem Fünfziger.

Bei so viel Freude am Fotografieren sei aber nicht verschwiegen, dass die von der Ricoh GXR gebotene Qualität zu ausgesprochen selbstbewussten Preisen angeboten wird: Das Bediengehäuse, in dem ein kleiner Blitz eingebaut ist, wird bei Markteinführung 460 Euro, das Zoom-Modul 370 Euro und das 50-mm-Modul 670 Euro kosten. Und dann gibt es obendrein auch noch einen sehr guten und empfehlenswerten elektronischen Aufstecksucher.

Ein kommender Kameraklassiker?

Viel Geld also für ein geschlossenes System. So, wie es vorgestellt wurde, ist es sehr gut. Ricoh verspricht für die nahe Zukunft weitere Module: Statt eines Sensormoduls könnte ein Projektor in der Bedieneinheit Platz finden, ein Bilderspeicher soll geplant sein, ein Weitwinkel mit APS-C-Sensor ist Pflicht. Und dann - man darf ja mal träumen: 40 Millimeter mit Vollformat-Chip, ein Sensor ohne Optik, aber mit Anschluss für Leica-M-Objektive?

Sollte Ricoh all das nur ansatzweise in die Tat umsetzen können, könnte mit der GXR ein kommender Kameraklassiker die Bühne betreten, der sich problemlos zwischen Legenden aus dem Haus mit dem roten Punkt und japanischen Spiegelreflexklassikern einreihen kann. Was natürlich den Preis etwas relativiert.

Wie gesagt - kein schlechtes Jahr für fotografierende Menschen.

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